Aufwendungsersatz für Rückbau schon im Vorfertigungsstadium

Käufer einer Sache haben schon im Vorfertigungsprozess Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die Rückgängigmachung vorbereitender Einbaumaßnahmen in eine andere Sache, wenn sich erst dann ein Mangel der Kaufsache zeigt.

Die aktuelle Entscheidung des BGH zum Aufwendungsersatzanspruch für die Rückgängigmachung von eingeleiteten Einbaumaßnahmen ist nicht nur für private Käufer, sondern insbesondere für Handwerker, Werkunternehmer und sonstige verarbeitende Unternehmen von Bedeutung. In seiner Entscheidung hat der BGH die Rechte derjenigen Unternehmen gestärkt, die im Rahmen des Einbaus einer Kaufsache in eine andere Sache Mängel an der Kaufsache feststellen und die bereits getroffenen Maßnahmen nur unter hohen finanziellen Aufwendungen wieder rückgängig machen können.

Der gesetzliche Aufwendungsersatzanspruch

Gemäß § 439 Abs. 3 BGB hat der Käufer einer mangelhaften Sache, die gemäß ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht wurde, Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die anschließende Trennung bzw. den Ausbau der Kaufsache, wenn der Mangel erst nach dem Einbau offenbar wurde. Die Vorschrift enthält allerdings keine explizite Bestimmung darüber, ob der Aufwendungsersatzanspruch auch die Fälle erfasst, in denen der Einbau in die neue Sache im Rahmen eines Vorfertigungsprozesses lediglich vorbereitet, aber noch nicht durchgeführt wurde. Diese Frage hat der BGH in einem aktuellen Urteil zugunsten der Käufer geklärt.

Gekaufte Rohre im Rahmen eines Vorfertigungsprozesses zusammengeschweißt

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Beklagte Edelstahlrohre mit einem maritimen Konformitätszertifikat, das die Verwendung der Rohre für den Schiffbau gestattet, zum Preis von ca. 785.000 EUR gekauft. Die Rohre sollten später in 2 Kreuzfahrtschiffen zum Transport von LNG-Gas genutzt werden. Im Rahmen eines Vorfertigungsprozesses hatte die Klägerin die Rohre zu sogenannten Rohrleitungsspools zusammengeschweißt.

Rohrleitungsspools wegen Materialfehler wieder getrennt

Vor dem im Anschluss geplanten Einbau in den Schiffskörper entdeckte die Klägerin Materialfehler der gekauften Rohre und stellte die Vorfertigung ein. Die geschweißten Rohrleitungsspools trennte sie wieder. Die Beklagte lieferte daraufhin neue Rohre. Mit der Klageforderung über knapp 1,4 Mio. EUR begehrte die Klägerin u. a. Ersatz der Kosten für die Rückgängigmachung des Vorfertigungsprozesses.

Vorinstanzen lehnten Aufwendungsersatz ab

Die Vorinstanzen hatten die Klage u. a. mit der Begründung abgewiesen, dass der verschuldensunabhängige Aufwendungsersatzanspruch aus § 439 Abs. 3 BGB nach seinem Wortlaut nicht den Fall erfasse, in dem die gekaufte Sache zwar zum Einbau in eine andere Sache (Kreuzfahrtschiffe) vorbereitet, tatsächlich aber noch nicht in die andere Sache eingebaut bzw. mit ihr verbunden wurde.

Vorfertigungsprozess ist Bestandteil der Einbaumaßnahme

Die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil hatte Erfolg. Entgegen der Auffassung der Vordergerichte bewertete der BGH das Zusammenschweißen der Rohre im Rahmen des Vorfertigungsprozesses als Bestandteil des dem Verwendungszweck der Rohre entsprechenden Einbaus in die Kreuzfahrtschiffe. Damit sei der Anwendungsbereich des verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruchs nach § 439 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung eröffnet. Die seit dem 1.1.2022 geltende Neufassung der Vorschrift ist in der für die Entscheidung des BGH maßgeblichen Sequenz gleichlautend.

