Die neuen Stellen für die Justiz lassen auf sich warten

Die überlastete Justiz ist ein Dauerthema. Unter dem Stichwort "Pakt für den Rechtsstaat" hatte die Große Koalition 6.000 neuen Justizstellen angekündigt, um den erhebliche Stellenmangel in der Justiz gegenzusteuern. Nun kommt der Verdacht auf, das sei heiße Luft gewesen. Die enttäuschten Justizminister der Länder dringen auf Umsetzung der Zusage. Barley soll liefern.

Nichts geringeres als einen Pakt für den Rechtsstaat haben die Verhandler der geplanten großen Koalition angekündigt.

Länderjustizminister monieren Rückstau bei Pakterfüllung

Pakt für den Rechtsstaat hört sich erst einmal gut an und Stellenaufbau für die gebeutelte Justiz sowieso. Doch immer noch gibt es aus dem Justizministerium nicht einmal ein Konzept für die Verteilung der versprochenen 2.000 neuen Richterstellen und den 2.000 im nachgeordneten Bereich.

Auf der 89. Justizministerkonferenz (JuMiKo) machten die Justizminister ihrer Enttäuschung Luft. Vergebens hatten die Justizminister der Länder darauf gehofft, dass ihnen die Bundesjustizministerin Barley in Berlin auf der JuMiKo ein konkretes Konzept der Stellenverteilung vorstellt.

Außer der 2.000 neue Richterstellen bei den Gerichten der Länder und des Bundes und passendem Folgepersonal stand der konsequente Aufbau der Digitalisierung der Justiz im Koalitionsvertrag und folglich im Raum.

Justizministerkonferenz setzt Frist für ein Pakt-Konzept der Bundesjustizministeriums

Passiert ist aus Sicht der Länderminister nichts und das Argument der Bundesministerin, sie sei nicht befugt, Länderstellen zu schaffen, überzeugte die JuMiKo nicht. Auch mündlich vorgetragene Vorschläge von Frau Barley, wie der Bund den Ländern mit zweckgebundenen 170 bis 220 Millionen Euro bei der Bewältigung von Asylverfahren helfen könne, ließen die Minister nicht als Pakt-Erfüllung gelten.

Sie haben nun eine Frist gesetzt.

"Wenn man in einem Koalitionsvertrag eine derartige Stärkung der Justiz beabsichtigt, muss man irgendwann auch tragfähige Konzepte zur Umsetzung vorlegen",

begründet dies Thüringens Justizminister Lauinger. Sollte bis Ende des Jahres nicht feststehen, wie die versprochene Unterstützung aussehen soll, soll eine Sonder-JuMiKo einberufen werden.

Neue Pakt-Stellen kämen keinen Augenblick zu früh

  • Seitens der Juristen und Justizverbände wird schon lange auf Verstärkung statt Stellenabbau gedrungen
  • und auf Missstände (überlange Verfahren, Entlassung von Gewalttätern aus der U-Haft) als Folge der Justizüberlastung verwiesen.

Obwohl die Deutschen mehrheitlich großes Vertrauen in ihre Justiz hegen, ist die Tatsache der Überlastung der Justizorgane inzwischen im kollektiven Bewusstsein angekommen. Nach einer Umfrage des Allensbacher Instituts waren bereits im Jahre 2014 71 % der Befragten der Auffassung, dass die Justiz überlastet ist.

„Das Ende der Gerechtigkeit“?

Der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes und Direktor des Amtsgerichts Bielefeld hat einen deutlich wahrnehmbaren Warnschuss abgegeben. Mit seinem Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“ prangert Richter Jens Gnisa den seiner Auffassung nach verheerenden Stellenmangel im Justizwesen an. In seinem Werk kritisiert Gnisa u.a., dass über ein Drittel der staatsanwaltschaftlich eingeleiteten Ermittlungsverfahren eingestellt würden, nur weil zu wenig Personal vorhanden ist. Damit ziehe sich der Staat aus der Kriminalitätsbekämpfung in einigen Bereichen fast völlig zurück.

Die Richterbund fordert seit längerem 2.000 zusätzliche Stellen

Der Deutsche Richterbund hat daher von der neuen Bundesregierung und auch von den Verhandlungen einer möglichen neuen GroKo einen

  • Investitionsschub für die Justiz gefordert.
  • Organisatorisch sei darüber hinaus dringend eine digitale Infrastruktur der Justiz erforderlich.
  • 2.000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte, aber auch ein effizienteres Prozessrecht zum Kampf gegen die ausufernde Dauer von Gerichtsverfahren fordern die Richter.
  • Der Deutsche Richterbund warnt davor, dass die Justiz zum Nadelöhr bei der Strafverfolgung und beim Rechtsschutz wird und zum Teil schon ist. 

GroKo wollte laut Koalitionsvertrag Forderungen der Richter erfüllen

Die Arbeitsgruppe Innen, Recht und Verbraucherschutz hatte die Forderungen der Richter aufgegriffen und wollte diesen laut Koalitionsvertrag weitgehend nachkommen, sie teilweise sogar übertreffen.

  • Das gemeinsame Arbeitspapier von SPD und CDU sah die Schaffung der geforderten Stellen als verbindliche Arbeitsgrundlage einer neuen GroKo.
  • Von 2.000 neuen Stellen war zunächst in den Sondierungsgesprächen die Rede. Es sollten es immerhin 6.000 neue Justiz-Stellen werden.
  • 2.000 neue Stellen bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften,
  • weitere 2.000 im nachgeordneten Bereich 
  • sowie 2.000 im Strafvollzug.

Bei der Polizei sollen sogar 15.000 neue Stellen dazu kommen, und zwar je zur Hälfte bei der Bundespolizei und bei der Polizei der Länder, wobei die Länder hier allerdings auch noch ein Wörtchen mitzureden haben.

Verfolgung von Wirtschaftskriminalität soll verbessert werden

Die SPD konnte in den Verhandlungen offensichtlich durchsetzen, dass das Sanktionsrecht für Unternehmen im Fall von Wirtschaftskriminalität verschärft wird.

  • Neben den bereits bestehenden Sanktionen für Fehlverhalten von Mitarbeitern sollen künftig auch die Unternehmen selbst sanktioniert werden, sobald das Unternehmen von einem individuellen Fehlverhalten eines Mitarbeiters profitiert.
  • Das bisher bestehende Ermessen der zuständigen Behörden bei der Verfolgung des  Unternehmens als solchem soll es künftig nicht mehr geben.

Schon länger steht das Unternehmensstrafrecht auf der Wunschliste vieler Strafverfolger

Künftig Zugriff der Behörden auf Messenger-Dienste

Eine Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden hatte der damalige geschäftsführende Innenminister Thomas de Maizière angekündigt.

  • Die Sicherheitsbehörden sollen im Netz Zugriff auf Messenger-Dienste bekommen, die bisher bestehenden technischen Schwierigkeiten hierfür sollen beseitigt werden.
  • Damit sollen die Sicherheitsbehörden gleiche Befugnisse im Internet wie außerhalb des Netzes erhalten.
  • Hiermit einher geht ein Bekenntnis von SPD und CDU zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das in dem Arbeitsgruppenpapier „als richtiger und wichtiger Schritt zur Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Äußerungen in sozialen Netzwerken“ bezeichnet wird.

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Schlagworte zum Thema:  Gerichtsverfahren, Richter, Justiz