Gesetz gegen digitale Gewalt

Das BMJ hat ein Eckpunktepapier für ein „Gesetz gegen digitale Gewalt“ vorgelegt. Neben positiven Stellungnahmen einiger Fachverbände befürchten insbesondere Netzaktivisten eine zu starke Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Bislang sind die Möglichkeiten der Opfer, sich gegen Hate Speech und allgemein gegen digitale Gewalt im Netz zu wehren, begrenzt. Strafrechtlich muss auf allgemeine Vorschriften wie Nötigung, Bedrohung oder die Beleidigungsdelikte zurückgegriffen werden. Darüber hinaus bietet das NetzDG den Nutzenden verschiedene Möglichkeiten, gegen rechtswidrige Inhalte auf Plattformen vorzugehen. Dies erfordert allerdings Eigeninitiative und auch Durchhaltevermögen, da ein solches Vorgehen die Kenntnis und Umsetzung nicht immer leicht durchschaubarer Regeln voraussetzt.

Mehr Schutz in digitalen Raum durch „Gesetz gegen digitale Gewalt“

Bundesjustizminister Marco Buschmann hält daher ein eigenes Gesetz für mehr Schutz im digitalen Raum und gegen digitale Gewalt für notwendig. Das Gesetz soll Opfern von beleidigenden, bedrohenden oder sonstigen rechtswidrigen Inhalten wirksame Instrumente an die Hand geben, um mit vertretbarem Aufwand Auskunft über die Identität der Urheber zu erhalten, rechtswidrige Inhalte löschen zu lassen und die Urheber zur Verantwortung zu ziehen.

Herausgabe der Nutzungsdaten

Das vom BMJ vorgelegte Eckpunktepapier sieht eine Stärkung der Auskunftsrechte privater User gegenüber Netzwerkbetreibern vor. Die bisherigen Möglichkeiten des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetzes (TTDSG) hält das BMJ für nicht effektiv genug. Künftig sollen Netzbetreiber unter anderem verpflichtet werden können, Betroffenen von „Hate Speech“ neben Namen und E-Mail-Adresse auch die IP-Adresse mitzuteilen, über die die Rechtsverletzung erfolgt ist.

Ausweitung der betroffenen Rechtsgüter

Der Anspruch auf Auskunft soll nicht auf Fälle strafrechtlich relevanter Inhalte wie Beleidigung oder Bedrohung beschränkt bleiben, sondern auch auf Fälle der Verletzung absolut geschützter Rechte wie des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Stichwort: wahrheitswidrige Nutzerkritik) ausgedehnt werden.

Ausweitung auf Messenger- und Internetzugangsdienste

Auch Anbieter von Messenger- und Internetnutzungsdiensten sollen zur Herausgabe von Nutzerdaten verpflichtet werden können. Dies soll dazu beitragen, das bisher häufig unlösbare Problem zu beseitigen, dass zur Ermittlung der Identität des Urhebers einer rechtswidrigen Äußerung zunächst die Herausgabe der IP-Adresse durch den Telemedienanbieter erforderlich ist und in einem zweiten Schritt der Internetzugangsanbieter mitteilen muss, wem diese IP-Adresse zum Zeitpunkt der Äußerung zugeordnet war.

Option der frühzeitigen Datensicherung

Die Möglichkeit einer gerichtlichen Sicherungsanordnung soll gewährleisten, dass Diensteanbieter verpflichtet werden können, die Daten des Verfassers der rechtswidrigen Äußerung bis zum Abschluss des Auskunftsverfahrens zu sichern. Bereits in einem frühen Stadium des gerichtlichen Verfahrens sollen Diensteanbieter auch zur Offenlegung der IP-Adresse gegenüber dem Gericht verpflichtet werden können, das wiederum diese Daten an den Geschädigten erst bei einem für diesen erfolgreichen Abschluss des Verfahrens weitergibt. Auch die vorzeitige Sicherung des Auskunftsanspruchs im Wege der einstweiligen Anordnung sieht das Eckpunktepapier vor.

Verfahrensgrundsätze

Das Verfahren selbst soll nach den Grundsätzen des FamFG geführt werden, d.h. das Gericht ermittelt von Amts wegen die entscheidungserheblichen Tatsachen. Für das gerichtliche Verfahren selbst soll ein Erörterungstermin durchgeführt werden der auch als Videoverhandlung ausgestaltet werden kann. Die gerichtliche Zuständigkeit soll beim Landgericht gebündelt werden, das dann auch bei einem Streitwert von unter 5.000 Euro wäre. Die Landesregierungen sollen ermächtigt werden, zentral ein Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte als zuständiges Gericht zu bestimmen.

Besonders umstritten: Accountsperre

Im Falle schwerwiegender Persönlichkeitsverletzungen soll Betroffenen unter definierten Voraussetzungen ein Anspruch auf eine richterlich gegenüber dem Diensteanbieter angeordnete Accountsperre eingeräumt werden. Hierdurch soll insbesondere ein effektives Instrument gegen Wiederholungstäter im digitalen Raum geschaffen werden. Auch die Fälle, in denen der Inhaber eines Accounts nicht ermittelt werden kann, will das BMJ auf diese Weise besser in den Griff bekommen.

Accountsperre nur nach strenger Verhältnismäßigkeitsprüfung

Die Accountsperre gehört wegen befürchteter Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu den besonders umstrittenen Elementen des Eckpunktepapiers. Das BMJ versucht der Kritik durch besonders strenge Voraussetzungen an eine solche Sperre zu begegnen. Die Accountsperre soll nur zulässig sein, wenn

  • eine Inhaltemoderation als milderes Mittel nicht ausreicht,
  • die Gefahr der Wiederholung schwerwiegender Beeinträchtigungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die von diesem Account veröffentlichten Inhalte besteht,
  • die Accountsperre unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände verhältnismäßig ist und
  • dem Accountinhaber zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
  • Daneben soll die Accountsperre nur für einen angemessenen Zeitraum angeordnet werden können.

Pflicht zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten

Das Eckpunktepapier verweist ausdrücklich auf die Pflicht sozialer Netzwerke, gemäß § 5 NetzDG einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu benennen. Da das NetzDG demnächst durch den „Digital Services Act“ abgelöst wird, soll das Gesetz gegen digitale Gewalt eine entsprechende Regelung zur Erleichterung der Durchsetzung der neuen Rechte enthalten.

Keine Gerichtskosten

Gerichtskosten sollen für die Durchführung des Auskunftsverfahrens nicht entstehen.

Schlagworte zum Thema:  Gesetz, Reform, Strafrecht