Hausverbot gegen Mieter einer Wohngemeinschaft?

Hausverbot wegen angeblicher sexueller Belästigung
Nachdem 3 Mieterinnen einer Wohngemeinschaft einen Mieter wegen sexueller Belästigung angezeigt und sich an den Vermieter gewendet hatten, sprach dieser gegenüber ihm ein Hausverbot aus. Für den Fall, dass er sich darüber hinwegsetzt, drohte der Vermieter ihm mit einem Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB. Des Weiteren verwehrte der Vermieter dem Mieter den Zugang.
Mieter erwirkte gegen Vermieter einstweilige Verfügung
Hiermit war der betroffene Mieter nicht einverstanden. Er erwirkte gegen den Vermieter eine einstweilige Verfügung. Dieser legte gegen diese Entscheidung Widerspruch ein. Demgegenüber begehrte der Mieter, dass die einstweilige Verfügung aufrechterhalten wird. Er argumentierte besonders damit, dass er die ihm vorgeworfenen Straftaten nicht begangen habe. Darüber hinaus zeigte er die Mieterinnen an.
Was das Gericht entschieden hat
Das AG Brandenburg entschied, dass die vom Mieter erwirkte einstweilige Verfügung gegen den Vermieter aufrechterhalten wird (AG Brandenburg Urteil v. 25.11.2024, 30 C 194/24).
Das Gericht führte in seinen umfangreichen Entscheidungsgründen aus, dass der Mieter nach seiner Auffassung einen Anspruch auf ungehinderten Zugang hat. Dieses erstrecke sich sowohl auf die Nutzung des ihm überlassenen Zimmers, als auch an die Mitnutzung von Bad, Flur, Küche und einem weiteren Raum.
Kein Anspruch auf Räumung wegen Mietvertrag
Dies begründete das Gericht damit, dass der Vermieter aufgrund des abgeschlossenen Untermietvertrages keinen Anspruch auf Räumung hat. Aufgrund dessen ist der Vermieter laut AG Brandenburg verpflichtet, dem Mieter den Besitz an der vorenthaltenen Mietsache einzuräumen.
Vermieter muss Räumungsanspruch geltend machen
Selbst wenn kein wirksamer Mietvertrag abgeschlossen worden wäre, könnte der Vermieter gegenüber dem Mieter lediglich einen Anspruch auf Räumung nach § 546 BGB und gegebenenfalls einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung geltend machen. Diesen müsse er notfalls gerichtlich durchsetzen.
Ausspruch von Hausverbot durch Vermieter ist verbotene Eigenmacht
Demgegenüber sah das AG Brandenburg den Ausspruch eines Hausverbotes sowie das Verwehren des Zutritts – auch bei einem Anspruch auf Rückgabe – auf Grundlage eines vermeintlichen Hausrechtes als verbotene Eigenmacht im Sinne von § 858 BGB an, durch den er den Besitz des Mieters rechtswidrig beeinträchtigt. Dies begründete das Gericht damit, dass der Vermieter seinen Anspruch nur dadurch durchsetzen darf, in dem er gerichtlich gegen den vermeintlich rechtswidrigen Besitzer der Mietsache gerichtlich vorgeht. Dies sei vor allem im Wege der einstweiligen Verfügung möglich.
Haftung von Vermieter wegen unerlaubte Selbsthilfe
Wenn der Vermieter ohne gerichtlichen Titel gegen den Mieter vorgeht, stellt die hiermit verbundene eigenmächtige Inbesitznahme der Wohnung eine unerlaubte Selbsthilfe dar. Aufgrund dessen komme eine Haftung des Vermieters gem. § 231 BGB in Betracht.
Rechtskraft dieser Entscheidung
Das Urteil des AG Brandenburg ist mittlerweile rechtskräftig.
Einordnung dieser Entscheidung
Dass Vermieter gegenüber ihrem Mieter nicht einfach ein Hausverbot aussprechen oder auf andere Weise an der Nutzung der Mietsache hindern dürfen, ergibt sich aus mehreren einschlägigen Gerichtsentscheidungen.
- Beispielsweise hat das OLG Brandenburg festgestellt, dass der Verpächter einer Parzelle bei einem Dauercamper nicht einfach die Energieversorgung einstellen durfte. Hierin sah das Gericht verbotene Eigenmacht (OLG Brandenburg Urteil v. 30.04.2008, 3 U 117/07).
- Ebenso entschied das OLG Düsseldorf bei einem Insolvenzverwalter, der ohne gerichtlichen Titel Mieträume versiegelt hatte (OLG Düsseldorf Beschluss v. 9.6-2008, I-24 W 33/08).
- Das saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken entschied, dass der Vermieter einem Mieter mit erheblichen Mietrückständen nach fristloser Kündigung nicht die Wasserzufuhr abstellen darf, damit er die gewerbliche Mietsache räumt (OLG Saarbrücken Beschluss v. 25.09.2005, 8 W 204/05-30).
Fazit:
Vermieter sollten auch bei Verdacht auf eine Straftat in der Wohnung/Mietsache kein Hausverbot aussprechen. Vielmehr sollten sie den Sachverhalt genau überprüfen und Beweise sichern (u.a. Zeugen, Fotodokumentation). Bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine Straft sollten sie eine Strafanzeige erstatten, den Mieter fristlos kündigen und einen gerichtlichen Räumungstitel erwirken. Vor allem bei Gefahr für Leib oder Leben können sie den Erlass einer einstweiligen Verfügung gem. § 940a ZPO beantragen.
In unklaren Fällen sollten Vermieter bei hinreichenden Anhaltspunkten zunächst eine Strafanzeige stellen und das Ergebnis der Ermittlungen abwarten. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, wartet ein rechtskräftiges Strafurteil ab.
Unabhängig davon sollten Vermieter dem mutmaßlichen Opfer einer Straftat empfehlen, sich selbst an die Polizei beziehungsweise an Beratungsstellen zu wenden, wie etwa den weißen Ring.
(AG Brandenburg, Urteil v. 25.11.2024, 30 C 194/24)
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