RVG-Anpassung zum 1. Juni 2025: Was sich durch das KostBRÄG2025 bei der Vergütung ändert

1. Hintergrund
Die letzte Veränderung der Vergütung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erfolgte zum 1.1.2021. Seit Juni 2024 gab es einen Gesetzentwurf, der die Vergütung wie in allen Bereichen des täglichen Lebens angepasst hat. Aufgrund politischer Umstände wurde die Änderung des RVG vom Bundestag erst am 31.1.2025 verabschiedet, gemeinsam mit einer höheren Vergütung für u.a. Betreuer, Sachverständige, Verfahrenspfleger und Sprachmittler. Damit einher ging auch eine Erhöhung der Gerichtskosten, um eine kostendeckende Arbeit der Gerichte anzustreben. Da wegen der Änderung der Gerichtskosten und über die Gewährung von Beratungs- und Prozesskostenhilfe bei der Anwaltsvergütung auch die Haushalte der Länder betroffen sind, war die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.
Das Gesetzespaket hat den etwas sperrigen Titel „Gesetz zur Neuregelung der Vormünder- und Betreuungsvergütung und zur Entlastung von Betreuungsgerichten und Betreuern sowie zur Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes und des Justizkostenrechts (Kosten- und Betreuervergütungsrechtsänderungsgesetz 2025 – KostBRÄG 2025)“, datiert vom 7.4.2025 und ist im Bundesgesetzblatt Nr. 109 veröffentlicht worden. Art. 11 des Gesetzes betrifft das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und trittat zum 1.6.2025 in Kraft.
2. Was ändert sich ab 1.6.2025 für die Anwaltschaft?
Mit der Gebührenerhöhung werden in erster Linie die erheblich gestiegenen Personal- und Sachkosten der Anwaltschaft nachvollzogen. Bei den Wertgebühren beträgt die lineare Erhöhung gegenüber der vorherigen Rechtslage seit dem 1.1.2021 im Durchschnitt 6 %, bei den Betragsrahmengebühren im Sozialrecht beträgt die Mehrvergütung 9 %.
Wertgebühren aus der Staatskasse
Auch bei Wertgebühren aus der Staatskasse (§ 49 RVG) erhält der Rechtsanwalt eine höhere Vergütung bei Angelegenheiten mit Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Aufgrund der stärker degressiv gehaltenen Gebührentabelle wirkt sich die Erhöhung nicht ganz so stark aus wie bei den Wahlanwaltsgebühren, jedoch wurde dafür die Gebühr der Stufe bis 5.000,00 EUR zusätzlich erhöht. Ebenfalls erhöht wurde für Mandate dieser Art die sog. Kappungsgrenze. Diese betrug bislang 50.000,00 EUR. Es handelt sich hier um eine obere Wertgrenze, so dass bei höheren Gegenstandswerten keine weitere Gebührenerhöhung eintritt und damit ab diesem Wert eine einheitliche Gebühr entsteht. Zum 1.6.2025 ist auch in diesem Punkt eine Verbesserung für die Anwaltschaft eingetreten, da diese Kappungsgrenze nun bei 80.000,00 EUR liegt.
Terminsgebühr
Bei der Terminsgebühr in VV Nr. 3104 RVG wird nun klargestellt, dass diese im schriftlichen Verfahren nicht nur dann fiktiv abzurechnen ist, wenn für das Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, sondern auch im Fall einer „Erörterung“, z.B. in Kindschaftssachen. Die Rechtsprechung war zu dieser Frage bislang nicht einheitlich.
Bußgeldangelegenheiten
Änderungen gab es auch bei der Abrechnung von Bußgeldangelegenheiten, die sich auf Verkehrsordnungswidrigkeiten auswirkt. Die Eingangsgebühr nach VV Nr. 5101 orientierte sich bislang bei 60,00 EUR Geldbuße, da das die allgemeine Grenze für Eintragung von Punkten im Fahreignungsregister darstellte. Durch die Erhöhungen der Geldbußen droht allerding ein Eintrag eines Punktes im Fahreignungsregister z.B. bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts erst bei 115,00 EUR bzw. außerorts bei 100,00 EUR Geldbuße. Im Allgemeinen liegen in Verkehrsordnungswidrigkeiten die Grenzen für die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister bei 80,00 EUR. Die Grenze der Eingangsgebühr wurde entsprechend jetzt auf 80,00 EUR erhöht, d.h. es fällt die untere Gebührenstufe an, wenn die Geldbuße weniger als 80,00 EUR (bisher 60,00 EUR) beträgt.