Einbau in eine andere Sache häufig in mehreren Stufen

Nach Auffassung des BGH unterlagen die Vorinstanzen einem zu engen Verständnis des Merkmals „Einbau der Kaufsache in eine andere Sache“. Der Wortlaut des § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB biete keinerlei Anhaltspunkte dafür, den Aufwendungsersatzanspruch auf die Fälle zu beschränken, in denen die Kaufsache bereits vollständig die andere Sache eingebaut ist. Der Einbau einer Sache in eine andere vollziehe sich häufig in mehreren Stufen. Der Haupt- bzw. Endfertigung könnten einzelne Vorfertigungsstufen vorausgehen, in denen Bauteile zusammengefügt und für die Endmontage vorbereitet werden.

Vorfertigung diente dem geplanten Einbau

Im konkreten Fall erfolgte nach der Bewertung des BGH die Vorfertigungsphase in Gestalt der Verbindung der Rohre mit Fittingen und Meßstutzen zu Rohrleitungsspools eindeutig zum Zwecke der Vorbereitung des Einbaus in die Kreuzfahrtschiffe und sei damit bereits Teil des Einbauvorgangs gewesen. Den Einbauvorgang lediglich auf die Schlussphase des Einbaus zu reduzieren, entspreche nicht dem Sinn des § 439 Abs. 3 BGB.

Handwerker und Werkunternehmer sollen von Folgekosten entlastet werden

Zentrales Anliegen des Gesetzgebers sei die Entlastung von Handwerkern und Werkunternehmern, die zum Zwecke des Einbaus einer Sache Aufwendungen haben. Stellten sich später Mängel an der Kaufsache heraus, so habe der Gesetzgeber die Käufer vor hierdurch entstehenden finanziellen Aufwendungen entlasten wollen. Es kommt nicht darauf an, ob die Kaufsache zum Zeitpunkt des Auftretens des Mangels bereits ganz oder teilweise in eine andere Sache eingebaut oder für den Einbau vorbereitet war.

§ 439 Abs. 3 BGB als überschießende Umsetzung von EU-Recht

Diese Sichtweise entspricht nach Auffassung des BGH auch unionsrechtlichen Vorgaben, nach denen der Ersatz für Aufwendungen zum Ausbau mangelhafter Sachen im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs zu gewährleisten sei (EuGH, Urteil v. 6.10.2021, C - 65/09). Der deutsche Gesetzgeber habe mit § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB insoweit bewusst eine überschießende Umsetzung des EU-Rechts implementiert, als er den Aufwendungsersatzanspruch nicht auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt, sondern auf den Kauf im Unternehmensbereich ausgedehnt habe. Die Grenze des Anwendungsbereichs der Vorschrift liege erst dort, wo die Kaufsache in der ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden sei, beispielsweise bei der untrennbaren Vermengung und Vermischung von Flüssigkeiten, Chemikalien oder ähnlichem.

Aufwendungsersatz auch bei sehr hohem Rückbauaufwand

Schließlich betonte der BGH, dass entgegen der Auffassung der Vorinstanzen auch ein sehr hoher, den Kaufpreis übersteigender Aufwand für die Rückgängigmachung der Vorfertigung dem Aufwendungsersatzanspruch nicht entgegensteht. Dem Gesetzgeber sei bewusst gewesen, dass die Kosten für das Entfernen einer mangelhaften Kaufsache und den Einbau neuer Sachen außerordentlich hoch sein könnten. Auch solche hohen Rückbaukosten würden von dem Aufwendungsersatzanspruch erfasst, solange der Einbau revidierbar sei. Auch hier stehe der Schutz von Werkunternehmern und Handwerkern im Vordergrund.

Berufungsgericht muss erneut entscheiden

Der BGH hat das klageabweisende Urteil der Vorinstanz aufgehoben und den Rechtsstreit zur erforderlichen weiteren Sachaufklärung in einzelnen zwischen den Parteien strittigen Punkten an die Vorinstanz zurückverwiesen.

(BGH, Urteil v. 21.6.2023, VIII ZR 105/22)