Widerruf von Online-Mandatsverträgen
Auch Rechtsanwälte müssen bei online geschlossenen Mandatsverträgen Verbraucher über ihr 14-tägiges Widerrufsrecht belehren, andernfalls beträgt die Widerrufsfrist 12 Monate und 14 Tage. Ist der Mandant nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden, so kann der Anwalt im Fall des rechtzeitigen Widerrufs auch für bereits erbrachte Leistungen keine Vergütung verlangen.
Honorarklage gegen ehemalige GmbH-Geschäftsführerin
Im konkreten Fall hatte eine Anwaltskanzlei die ehemalige Geschäftsführerin von 2 GmbHs auf Zahlung eines vereinbarten Zeithonorars verklagt. Die Beklagte hatte die Anwaltskanzlei mit ihrer Vertretung gegenüber dem Finanzamt beauftragt, nachdem sie vom Finanzamt einen Anhörungsbogen wegen einer möglichen Mithaftung für Säumniszuschläge erhalten hatte, die in ihrer Zeit als Geschäftsführerin zulasten der GmbHs angefallen waren. Die Beklagte war in beiden Gesellschaften nur formal als Geschäftsführerin eingesetzt. Einblick in die Geschäftsunterlagen hatte sie nicht. Die Geschäftsführertätigkeit wurde nicht von ihr, sondern von ihrem Ehemann ausgeübt.
Mandatserteilung ausschließlich online
Die Beauftragung der Anwaltskanzlei erfolgte online, ebenso der Abschluss einer Honorarvereinbarung nach Stundensätzen sowie der anschließende Schriftverkehr. Persönliche Gespräche fanden nicht statt. Nach Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Finanzamt stellte der beauftragte Anwalt der Beklagten ein Honorar in Höhe von 21.140,87 EUR in Rechnung. Im Auftrag der Beklagten beschwerte sich ein anderer Anwalt telefonisch bei der Anwaltskanzlei über das nach seiner Auffassung unangemessene Honorar. Hierauf legte die Klägerin das Mandat nieder.
Mandatsvertrag widerrufen
Der anderweitig von der Klägerin beauftragte Anwalt erklärte darauf gegenüber der Klägerin die Anfechtung des geschlossenen Anwaltsvertrages, die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund und den Widerruf des Mandatsauftrages. In ihrer auf Zahlung der in Rechnung gestellten Vergütung eingereichten Klage argumentierte die Klägerin unter anderem, die Beklagte habe schon deshalb kein Widerrufsrecht, weil diese die Klägerin als ehemalige Geschäftsführerin zweier GmbHs mit ihrer Vertretung beauftragt habe und deshalb die besonderen Schutzrechte für Verbraucher keine Anwendung fänden.
Widerruf war wirksam
Das LG hielt den von der Beklagten erklärten Widerruf für wirksam. Das Widerrufsrecht der Beklagten folge aus §§ 312 d Abs. 1, 355 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Mandatsauftrag sei im Wege des Fernabsatzes gemäß § 312c BGB erteilt worden. Auch die anschließende Kommunikation sei ausschließlich auf elektronischem Wege erfolgt. Deshalb seien die besonderen Verbraucherschutzrechte zum Widerruf im Rahmen von Fernabsatzgeschäften anwendbar.
Mandatsauftrag als Verbraucherin erteilt
Nach der Bewertung des LG hatte die Klägerin den Mandatsauftrag auch nicht als Unternehmerin, sondern als Verbraucherin erteilt. Ihre Stellung als ehemalige Geschäftsführerin zweier GmbHs begründet keine Unternehmereigenschaft im Sinne des § 14 BGB. Auch ihre Eigenschaft als mögliche Mitschuldnerin gegenüber dem Finanzamt für gegen die GmbHs festgesetzte Säumniszuschläge mache sie nicht zur Unternehmerin. Eine unternehmerische Tätigkeit habe sie unstreitig für die GmbHs nicht ausgeübt. Die Unternehmereigenschaft nach § 14 BGB setze aber eine tatsächliche unternehmerische Tätigkeit voraus.
Verlängerte Widerrufsfrist wegen fehlender Widerrufsbelehrung
Der erst nach Ablauf von 14 Tagen nach Mandatserteilung erklärte Widerruf war nach Auffassung des LG auch fristgerecht. In Ermangelung einer Widerrufsbelehrung habe die 14-tägige Widerrufsfrist gemäß § 355 Abs. 2 BGB nicht zu laufen begonnen. Deshalb habe der Widerruf gemäß § 356 Abs. 3 S.2 BGB noch innerhalb einer Frist von 12 Monaten und 14 Tagen erklärt werden können. Diese Frist sei eingehalten worden.
Kein Vergütungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung
Das LG verneinte auch einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Vergütung aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zum einen sei die Klägerin nicht um die durch Abgabe der schriftlichen Stellungnahme gegenüber dem Finanzamt erbrachte Leistung der Klägerin bereichert, denn die Beklagte habe eine andere Anwaltskanzlei mit ihrer weiteren Vertretung beauftragen müssen, gegenüber der sie ebenfalls honorarpflichtig sei. Daneben scheide ein Bereicherungsanspruch auch nach der abschließenden Regelung des § 357a Abs. 2 BGB aus. Nach dieser Vorschrift kommt ein Wertersatz für bis zum Widerruf erbrachte Dienstleistungen nur dann in Betracht, wenn der Verbraucher hierüber gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 u. 3 EGBGB ordnungsgemäß informiert wurde. Dieser Informationspflicht war die Klägerin nicht nachgekommen.
Auch die gesetzliche Vergütung entfällt
Schließlich sprach das LG der Klägerin auch nicht ersatzweise einen Anspruch auf Erstattung der gesetzlichen Gebühren zu. Da der Widerruf der Klägerin nicht nur die Vergütungsvereinbarung, sondern den gesamten Mandatsauftrag erfasst habe, könne auch die gesetzlich vorgesehene Vergütung nicht geltend gemacht werden.
Anwaltskanzlei geht völlig leer aus
Das LG betonte in seiner Entscheidung das von der EU-Richtlinie 2011/83 EU bezweckte hohe Verbraucherschutzniveau, zu dessen Umsetzung die Vorschrift des § 357a BGB diene. Eine Ausnahme von der Anwendung dieser Vorschrift gegenüber Rechtsanwälten sei nicht vorgesehen. Daher komme es auch nicht darauf an, ob die von der Klägerin abgerechneten Stunden tatsächlich angefallen seien und ob die der Honorarabrechnung beigefügte Leistungsübersicht den Anforderungen des § 10 RVG genügte. Im Ergebnis wies das Gericht die Vergütungsklage der Rechtsanwaltskanzlei in vollem Umfange ab.
(LG Flensburg, Urteil v. 9.10.2025, 4 O 80/25)
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