Gewinnabführung nach unberechtigter Eigenbedarfskündigung

In der Mietpraxis kommt es gelegentlich vor, dass der Vermieter unliebsamen Mietern das Mietverhältnis wegen eines – in Wahrheit nicht vorhandenen – Eigenbedarfs kündigt. In einem kürzlich bekannt gewordenen Urteil hat das LG Berlin II die sich daran anknüpfenden rechtlichen Folgen für den Vermieter spürbar ausgeweitet.
Kündigung wegen (vorgetäuschten) Eigenbedarfs
Gegenstand des vom LG entschiedenen Falls war eine von einem Vermieter erklärte Kündigung einer Mietwohnung wegen Eigenbedarfs. Begründung: Die Tochter des Vermieters wolle in die Wohnung einziehen. Tatsächlich zog die Tochter nicht ein. Der Vermieter vermietete die Wohnung nach vorübergehendem Leerstand an einen Drittnutzer.
Wiedereinräumung des Besitzes an Altmieter nicht mehr möglich
Der von dem ehemaligen Mieter eingereichten Klage auf Wiedereinräumung des Besitzes blieb der Erfolg versagt, nachdem neue Mieter in die Wohnung eingezogen waren und dem Vermieter die Wiedereinräumung des Besitzes an den bisherigen Mieter danach nicht mehr möglich war. Der erstinstanzlich vom Amtsgericht verfügten Anordnung an den Vermieter, eine Kopie des neuen Mietvertrages zu übermitteln, kam dieser zwar nach, allerdings schwärzte er den Eintrag über die Höhe des monatlichen Mietzinses.
Kläger verlangt Auskunft über neue Miethöhe
Darauf stellte der ehemalige Mieter seine Klage auf Wiedereinräumung des Besitzes um in eine Klage auf Auskunft über die Höhe des monatlichen Mietzinses, die das AG im Ergebnis abwies. Das AG räumte zwar ein, dass dem Mieter ein Anspruch auf Schadenersatz zustehe und er unter anderem die ihm entstandenen Umzugskosten sowie eventuell den Mehraufwand für eine höhere Miete in einer neuen Wohnung gegen den ehemaligen Vermieter geltend machen könne. Für die Geltendmachung dieser Schadensersatzansprüche habe die Kenntnis der von dem neuen Mieter gezahlten Miete jedoch keine Bedeutung, sodass die geänderte Klage unschlüssig sei.
Berufungsgericht bejaht Auskunftsanspruch
Im Berufungsverfahren entschied das LG anders. Nach dem hier anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben stehe dem Kläger gemäß § 242 BGB ein Auskunftsanspruch zu. Entgegen der Auffassung des AG sei die Kenntnis des Klägers von der Höhe des neuen Mietzinses für diesen keinesfalls ohne Bedeutung. Das AG habe übersehen, dass dem Kläger über seinen allgemeinen Schadensersatzanspruch hinaus gemäß § 285 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Abführung des vom Vermieter erzielten Mehrerlöses zustehen könne.
Anspruch auf stellvertretendes Commodum
Gemäß § 285 Abs. 1 BGB kann der Gläubiger Herausgabe bzw. Abtretung des Ersatzes oder Ersatzanspruches verlangen, den der Schuldner infolge eines Umstandes erlangt, aufgrund dessen er den geschuldeten Gegenstand wegen Unmöglichkeit nicht herausgeben muss. Allerdings ist gemäß § 285 Abs. 2 BGB dieses sogenannte stellvertretende Commodum bei der Berechnung der sonstigen Schadensersatzansprüche zu berücksichtigen.
Anspruch des Altmieters auf Abführung des Mehrerlöses
Übertragen auf den konkreten Fall bedeutet dies nach der Entscheidung des LG:
- Infolge der ungerechtfertigten Kündigung wegen Eigenbedarfs sei der Vermieter verpflichtet, dem Kläger wieder den Besitz an den Mieträumlichkeiten einzuräumen (BGH, Urteil v. 16.12.2009, VIII ZR 313/08).
- Da er hierzu infolge der Weitervermietung und Nutzungsüberlassung an neue Mieter nicht in der Lage sei, sei die Wiedereinräumung des Besitzes gemäß § 275 BGB unmöglich geworden.
- Gemäß § 285 Abs. 1 BGB habe er danach dem Kläger den infolge der Neuvermietung erzielten Mehrerlös als Surrogat herauszugeben.
Vermieter muss Auskunft über neue Miethöhe erteilen
Da die Kenntnis der neuen Miethöhe Voraussetzung für die Berechnung eines solchen Ersatzanspruchs des Klägers ist, gewährte das Gericht dem Kläger einen Anspruch auf Auskunft über die in dem neuen Mietvertrag vereinbarte Miethöhe. Wie genau der Mehrerlös unter Berücksichtigung möglicher Mietsteigerungen zu berechnen wäre, musste das LG in der Auskunftsphase nicht entscheiden. Die Bedeutung der Entscheidung liegt darin, dass damit die Rechtsfolgen für Vermieter im Falle einer unberechtigten Eigenbedarfskündigung über den eigentlichen Schadensersatzanspruch hinaus deutlich hinausgehen könnten.
(LG Berlin II, Urteil v. 28.2.2024, 66 S 178/22)
Hintergrund:
Von Interesse in diesem Zusammenhang ist ein Urteil des AG Hamburg vom Mai 2024. Danach besteht im Fall einer Eigenbedarfskündigung eine Aufklärungspflicht des Vermieters, den Mieter nach einer Eigenbedarfskündigung bis zum Zeitpunkt der Räumung der Wohnung zu informieren, falls der Grund für den Eigenbedarf noch vor der Räumung entfallen ist. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so erfüllt dies nach der Entscheidung des AG den Straftatbestand des Betrugs durch Unterlassen gemäß § 263 Abs. 1,13 StGB (AG Hamburg, Urteil v. 29.5.2024, 412 Ds 25/23).
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