Fahrverbot wegen zu hoher Geschwindigkeit mit Phantom abgewehrt

Gerade Raser haben es eilig und gehen ungern zu Fuß: Für 1.000 Euro auf ein Schweizer Bankkonto hat ein Unbekannter vordergründig die Verantwortung für eine Geschwindigkeitsüberschreitung übernommen. Dann wurde noch ein nicht existierende Täter benannt. Die Täuschung hielt bis zur Verfolgungsverjährung und blieb auch noch straffrei.

Um 58 km/h hatte der Angeklagte die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf einer Landstraße überschritten. 480 Euro Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot hatte er für diese Ordnungswidrigkeit zu erwarten. Doch es kam anders. Der Mann wurde mit keinerlei Sanktionen belegt.

Punkte und Fahrverbot gegen Cash

Sein Fahrverbot konnte er abwenden, indem er einen an der Ordnungswidrigkeit nicht Beteiligten für entlohnte, die Geschwindigkeitsüberschreitung auf sich zu nehmen.

Schritt 1: Als das für die Verfolgung zuständige Landratsamt dem Fahrer einen Anhörungsbogen zusandte, füllte er ihn nicht selbst aus. Stattdessen fand er über das Internet einen gewerbsmäßigen Sündenbock, eine Person, die online anbot, Punkte und Fahrverbot für Betroffene zu übernehmen.

Schritt 2: Der Fahrer ließ dem Unbekannten per Mail das Anhörungsschreiben des Landratsamtes zukommen und überwies außerdem 1.000 Euro auf ein Schweizer Bankkonto.

Nicht existente Person im Anhörungsbogen angegeben

Eine andere Person füllte daraufhin den Anhörungsbogen handschriftlich aus, gab den Verstoß zu und erklärte, der zur Tatzeit verantwortliche Fahrer gewesen zu sein, wobei als Name eine nicht existente Person unter einer Karlsruher Adresse angegeben wurde.

Plumpes Täuschungsmanöver ging auf

Das Landratsamt erließ gegen die nicht existente Person einen Bußgeldbescheid und stellte zugleich das Verfahren gegen den Angeklagten ein.

Als die Behörde von der Polizei Karlsruhe erfuhr, dass es eine Person mit den angegebenen Personalien nicht gibt, war bereits eine Verfolgungsverjährung hinsichtlich der vom Angeklagten begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit eingetreten, so dass er nicht mehr belangt werden konnte.

Gerichte sehen keinen Straftatbestand erfüllt

Wenn schon kein Fahrverbot, hätte man vielleicht eine Verurteilung wegen einer durch die Täuschungsaktion Straftat erwartet - Fehlanzeige.

Nicht nur das Landgericht Tübingen hatte den Angeklagten freigesprochen, das Oberlandesgericht Stuttgart hat den Freispruch nun bestätigt, da das Verhalten des Angeklagten keinen Straftatbestand erfüllt.

Falsche Verdächtigung geht nur bei echten Personen

Der Angeklagte habe sich nicht wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, weil:

  • die falsche Behauptung nicht in Bezug auf eine andere, tatsächlich existierende Person aufgestellt wurde
  • „ein anderer“, wie ihn § 164 Abs. 2 StGB voraussetzt, bei einer Auslegung nach Wortsinn, Systematik, Zweck des Gesetzes und Historie, eine tatsächlich existierende Person sein müsse
  • sich aus der historischen Auslegung der Norm ergebe, dass der Gesetzgeber in § 164 StGB nur die falsche Verdächtigung einer bestimmten existierenden Person unter Strafe stellen wollte

Für das Vortäuschen einer Straftat reicht eine Ordnungswidrigkeit nicht

Das Gericht verwies zudem darauf, dass genau deshalb, weil § 164 StGB nur die falsche Verdächtigung einer existierenden Person unter Strafe stellen wolle, § 145d StGB (Vortäuschen einer Straftat) geschaffen habe, als bewusste Reaktion des Gesetzgebers auf die Strafbarkeitslücke des § 164 StGB.

Der §145d nimmt ausdrücklich Bezug auf das Verdächtigen einer nicht existenten oder nicht bestimmbaren Person, aber nur hinsichtlich einer Straftat gem § 11 Abs. Nr. 5 StGB und nicht, wie im vorliegenden Fall, bezüglich einer Ordnungswidrigkeit.

Manipulationen in Bußgeldverfahren werden oft nicht geahndet

Laut Gericht seien auch keine anderen Straftatbestände verwirklicht wie

  • Urkundenfälschung,
  • Beteiligung an einem Vortäuschen einer Straftat
  • oder Strafvereitelung.

Dass solche Manipulationen in Bußgeldverfahren oftmals nicht geahndet werden können und dadurch letztlich die Verkehrssicherheit leide, könne nur der Gesetzgeber ändern, indem er eine entsprechende Straf- oder Bußgeldvorschrift schaffe, so das Gericht.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 20.02.2018, 4 Rv 25 Ss 982/17).

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Schlagworte zum Thema:  Verkehrsrecht, Fahrerlaubnis, Bußgeld