Kein Aufwendungsersatz bei Verbindung von Sachen zu neu hergestellter Sache
In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall bestellte die Klägerin bei der Beklagten eine Vielzahl von Rohren aus Edelstahl. Die Rohre sollten als Rohrleitungssysteme auf zwei Kreuzfahrtschiffen montiert werden. Die Beklagte hatte die Rohre ihrerseits bei einem indischen Unternehmen bestellt. Nach Lieferung der Rohre zeigte die Klägerin der Beklagten angebliche Materialfehler an.
Vor Entdeckung des Materialfehlers mit Weiterverarbeitung begonnen
Die Klägerin hat behauptet, sie habe vor Entdeckung der Materialfehler mit der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme begonnen. Die Vorfertigung bestehe darin, die Rohre zu sog. Rohrleitungsspools zusammenzubauen, beziehungsweise an von ihr vorbereiteten Nähten zusammenzuschweißen; anschließend müssten die Rohre zu Reinigungszwecken gebeizt und angestrichen werden. Aufgrund der Materialfehler habe sie die Vorfertigung eingestellt. Sie habe sodann die bereits errichteten Spools wieder demontiert, um sie bei einer neuen Vorfertigung erneut verwenden zu können.
Ersatz der Kosten für die Demontage der Vorfertigung
Die Klägerin verlangt von der Beklagten u.a. Ersatz derjenigen Kosten, die ihr aufgrund der Demontage der Vorfertigung entstanden sind. Das Gericht wies einen verschuldensunabhängigen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin ab:
Das OLG führt zunächst aus, welche Fälle von § 439 Abs. 3 BGB erfasst sind. Beim Einbau wird die Kaufsache mit einer anderen Sache in der Weise körperlich verbunden, dass sie unselbständiger Bestandteil dieser anderen Sache wird. Unter Anbringen ist eine Verbindung der mangelhaften Sache mit einer anderen Sache zu verstehen, die dem Einbau vergleichbar ist; gemeint sind insbesondere Fälle, in denen die mangelhafte Sache nicht in den Corpus einer anderen Sache integriert, sondern lediglich außen an ihr angebracht wird, wie etwa Dachrinnen, Farben, Leuchten und Lacke.
Hier kein Fall von § 439 Abs. 3 BGB gegeben
Der Fall der Verbindung von Rohren zu Rohrleitungssystemen wird nach Ansicht des OLG vom Wortlaut des Aufwendungsersatzanspruches des § 439 Abs. 3 BGB nicht erfasst. Die Klägerin habe die Rohre miteinander verbunden, indem sie sie zu Rohrleitungsspools zusammengebaut beziehungsweise zusammengeschweißt hat. Dabei wurden die von der Beklagten gekauften Rohre aber nicht in der Weise miteinander verbunden, dass die Rohre unselbstständiger Bestandteil einer anderen Sache geworden sind. Da ein Einbau der Rohrleitungsspools in die Schiffe unstreitig nicht erfolgt ist, könne dahinstehen, ob dabei entstandene Kosten ersatzfähig wären.
§ 439 Abs. 3 BGB ist auslegungsfähig
Das Gericht berücksichtigt den Hinweis der Bundesregierung, dass § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB auslegungsfähig und auslegungsbedürftig sei. Der Einbau einer Kaufsache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache und deren Ausbau könne in vielerlei Varianten erfolgen, z.B. durch Ein- und Ausschrauben, Nieten und Bohren, Schweißen und Heraus- oder Abtrennen. Allerdings dürfte die Auslegung von § 439 Abs. 3 Satz 1 BGB dort eine Grenze finden, wo die Kaufsache in ihrer ursprünglichen Sacheigenschaft nicht mehr vorhanden sei.
Hier wurde neue Sache geschaffen
Die Klägerin hat nach Ansicht des OLG durch die Verarbeitung und Verbindung der gelieferten Rohre noch vor deren Einbau auf den Kreuzfahrtschiffen neue Sachen – sog. Rohrleitungsspools – geschaffen. Der Vorfertigungsprozess könne deshalb nicht als bloße Vorbereitung des Einbaus der Rohre in die Kreuzfahrtschiffe angesehen werden. Die Klägerin habe erhebliche Leistungen i.R.d. Vorfertigung erbracht, die Rohrleitungsspools waren offenbar auf die konkreten Bedürfnisse der Kreuzfahrtschiffe ausgelegt und somit wurde ein neuer Funktionszweck geschaffen. Jedenfalls seien die Möglichkeiten, die Rohre zu verwenden, durch die Vorfertigung deutlich eingeschränkt worden. Eine Demontage war zwar nicht unmöglich, erforderte aber wiederum einen erheblichen Aufwand.
Praxishinweis
Das OLG Köln erteilt Bestrebungen in der Literatur, die den Anwendungsbereich über die ausdrücklich geregelten Fälle des Einbaus und des Anbringens hinaus auch bei anderen Veränderungen der Kaufsache anzuwenden wollen, eine deutliche Absage.
Kommt es zur Nacherfüllung in Folge mangelhafter Sachen und der Forderung nach Aufwendungsersatz für die Ein- und Ausbaukosten, sollten Unternehmen zunächst sorgfältig prüfen, ob durch die Verbindung der fehlerhaften Sache mit einer anderen Sache nicht möglicherweise eine neue Sache hergestellt wurde. Denn dann könnte der Lieferant der mangelhaften Sache sich mit Verweis auf das OLG Köln einem Aufwendungsersatzanspruch für Ein- und Ausbaukosten entziehen.
Steht dem Unternehmen diese Möglichkeit nicht offen, weil es möglicherweise selber vom Lieferanten gelieferte Sachen zu einer neuen Sache verbindet oder verarbeitet, die wiederum beispielsweise in ein Kraftfahrzeug eingebaut wird, kann in Individualvereinbarungen im B2B-Bereich der Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 439 Abs. 3 BGB modifiziert, eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. So könnte der Besteller mit seinem Lieferanten beispielsweise ausdrücklich vereinbaren, dass die Übernahme der Ein- und Ausbaukosten vom Lieferanten auch dann übernommen werden müssen, wenn der Besteller durch Verarbeitung der gelieferten mangelhaften Teile eine neue Sache herstellt.
Anderweitige Regelung von Aufwendungsersatz in AGB dürfte unzulässig sein
Eine Einschränkung, Modifikation oder ein Ausschluss des Aufwendungsersatzanspruchs in AGB dürfte dagegen unzulässig sein, da gem. § 309 Nr. 8 b) cc) BGB eine Indizwirkung dafür besteht, dass die Verwendung einer entsprechenden Klausel auch im Fall der Verwendung gegenüber Unternehmen zu einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 BGB führt und daher unwirksam ist. Wie sich die Rechtsprechungspraxis in diesen Fällen entwickelt, ist offen.
Die Revision ist zugelassen (Az.: BGH VIII ZR 105/22 - ANH), es bleibt also spannend, ob sich auch der BGH der Auffassung des OLG Köln anschließen wird.
(OLG Köln, Urteil vom 7.4.2022 – 15 U 82/21)
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