Anwaltliche Mediatoren haften nach Grundsätzen der Anwaltshaftung

Ein bei einer einvernehmlichen Scheidung eingeschalteter Mediator, der die finanziellen Aspekte regeln soll, muss beide Parteien umfassend aufklären. Er hat dafür zu sorgen, dass nicht auf den Versorgungsausgleich verzichtet wird, bevor die hierauf bestehenden Ansprüche geklärt sind. Versäumt er dies, haftet er nach den Grundsätzen der Anwaltshaftung.

In ihrem Scheidungstermin verzichteten beide Eheleute auf den Versorgungsausgleich. Das war ein großer Fehler für die Ehefrau. Wie sich anschließend herausstellte, sind ihr dadurch Ausgleichsansprüche in Höhe von ca. 94.000 EUR gegen ihren Ex-Ehemann verloren gegangen. Für den Schaden, den die Ehefrau durch die unbedachte Verzichtserklärung erlitten hat, mussten am Ende zwei Personen aufkommen: die eingeschaltete anwaltliche Mediatorin und der Scheidungsprozessvertreter der Ehefrau.

Versorgungsausgleich: der Blick auf die Rente

Beim Versorgungsausgleich werden die Rentenanwartschaften sondiert, die während der Ehe entstanden sind. Das können Anwartschaften aus

  • der gesetzlichen Rentenversicherung,
  • einer betrieblichen Altersvorsorge oder
  • einer privaten Riester- oder Rürup-Versicherung sein.

Sämtliche Ansprüche werden summiert und 50:50 aufgeteilt.  Ziel ist eine gleich hohe Altersversorgung beider Ex-Ehepartner.

Zwei Gerichtsverfahren nach dem Scheidungsprozess

Verfahrenstechnisch lief das Ganze so ab: Nach der Scheidung verklagte die Ehefrau ihren Prozessvertreter. Sie einigten sich vergleichsweise darauf, dass er ihr eine Summe in Höhe von ca. 64.000 EUR zahlt. Sodann zog der Rechtsanwalt in den nächsten Prozess, um seinen Schaden zu minimieren. Er sah eine Mitschuld bei der Mediatorin und verlangte von ihr die Hälfte des Betrags, also 32.000 EUR. Bereits in zweiter Instanz und zuletzt auch vor dem BGH bekam er Recht.

Scheidung vor Gericht, Klärung der Vermögensfolgen vor der Schlichtungsstelle

 Das Ehepaar wollte sich möglichst kurz und knapp scheiden lassen; die Trennung war einvernehmlich. Auch die vermögensrechtlichen Folgen wollten sie ohne Streit klären.

Für die Scheidung selbst lässt sich der Gerichtsweg nicht verhindern, aber wegen der Scheidungsfolgenvereinbarung suchten sie sich eine Schlichtungsstelle.

Beklagte Mediatorin war auch Anwältin

Sie wählten eine Mediatorin, die auch Anwältin ist. Diese ging wie schon häufig in diesen Fällen vor:

  • Sie traf und besprach sich mit den Eheleuten.
  • Sie ließ sich eine Vollmacht unterschreiben, sodass sie alle Auskünfte für die Berechnungen einholen konnte.
  • Sie schaltete zwei bekannte Kollegen ein, von denen einer die Ehefrau, die andere den Ehemann im Scheidungstermin vertrat.
  • Sie war Verbindungs- und Informationsquelle für alle und sollte schließlich
  • die Scheidungsfolgenvereinbarung aufsetzen.

Dafür erhielt sie den Großteil des Honorars, auch desjenigen für den Scheidungstermin. Die angeheuerten Terminvertreter erhielten einen kleinen Obolus. Das empfanden die drei beteiligten Anwälte als gerecht, denn die Schlichterin hatte die meiste Arbeit und war die Strippenzieherin hinter den Kulissen des gesamten Scheidungsverfahrens.

