Gesetzespaket zur Bekämpfung der Hasskriminalität

Das neue Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität im Internet kann kurzfristig in Kraft treten. Am 30.3.2021 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz ausgefertigt und zwei weitere Reformgesetze gleich mit: Das Gesetz zur Anpassung der Regelungen über die Bestandsdatenauskunft sowie das Gesetz zur Neustrukturierung des Zollfahndungsdienstgesetzes.

Ergänzung des NetzDG dringend geboten

Bereits im Februar 2020 hatte die Bundesregierung das Gesetzespaket beschlossen. Die Reform ist aus Sicht von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht die konsequente Fortführung des am 1.10.2017 in Kraft getretenen NetzDG,  das aus Sicht der Bundesregierung nur ein erster Schritt zur Bekämpfung von strafbaren Hassinhalten im Netz war. Die Verpflichtung der sozialen Netzwerke, benutzerfreundliche Meldewege zur Übermittlung von Beschwerden über strafbare Inhalte einzurichten, hat erkennbare Erfolge gebracht. Dennoch sind Hasskommentare aus dem Netz bei weitem nicht verschwunden.

Zweiter Reformschritt gegen Hasskriminalität

Deshalb möchte die Bundesregierung mithilfe verschiedener Änderungen und Ergänzungen des NetzDG, des StGB, des TMG sowie der StPO den Druck auf die „Hater“ weiter verstärken. Im Zentrum der Reformen stehen die Einführung einer Meldepflicht für soziale Netzwerke sowie die Pflicht zur Herausgabe von persönlichen Daten und Passwörtern bei schweren Straftaten.

Bestandsdatenzugriff lange hoch umstritten

Besonders umstritten waren die Regelungen zum Zugriff auf die Bestandsdaten von Handynutzern. Das BVerfG hatte in einer Entscheidung zu § 113 TKG diese Vorschrift für verfassungswidrig erklärt und klare gesetzliche Voraussetzungen für die Herausgabe von Bestandsdaten gefordert (BVerfG, Beschluss v. 27.5.2020, 1 BvR 1873/13 und 2618/13). Bestandsdaten sind personenbezogene Daten von Kunden wie Namen, Adresse, Passwörter, Bankverbindung und auch die IP-Adresse, wie sie beispielsweise bei Abschluss oder der Durchführung von Verträgen erhoben werden.

Erster Gesetzentwurf wurde lange vom Bundespräsidenten blockiert

Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah weitgehende Zugriffsmöglichkeiten der Behörden auf die Bestandsdaten vor. Mit Blick auf die Verfassungsgerichtsentscheidung hatte der Bundespräsident dem ursprünglichen Gesetzentwurf die Ausfertigung über mehrere Monate verweigert. Erst nach Einschaltung des Vermittlungsausschusses konnten sich Bund und Länder dann auf einen Kompromiss einigen, der nun den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen soll. Nach den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses sind Auskünfte der Telekommunikationsanbieter gegenüber Behörden künftig nur zur Verfolgung von Straftaten und eingeschränkt zur Verfolgung besonders gewichtiger Ordnungswidrigkeiten möglich. Die Herausgabe eines Passworts ist nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten erlaubt.

Die wichtigsten Neuerungen sind:

Neue Meldepflicht für soziale Netzwerke soll Löschpflicht bei Hate Speech ergänzen

Die neue Meldepflicht gemäß § 3a NetzDG-E ergänzt die bisherige Pflicht zur Löschung strafrechtlicher Inhalte für Anbieter sozialer Netzwerke im Sinne von § 1 Abs. 1 NetzDG. Neben die Pflicht zur Löschung tritt ab Februar 2022 eine Pflicht zur Meldung strafbarer Inhalte an das BKA.

Hierzu muss der Anbieter eines sozialen Netzwerks ein wirksames Verfahren vorhalten, § 3a Abs. 1 NetzDG-E. Meldepflichtig sollen gemäß § 3a Abs. 2 NetzDG strafbare Inhalte sein, die nach Einschätzung des Anbieters strafbar sind und die anhaltende negative Auswirkungen auf die Ausübung der Meinungsfreiheit in sozialen Medien haben können.

Die Meldepflicht betrifft bestimmte Straftaten aus dem Katalog des NetzDG, in denen es um den Schutz von Grundwerten der Demokratie geht. Hierzu gehören:

  • Die Bildung krimineller Vereinigungen, § 129,129 b StGB,
  • Volksverhetzung und Gewaltdarstellung gemäß § 130,131 StGB,
  • die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen,
  • schwere Bedrohungen für Leib und Leben,
  • die Bedrohung mit einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung
  • sowie die Verbreitung kinderpornographischer Inhalte §§ 184b, 184d StGB.

Komfortable und effiziente Abwicklung von Datenabfragen

Das Verfahren im Falle einer Datenabfrage soll einfach, effektiv und schnell sein, § 3a Abs. 3 NetzDG-E.  Hiermit korrespondierend wird § 15 a TMG-E den Anbietern künftig gestatten, persönliche Daten sowie die IP-Adresse zur Verfolgung von Straftaten und eingeschränkt zur Verfolgung gewichtiger Ordnungswidrigkeiten an die Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben. Dem Schutz der User dient § 3a Abs. 6 NetzDG-E, wonach die Netzwerke innerhalb von vier Wochen nach Übermittlung von Daten an das BKA, die User hierüber informieren müssen.