Gerichtskosten
Angepasst wurden weiter die Gerichtskostentabellen mit Erhöhungen zwischen 6 % und 9 %. So beträgt z.B. die Mindestgebühr bei der Beantragung eines Mahnbescheides statt 36,00 EUR nunmehr 38,00 EUR, für gerichtliche Handlungen der Zwangsvollstreckung statt 22,00 EUR jetzt 24,00 EUR.
Änderung im Familienrecht
Für Mandate im Bereich des Familienrechts führen die Neuerungen zu einer teilweisen Anhebung der Gegenstandswerte, z.B. liegt der Höchstwert in Kindschaftssachen des Verbundes (§ 44 FamGKG) sowie der Gegenstandswert in bestimmten Kindschaftssachen (§ 45 FamGKG) bei 5.000,00 EUR (bislang 4.000,00 EUR), der Gegenstandswert in Ehewohnungs- und Haushaltssachen (§ 48 FamGKG) bei 4.000,00 EUR bzw. 5.000,00 EUR (vorher 3.000,00 EUR bzw. 4.000,00 EUR) und bei Gewaltschutzsachen (§ 49 FamGKG) bei 3.000,00 EUR bzw. 4.000,00 EUR (vorher 2.000,00 EUR bzw. 3.000,00 EUR).
3. Wann ist nach neuem Recht abzurechnen?
Die Rechtsänderungen gelten für alle Aufträge und Mandatierungen ab dem 1.6.2025. Es ist die ständige Übergangsregelung in § 60 RVG zu beachten. Diese bestimmt, welches Recht anzuwenden ist, wenn ein Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin beauftragt wird, nachdem ein Gesetz geändert wurde. Nach § 60 Abs. 1 RVG ist für die Vergütung das bisherige, bis zum 31.5.2025 geltende Gebührenrecht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung, d.h. vor dem 1.6.2025 erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse, so dass das bisherige Recht gilt, wenn der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin vor dem 1.6.2025 bestellt oder beigeordnet wurde.
Was unter dieselbe Angelegenheit fällt, definiert § 16 RVG, z.B.:
- Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und das Verfahren, für das Prozesskostenhilfe beantragt worden ist,
- eine Scheidungssache und die Folgesachen,
- einstweiliges Verfügungsverfahren und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf,
- im Kostenfestsetzungsverfahren jedes Verfahren über die Erinnerung, gerichtliche Entscheidung und Beschwerde im selben Beschwerderechtszug,
- Rechtsmittelverfahren und Verfahren über die Zulassung des Rechtsmittels (außer das Beschwerdeverfahren über die Nichtzulassung eines Rechtsmittels).
Im Umkehrschluss ist in § 17 RVG festgelegt, was keinesfalls als dieselbe, sondern als verschiedene Angelegenheiten zu verstehen sind. Hier kommt es für eine Berechnung nach neuem Vergütungsrecht darauf an, dass der jeweilige (weitere) unbedingte Auftrag ab dem 1.6.2025 erteilt wurde, z.B.:
- Verfahren über ein Rechtsmittel (Berufung, Revision, Beschwerde) und der vorausgegangene Rechtszug,
- Mahnverfahren und anschließendes streitiges Verfahren,
- Verfahren in der Hauptsache und Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung,
- Rechtsmittelverfahren und das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels,
- strafrechtliches Ermittlungsverfahren und anschließendes Gerichtsverfahren bzw. nach Einstellung des Strafverfahrens ein anschließendes Bußgeldverfahren,
- Bußgeldverfahren und nachfolgende gerichtliche Verfahren,
- allgemein die außergerichtliche und anschließende gerichtliche Tätigkeit.