Schlechte anwaltliche Arbeit im Scheidungstermin, fataler Verzicht

Zwischen dem ersten Treffen der Eheleute mit der Mediatorin und dem Scheidungstermin lagen nur drei Monate – offenbar zu wenig, denn die Auskünfte, auf Grundlage derer man den Versorgungsausgleich hätte berechnen können, lagen bis zum Termin nicht vor.

  • Zwei Wochen vor dem Termin schrieb die Mediatorin die Anwältin des Ehemannes mit der Bitte an, dass sie keinen Verzicht auf den Versorgungsausgleich protokollieren lassen soll, weil der Vertrag in Kürze aufgesetzt werde.
  • Eine Woche vor dem Termin informierte sie den Vertreter der Ehefrau, dass es noch keinen Vertrag gäbe.
  • Mehr wurde nicht ausgetauscht.

Beim Scheidungstermin sah der Vertreter der Ehefrau seine Mandantin zum ersten Mal. Er kam verspätet, die Anwesenden diskutierten bereits den Versorgungsausgleich. Die Scheidung war schon vollzogen. Die Ehefrau mandatierte den unpünktlichen Rechtsanwalt ad-hoc und mündlich für den Versorgungsausgleich unter Befreiung von jeglicher Haftung. Quasi blind und ohne dass irgendeiner der Anwesenden wusste, wie hoch der Versorgungsausgleich sein würde, verzichteten die anwaltlichen Vertreter für ihre Mandanten. Darüber hinaus wurde ein Rechtsmittelverzicht erklärt.

Terminvertretung nicht ernst genug genommen

Dass gewissenhafte anwaltliche Arbeit anders aussieht als das, was der Vertreter der Ehefrau abgeliefert hat, liegt auf der Hand.

Auch wer „nur“ als Terminvertreter eingeschaltet ist,

  • muss sich durch gründliches Aktenstudium
  • und durch Absprachen mit dem Hauptbearbeiter
  • auf einen solchen Termin vorbereiten.

Ein den Scheidungstermin übernehmender sorgfältiger Anwalt hätte die Brisanz des Versorgungsausgleichs erkannt. Er hätte seiner Mandantin von einem Verzicht abgeraten. Zum Glück für die Ehefrau war der Haftungsausschluss formwidrig. So konnte sie den Schadensersatzprozess erfolgreich führen.

Mediatorin hätte klare Anweisungen geben müssen

Für gleich schwerwiegend hielten die BGH-Richter die Pflichtverstöße der Mediatorin. Als anwaltliche Mediatorin, die eine Scheidung abwickelt, rechtliche Lösungen bespricht und umsetzt, musste sie wie eine reine Anwältin in dieser Situation belehren und hinweisen. Konkret hätte sie unmittelbar vor dem Scheidungstermin beide Ehepartner informieren müssen,

  • dass die Berechnungsgrundlagen für den Versorgungsausgleich noch nicht vorliegen und dementsprechend
  • eine Entscheidung hierüber nicht getroffen werden könne - und dürfe.
  • Sie hätte wohl auch darüber aufklären müssen, dass sich die Zahlen zu Gunsten der Ehefrau ergeben würden.
  • Zumindest hätte sie die vorstehenden Informationen dem Terminvertreter der Ehefrau geben müssen.
  • Die minimalistischen Hinweise, die sie in den zwei Wochen vor dem Termin herausgegeben hatte, reichten nicht aus.

Mitgefangen, mitgehangen

Der vom Prozessvertreter der Ehefrau erklärte Verzicht war falsch und nicht durchdacht, beruhte aber letztendlich auch auf der fehlenden Information und Vorbereitung durch die Mediatorin, die den Scheidungsfall hauptsächlich bearbeitete. Beide haben im Rahmen ihrer eigenen Pflichtenkreise zum Schaden der Ehefrau beigetragen. Keiner darf sich darauf verlassen, dass der jeweils andere seinen Belehrungspflichten nachkommt. So haften sie als Gesamtschuldner, in diesem Fall je zur Hälfte. Die Mediatorin wurde folgerichtig zur Zahlung von 32.000 EUR an ihren Kollegen verurteilt.

(BGH, Urteil v. 21.9.2017, XI ZR 34/17).