Zweiter Deutscher Strafkammertag fordert Einschränkungen der Verteidigung
Bereits der erste Strafkammertag im Februar 2016 hatte sich mit der Reform der StPO beschäftigt. Die Richter hatten dort wichtige Beschlüsse gefasst, um die vom Gesetzgeber seinerzeit geplante Reform der StPO in die nach ihrer Auffassung richtige Richtung zu lenken.
Wesentliche Beschlüsse des Strafkammertag in StPO-Reform
Tatsächlich hat der Gesetzgeber einige wesentliche Beschlüsse in die Reform der StPO aufgenommen. So hatten die Richter die audiovisuelle Aufzeichnung der Hauptverhandlung sowie die Aufzeichnung der Zeugen- und Beschuldigtenvernehmung in Bild und Ton als Regelfall des Strafprozesses sozusagen auf den letzten Metern abgewendet.
Strafkammertag will Einfluss nehmen
Das Datum für den zweiten Strafkammertag wurde bewusst gewählt. Vor Bildung der nächsten Bundesregierung will der Strafkammertag die Weichen für die Fortführung der Reform der StPO stellen, damit diese bereits bei den Koalitionsverhandlungen sowie in möglichen Koalitionsvereinbarungen berücksichtigt werden können.
Der Strafprozess soll von Ballast befreit werden
Die Richter streben vor allem eine zügigere und effizientere Durchführung des Strafprozesses an. Aus diesem Grunde wollen sie den Strafprozess von "alten Zöpfen" befreien und straffere Regeln zur Abwendung von aus ihrer Sicht unnötigen Verzögerungen, nicht zuletzt durch ausufernde Anträge von Strafverteidigern und Nebenklägerin, einführen.
Konkreter Forderungskatalog mit Strafrichter-Wünschen
Die Richter haben eine konkrete Liste von Forderungen ausgearbeitet, mit denen sie den Strafprozess effizienter gestalten wollen.
Nicht wenige der dort enthaltenen Vorschläge betreffen die Rechte der Verteidigung und enthalten teils massive Einschränkungen.
Aadere Vorschläge beziehen sich auf die innergerichtliche Organisation. Die Vorschläge lauten im einzelnen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Bamberg vom 26.9.2017):
Zu den Rechten im Verfahren
- Bei Befangenheitsanträgen - vor und während der Hauptverhandlung - soll die Hauptverhandlung bis zum übernächsten Verhandlungstag, mindestens aber für zwei Wochen, fortgesetzt werden können.
- Über Besetzungsrügen soll im Rahmen eines eigenständigen Beschwerdeverfahrens entschieden werden, ohne dass die sofortige Beschwerde eine aufschiebende Wirkung entfalten würde und ohne dass die vom Beschwerdegericht getroffene Entscheidung für das Revisionsverfahren bindend wäre.
- Beweisanträge, die ins „Blaue hinein“ gestellt werden, sollen nach bestimmten Vorgaben begründet werden müssen und sonst als unzulässig abgewiesen werden können.
- Zeugenfragebögen sollen in gleich gelagerten Massenverfahren verlesen werden dürfen, ebenso die Berichte der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe.
- Die Einreichung von Revisionen soll erschwert werden, indem sie durch einen Verteidiger begründet werden müssen, der in gleicher Weise die Sachrüge wie die Verfahrensrüge auszuführen hat.
- Die Sprungrevision soll vollständig abgeschafft werden.
- Eine Revision gegen Entscheidungen der kleine Strafkammer soll von einer Zulassung abhängen.
- Das Verschlechterungsverbot bei Widerruf von Geständnissen nach einer Verständigung der Parteien soll entfallen.
- Nebenkläger, die gleich gelagerte Interessen verfolgen, sollen gemeinsam durch einen Rechtsbeistand vertreten werden.
- Dem Schuldspruch im Strafverfahren sowie den vorausgegangenen Tatsachenfeststellungen soll eine Bindungswirkung für nachfolgende Zivilverfahren zukommen.
Zur Gerichtsorganisation
Was soll sich in der Gerichtsorganisation und für die Richter selbst ändern?
- Eine aufgabenorientierte Pflicht zur Fortbildung soll ebenso wie der Anspruch auf eine solche Fortbildung für Strafrichter geschaffen werden und bei der Personalausstattung und der tätigkeitsbegleitenden Unterstützung durch Maßnahmen wie Coaching und Supervision berücksichtigt werden
- Die Pressearbeit soll professionalisiert werden. Eine gesetzliche Regelung soll gewährleisten, dass die Pressearbeit durch erfahrene, geschulte und hinreichend freigestellte Mitarbeiter ausgeübt wird.
- Für die elektronische Akte im Strafprozess soll der Gesetzgeber einheitliche Standards schaffen und einen reibungslosen Datenaustausch zwischen den beteiligten Stellen gewährleisten. Die Einsichtnahme in die elektronische Akte soll eigenständig geregelt werden und die Einsicht nur durch Rechtsanwälte oder im Gericht erfolgen, um Datenmissbrauch zu verhindern.
- Zum Zwecke der Konzentration der Hauptverhandlung sollen die Möglichkeiten der elektronischen Akte besser ausgeschöpft werden, zum Beispiel durch das Selbstleseverfahren.
Politik soll für Umsetzung Sorge tragen
Die Strafrichter bittet die Politik ausdrücklich darum, diese Vorschläge in der neuen Legislaturperiode zu berücksichtigen. Eine realistische Aussicht darauf, dass die Politik dies tun wird, dürfte durchaus bestehen.
Kritik seitens Strafverteidiger und DAV
Ebenso sicher dürfte allerdings geballte Kritik an diesen Vorschlägen, insbesondere seitens der Strafverteidiger, deren Rechte nach den Vorstellungen der Richter erheblich beschnitten werden sollen und für die zumindest ein Teil der Vorschläge eher aus dem Gruselkabinett kommen dürfte, nicht lange auf sich warten lassen. Die Diskussion um den richtigen Weg hat mit dem richterlichen Vorschlägen also gerade erst begonnen.
Nach DAV-Auffassung jedenfalls dürften Beschuldigtenrechte nicht weiter beschnitten werden.
Eines Rechtsstaats unwürdige Forderungen?
Die Vereinigung der Berliner Strafverteidiger spricht von „Eines Rechtsstaats unwürdige Forderungen des Strafkammertages“. Die Einschränkung von Rechtsmitteln (Zulassungserfordernis der Revision bei Urteilen der kleinen Strafkammer sowie Abschaffung der Sprungrevision) sei nicht weniger als Ausweitung von Richtermacht ohne sachlichen Grund.
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