Herausgabe von Passwörtern bei schweren Taten

In Fällen besonders schwerer Kriminalität, sind die Netzwerke auch verpflichtet, Passwörter ihrer User herauszugeben. Nach § 15 b TMG-E ist die Herausgabe von Passwörtern nur im Fall des Verdachts besonders schwerer Straftaten gemäß § 100 b Abs. 2 StPO gestattet, (Bildung einer terroristischen Vereinigung, schwere Bestechlichkeit, Tötungsdelikte). Die Herausgabe muss durch einen Richter angeordnet werden.

Passwortherausgabe auch zur Verbrechensprävention

Die Pflicht zur Herausgabe von Passwörtern wird nicht nur im Rahmen der repressiven Strafverfolgung, sondern auch präventiv zur Gefahrenabwehr (§ 15b Abs. 2 Ziff. 2 TMG-E) möglich sein. Im Fall einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder einer Gefahr für den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sollen die Netzwerke zur Herausgabe des Passwortes verpflichtet werden. Auch in diesen Fällen soll die Herausgabe aber nur an die Strafverfolgungsbehörden und an die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörde (Polizei) zulässig sein, nicht an die Nachrichtendienste. Bei Gefahr im Verzuge würde hier der Richtervorbehalt entfallen.

Verschärfungen im StGB sollen Internet-Taten besser erfassbar machen

Der Entwurf sieht ergänzend einige nicht unerhebliche Änderungen des StGB vor:

Zur besseren Verfolgbarkeit schwerwiegender Fälle der Beleidigung werden diese zukünftig von einem Qualifikationstatbestand in § 185 erfasst, der das Höchstmaß der Freiheitsstrafe von bisher einem Jahr auf zwei Jahre erhöht.

Die Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens gemäß § 188 StGB, die nach der Rechtsprechung nur für Politiker auf Bundes und Landesebene anwendbar ist,  wird neu gefasst und Politiker bis hin zur kommunalen Ebene erfassen. Die Tat kann künftig auch ohne Antrag bei Bejahung des öffentlichen Interesses verfolgt werden.

§ 241 StGB (Bedrohung) wird erweitert um die Bedrohung

  • mit einer rechtswidrigen Tat gegen die körperliche Unversehrtheit,
  • gegen die sexuelle Selbstbestimmung,
  • die persönliche Freiheit
  • oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert.

Medizinisches Personal in ärztlichen Notdiensten und Notaufnahmen wird künftig in den Schutzbereich des § 115 Abs. 3 StGB (Gewalt gegen Rettungsdienste) aufgenommen .

Die Billigung schwerer Straftaten gemäß § 140 StGB wird  künftig nicht nur für bereits begangene Straftaten strafbar sein, sondern auch bei öffentlicher Befürwortung künftiger Straftaten, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören.

Der Straftatbestand der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten gemäß § 146 StGB wird um das Merkmal der Androhung einer gefährlichen Körperverletzung ergänzt.

Änderung des Melderechts

Personen, die in besonderer Weise von Bedrohungen, Beleidigungen oder unbefugten Nachstellungen betroffen sind,  können durch eine Änderung des § 51 BMG künftig leichter eine Auskunftsperre ins Melderegister eintragen lassen. Ausdrücklich erwähnt werden Personen, die aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen und Angriffen ausgesetzt sind.

Bekämpfung des Antisemitismus

Angesichts der Vorfälle in Halle gilt ein besonderes Augenmerk des Gesetzgebers der Bekämpfung des Antisemitismus. Hierzu werden durch eine Ergänzung des § 46 StGB antisemitische Motive des Täters einer Straftat als zusätzliches Beispiel für menschenverachtende Beweggründe im Rahmen der Strafzumessung künftig besonders berücksichtigt.

Neue Stellen bei Polizei und Justiz, um Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet umzusetzen 

Die Reformen machen Neueinstellungen bei den Justizbehörden erforderlich. Zurzeit rechnet die Bundesregierung nach Einführung des Gesetzes mit ca. 250.000 Meldungen pro Jahr. Zu diesem Zweck soll beim BKA eine neue Zentralstelle zur Bearbeitung der Meldungen eingereicht werden.

Der Deutsche Richterbund schätzt, dass sich hieraus ca. 150.000 Ermittlungsverfahren jährlich entwickeln werden, d.h. bundesweit sind knapp 200 neue Stellen bei den Staatsanwaltschaften erforderlich sowie mindestens 75 neue Stellen in der Strafjustiz.

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Hintergrund:

In Sozialen Netzwerken wabert der Hass und es wuchern Beleidigungen, es wird auch zu Straftaten animiert. Löschungen hinken hinterher. Das umstrittene, weil mit Zensurbedenken verbundene  Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken sollte das ändern. Aggressiven und hasserfüllten Posts sollte damit ein Riegel vorgeschoben werden. Nun soll die Reform dazu beitragen, dem bisher nicht wirksam gestoppten Hate Speech im Netz nachhaltig den Garaus zu machen oder zumindest dessen massenhafte Verbreitung deutlich einzudämmen. 

Schlagworte zum Thema:  Strafrecht, Sexuelle Belästigung