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Startup darf „Likör ohne Ei“ vertreiben


Startup darf „Likör ohne Ei“ vertreiben

Ein Startup darf einen Likör, der keine Eier enthält, unter der Bezeichnung „Likör ohne Ei“ vertreiben. Der Name erweckt keine wettbewerbswidrigen Assoziationen an Eierlikör und enthält keine Irreführung der Verbraucher.

Das LG in Kiel hatte über eine auf den ersten Blick etwas kurios anmutende Streitigkeit zwischen dem Schutzverband der Spirituosenindustrie und einem Startup-Unternehmen in Schleswig-Holstein zu entscheiden. Der Schutzverband wirft dem Produzenten einen Verstoß gegen den lauteren Wettbewerb vor. Der Vertrieb eines alkoholischen Getränks unter dem Namen „Likör ohne Ei“ erwecke in wettbewerbswidriger Weise beim Verbraucher Assoziationen an Eierlikör.

Veganer „Likör ohne Ei“

Der Beklagte des vom LG entschiedenen Rechtsstreits ist ein kleiner Spirituosenhersteller im schleswig-holsteinischen Henstedt-Ulzburg, der hauptsächlich Ruhm destilliert, aber auch Eierlikör hergestellt. Der Inhaber hatte eine ungewöhnliche Marketing-Idee. Es brachte eine vegane Spirituose auf Sojabasis unter Beimischung von Ruhm auf den Markt. Der Hersteller nannte das Getränk „Likör ohne Ei“ und bewarb das Produkt auch als „Alternative ohne Ei“. Der Produzent wollte nach eigener Aussage damit deutlich machen, dass es sich um ein innovatives, wie Likör schmeckendes, alkoholisches Getränk handelt, das keine Eier oder sonstige tierische Produkte enthält und damit vegan ist.

Wettbewerbsklage des Schutzverbandes der Spirituosenindustrie

Der Schutzverband der Spirituosenindustrie - Vorsitzender ist der Geschäftsführer des Spirituosenproduzenten Verpoorten - sah dies ganz anders und rügte einen Verstoß gegen die Spirituosenverordnung der EU. Maßgeblicher Namensgeber des Likörs sei das tierische Produkt Ei, auch wenn es in dem Getränk nicht enthalten ist. Damit werde beim unbefangenen Verbraucher eine Assoziation zu dem alkoholischen Getränk Eierlikör geweckt, was zur Verwirrung der Konsumenten führe. Im Ergebnis werde der Verbraucher damit in wettbewerbswidriger Weise in die Irre geführt, weil er nicht wisse, wie er das Produkt einzuordnen hat.

„Likör ohne Ei“ ist keine Irreführung der Verbraucher

Das LG folgte dieser Ansicht nicht. Der Name „Likör ohne Ei“ mache dem unbefangenen Verbraucher ohne weiteres deutlich, dass in dem Likör keine Eier verarbeitet sind und es sich eben nicht um Eierlikör handelt. Das gleiche gelte für die Bewerbung des Produkts mit dem Begriff „Alternative ohne Ei“. Dem Verbraucher werde mit dieser Bezeichnung nicht suggeriert, dass sich hinter dem Begriff doch irgendeine Art von Eierlikör versteckt. Eine Verwechslungsgefahr von „Likör ohne Ei“ mit Eierlikör bestehe nicht. Ein Durchschnittsverbraucher, der der deutschen Sprache mächtig ist, begreife sehr wohl, dass ein „Likör ohne Ei“ kein Eierlikör ist, „weil es eben kein Eierlikör ist“.

Kein Verstoß gegen EU-Recht

Die Kammer für Handelssachen des LG vertrat in ihrer Entscheidung die Auffassung, dass die Bezeichnung der Spirituose als „Likör ohne Ei“ auch nicht gegen Art. 10 der EU-Verordnung 2019/87 über die „Begriffsbestimmungen, Bezeichnung, Aufmachung und Kennzeichnung von Spirituosen“ verstößt. Gemäß Art. 3 Abs. 3, Art. 10 der EU-Verordnung seien zwar Anspielungen auf bekannte Produkte unter bestimmten Voraussetzungen unzulässig. Die Verordnung habe aber vor allem vereinnahmende Anspielungen auf andere Produkte im Blick, nicht aber eine Anspielung, die erkennbar der Abgrenzung von anderen Produkten - hier dem Produkt Eierlikör – dient. Unter Wettbewerbs- und Europarechtlern ist diese Auslegung allerdings umstritten.

Strafzahlung wegen Verstoßes gegen Unterlassungserklärung

Im Ergebnis wies das LG die Klage des Schutzverbandes der Spirituosenindustrie ab. Trotz der die Klage abweisenden Entscheidung des LG muss das beklagte Unternehmen an den Schutzverband einen Betrag in Höhe von 5.000 EUR zahlen. Ursprünglich hatte es die vegane Spirituose als „Eierlikör ohne Ei“ vermarktet und eine vom Schutzverband geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, gegen die es anschließend verstoßen hatte.

Verfahren geht wohl in die nächste Instanz

Der Schutzverband der Spirituosenindustrie hat angekündigt, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen. Die Entscheidung weiche von der Rechtsprechung anderer Gerichte ab, wonach Produktbezeichnungen mit Anspielungen auf andere Produkte auch dann unzulässig seien, wenn sie im Sinne einer Abgrenzung formuliert sind. Für das beklagte Startup-Unternehmen ist der kostenträchtige Wettbewerbsrechtsstreit mit einem hohen finanziellen Risiko verbunden. Die bisherige Finanzierung ist dem Unternehmen mit Hilfe einer Crowdfunding-Aktion im Internet gelungen.


(LG Kiel, Urteil v. 28.10.2025, 15 O 28/24)

Hintergrund:

Die Bezeichnung veganer und vegetarischer Produkte unter Anspielung auf Originalprodukte, die auf tierischer Basis hergestellt werden, ist europaweit umstritten. Erst kürzlich hat das EU-Parlament mit Mehrheit dafür gestimmt, dass vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte nicht mehr die Bezeichnungen „Schnitzel“, „Wurst“ oder „Burger“ tragen sollen. Ob ein solches Verbot in den 27 EU-Ländern umsetzbar ist, scheint allerdings fraglich. Vielleicht kommt ja demnächst eine vegane „Bratwurst ohne Wurst“ in die Kühltheken der Discounter.

Schlagworte zum Thema:  Recht , Rechtsanwalt , Justiz , Juristen , Richter
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