4. Wie sind Mandate in der Übergangszeit abzurechnen
Ist der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin am 1.6.2025 in derselben Angelegenheit bereits tätig, ist die Vergütung für den gesamten Rechtszug nach dem bis zum 31.5.2025 geltenden Recht zu berechnen. Nach § 17 Nr. 1 RVG ist jeder Rechtszug wiederum als verschiedene Angelegenheit zu behandeln. Was zu einem Rechtszug und zu Tätigkeiten, die mit dem Verfahren zusammenhängen, gehört, definiert wiederum § 19 RVG, z.B.:
- Vorbereitung einer Klage,
- Streitverkündung,
- außergerichtliche Verhandlungen während eines Klageverfahrens,
- Verfahren über die Erinnerung,
- in Straf- und Bußgeldsachen die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszuges,
- Kostenfestsetzung.
Für die Vergütung für das Verfahren über ein Rechtsmittel im Zivilrecht bedeutet das, dass nach dem ab 1.6.2025 geltenden Recht abzurechnen ist, wenn das Rechtsmittel ab diesem Termin eingelegt wurde. Nach § 17 Nr. 1 RVG ist jeder Rechtszug als verschiedene Angelegenheit zu behandeln.
Anrechnung von vorgerichtlich entstandenen Gebühren
Besonderheiten sind bei der teilweisen Anrechnung von vorgerichtlich entstandenen Gebühren zu beachten. Bei anzurechnenden Gebühren liegen in der Regel verschiedene Angelegenheiten vor, die je nach Auftragsdatum unterschiedlich abzurechnen sind. Es gilt der Grundsatz bei Wertgebühren, dass nicht mehr angerechnet werden kann als der Rechtsanwalt bzw. die Rechtsanwältin durch die vorherige Tätigkeit (nach altem Vergütungsrecht) verdient hat.
Beispiel:
Auftragserteilung im März 2025 zur außergerichtlichen Geltendmachung einer Forderung über 5.000,00 EUR, Auftrag zur Klageeinreichung im Juni 2025 mit mündlicher Verhandlung.
Abrechnung:
außergerichtliche Vertretung nach altem Recht, Gegenstandswert 5.000,00 EUR | |
1,3 Geschäftsgebühr, VV Nr. 2300 RVG | 434,20 EUR |
Postentgelt, VV Nr. 7002 RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 454,20 EUR |
19 % MwSt., VV Nr. 7008 RVG | 86,30 EUR |
Gesamt | 540,50 EUR |
gerichtliches Verfahren nach neuem Recht, Gegenstandswert: 5.000,00 EUR | |
1,3 Verfahrensgebühr, VV Nr. 3100 RVG | 460,85 EUR |
nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen zur Hälfte, maximal 0,75 aus 5.000,00 EUR nach altem Recht |
|
1,2 Terminsgebühr, VV 3104 RVG | 425,40 EUR |
Postentgelt, VV Nr. 7002 RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 689,15 EUR |
19 % MwSt., VV Nr. 7008 RVG | 130,94 EUR |
Gesamt | 820,09 EUR |
Bei Betragsrahmengebühren, z.B. im Sozialrecht, ist die Besonderheit zu beachten, dass sich die Anrechnungsgrenze für die anschließende gerichtliche Tätigkeit von bisher 207,00 EUR auf jetzt 225,00 EUR erhöht hat. Diese ist für das anschließende gerichtliche Verfahren maßgeblich:
Beispiel:
Auftragserteilung im März 2025 zur Fertigung eines Widerspruchs gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erwerbsminderungsrente, Auftrag zur Klage vor dem Sozialgericht gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid im Juni 2025 mit mündlicher Verhandlung.
Abrechnung mit den jeweiligen Mittelgebühren:
Vertretung im Widerspruchsverfahren nach altem Recht | |
Geschäftsgebühr, VV Nr. 2302 RVG | 359,00 EUR |
Postentgelt, VV Nr. 7002 RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 379,00 EUR |
19 % MwSt., VV Nr. 7008 RVG | 72,01 EUR |
Gesamt | 451,01 EUR |
gerichtliches Verfahren nach neuem Recht | |
Verfahrensgebühr, VV Nr. 3102 RVG | 392,00 EUR |
nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus der alten vorgerichtlichen Gebühr anzurechnen zur Hälfte, maximal 225,00 EUR |
|
Terminsgebühr, VV 3106 RVG | 365,00 EUR |
Postentgelt, VV Nr. 7002 RVG | 20,00 EUR |
Zwischensumme | 597,50 EUR |
19 % MwSt., VV Nr. 7008 RVG | 113,53 EUR |
Gesamt | 711,03 EUR |
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