Kein Kündigungsschutz für Mietvertrag zur Wohnraumüberlassung an Arbeitnehmer

Nach einer kürzlich bekannt gewordenen Entscheidung des KG Berlin sind die Kündigungsschutzvorschriften des Wohnraummietrechts auf einen Mietvertrag über Räumlichkeiten, die ein Arbeitgeber zu dem Zweck angemietet hat, die Wohnfläche seinen Arbeitnehmern zum Wohnen zur Verfügung zu stellen, nicht anwendbar.
Mietvertrag zum Zwecke der Überlassung an Arbeitnehmer
Der Entscheidung des KG Berlin lag ein auf einem der üblichen Formulare für Wohnraummietverträge geschlossener Mietvertrag einer Vermieterin mit einer GmbH zu Grunde. Die GmbH hatte die Räumlichkeiten gemietet, um diese ihren Arbeitnehmern zu Wohnzwecken zur Verfügung zu stellen. Nachdem die Vermieterin im November 2022 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses erklärte, verweigerte die GmbH die Räumung mit der Begründung, die Vermieterin habe kein berechtigtes Interesse an der Kündigung dargetan. Es handle sich um einen Wohnraummietvertrag, der gemäß § 573 BGB nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses des Vermieters an der Kündigung ordentlich gekündigt werden könne.
GmbH auf Räumung verklagt
Die darauf erhobene Räumungsklage der Vermieterin gegen die GmbH hatte sowohl erstinstanzlich vor dem LG als auch im Berufungsrechtszug vor dem KG Erfolg. Das KG vertrat die Auffassung, dass entgegen der Ansicht der Beklagten die Darlegung eines berechtigten Interesses im Sinne der für die Wohnraummiete geltenden besonderen Kündigungsschutzvorschriften nicht erforderlich sei.
Wohnraummietvertrag nur bei Eigennutzung oder Nutzung durch Familienangehörige
Das KG stellte in seinem Urteil entscheidend auf die Abgrenzung zwischen Mietverträgen über Wohnraum gemäß § 549 BGB und sonstigen Mietverträgen über Räume gemäß § 578 BGB ab. Nach der Entscheidung des KG setzt die Einordnung eines Mietvertrages als Wohnraummietvertrag voraus, dass der im Vertrag ausgewiesenen Mieter die Räume zur Befriedigung seiner eigenen Wohnbedürfnisse bzw. der Wohnbedürfnisse seiner Familie nutzen will (BGH, Urteil v. 23.10.2019, XII ZR 125/18). Dabei komme es nicht auf die Bezeichnung des Vertrages als Wohnraummietvertrag an. Entscheidend sei allein der Zweck, den der Mieter nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien mit der Anmietung verfolgt (BGH Urteil v. 13.1.2021, VIII ZR 58/20).
Keine Anmietung zu Wohnzwecken durch GmbH
Nach Auffassung des KG kann die Anmietung von Wohnraum seitens einer GmbH grundsätzlich nicht eigenen Wohnbedürfnissen dienen, da eine GmbH als juristische Person nicht selbst in den Räumen wohnen könne, keine eigenen Wohnbedürfnisse und auch keine Angehörigen habe. Der Zweck des abgeschlossenen Mietvertrages bestehe für die Mieterin darin, die Räume ihren Angestellten zur Verfügung zu stellen. Mit Abschluss des Mietvertrages verfolge die GmbH daher rein wirtschaftliche Interessen. Der Mietvertrag diene ihrem Geschäftsbetrieb und sei daher als gewerblicher Mietvertrag einzustufen.
Auf die Wohnnutzung durch Dritte kommt es nicht an
Nach der Entscheidung des KG ist der Umstand, dass die GmbH die gemieteten Räumlichkeiten Dritten zu Wohnzwecken zur Verfügung gestellt hat, für das Vertragsverhältnis zwischen Vermieter und Mieter unerheblich und führt nicht zur Anwendung der für die Vermietung von Wohnraum geltenden mietrechtlichen Schutzvorschriften der §§ 573 ff BGB. Deshalb stehe der Beklagten auch kein Recht zum Widerspruch gemäß § 574 BGB zur Vermeidung einer besonderen Härte zu.
Besonderer Mieterschutz bei gewerblicher Weitervermietung greift nicht
An diesem Ergebnis ändert nach Auffassung des KG auch die besondere Mieterschutzvorschrift des § 565 BGB nichts. Hiernach tritt der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses in den mit einem Dritten geschlossenen Mietvertrag ein, wenn der Mieter nach den mietvertraglichen Vereinbarungen den gemieteten Wohnraum gewerblich einem Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten sollte. Dieser Sonderfall der Einschaltung eines Zwischenmieters im Interesse des Vermieters war nach Ansicht des KG hier nicht gegeben. § 565 BGB komme nur dann zum Zuge, wenn Arbeitnehmer, die die Wohnung konkret nutzen, im Rahmen eines mit der GmbH geschlossenen Untermietvertrages zur Nutzung berechtigt seien.
Wohnraumüberlassung basiert auf Arbeitsverträgen
Das KG ging nach den Einlassungen der Parteien davon aus, dass zwischen der Beklagten und ihren Arbeitnehmern keine Untermietverträge geschlossen werden und die Arbeitnehmer für die Überlassung der Wohnräume keine Miete zahlen, sondern die Überlassung als Sachleistung mit dem Lohn verrechnet wird. Demgemäß sei von einer Wohnraumüberlassung im Rahmen des jeweiligen Dienst- oder Arbeitsvertrages auszugehen. Die Wohnraumüberlassung richte sich in diesen Fällen nach arbeitsrechtlichen Bestimmungen zwischen der Beklagten und ihren Arbeitnehmern und falle nicht in den Anwendungsbereich des § 565 BGB.
Kündigungsschutz auch nicht konkludent vereinbart
Schließlich enthielt der Vertrag nach Auffassung des KG auch keine stillschweigende Vereinbarung dahingehend, dass auf den Vertrag die besonderen Kündigungsschutzvorschriften für Wohnraummiete anwendbar sein sollen. Selbst wenn die Beklagte bei Eingehung des Mietvertrages von der Anwendbarkeit der besonderen Kündigungsschutzvorschriften für Wohnraum ausgegangen sein sollte, hätte sie ohne das Hinzutreten weiterer Anhaltspunkte und Erklärungen der Klägerin nicht davon ausgehen können, dass die Klägerin mit der für sie im Verhältnis zum Geschäftsraummietrecht wesentlich ungünstigeren Wohnraummietrecht einverstanden gewesen wäre.
Räumungsklage erfolgreich
Im Ergebnis kam es damit nach Auffassung des KG für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Kündigung gemäß § 573 BGB nicht an. Die Kündigung war daher wirksam. Das KG gab - wie schon die Vorinstanz - der Räumungsklage statt.
(KG Berlin, Beschluss v. 18.9.2024, 8 U 40/24)
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