Angeklagter behauptet vor Gericht, nicht anwesend zu sein


Angeklagter behauptet vor Gericht, nicht anwesend zu sein

Wie reagiert ein Gericht, wenn ein erschienener Angeklagter erklärt, er sei nicht anwesend? Ein Strafrichter reagierte lösungsorientiert und verwarf den gegen einen Strafbefehl eingelegten Einspruch wegen Nichterscheinens.

Angehörige der Reichsbürgerszene sorgen immer wieder für absurde Situationen in Gerichtssälen. Ein besonders kurioses Strafverfahren spielte sich vor dem AG Mönchengladbach-Rheydt ab. Der vor Gericht erschienene Angeklagte bestritt seine Anwesenheit und stellte die Geduld des über einen langen Zeitraum verständnisvoll agierenden Strafrichters auf eine harte Probe.

Einspruch gegen Strafbefehl wegen Insolvenzverschleppung

Gegen den Angeklagten war Mitte August 2024 auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Strafbefehl wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung ergangen. Das zuständige AG hatte ein etwas verworrenes Schreiben des Angeklagten an das Gericht als Einspruch gewertet. Aus den Ausführungen folgerte das Gericht, dass der Angeklagte der Reichsbürgerszene nahesteht und er sich gegen den Strafbefehl zur Wehr setzen wollte.

Zur Hauptverhandlung persönliches Erscheinen angeordnet

In der Ladung zur Hauptverhandlung über den Einspruch ordnete das Gericht das persönliche Erscheinen des Angeklagten an und belehrte ihn darüber, dass bei unentschuldigtem Nichterscheinen sein Einspruch gegen den Strafbefehl verworfen werden kann.

Erschienener Angeklagter behauptet, nicht anwesend zu sein

Zur mündlichen Verhandlung erschien eine männliche Person, bei der es sich offensichtlich um den Angeklagten handelte. Auf Nachfrage des Gerichts erklärte er: „Ich bin selbst nicht der Angeklagte. Aber ich bringe Ihnen den Angeklagten“. Hierzu legte er die Abschrift einer Geburtsurkunde des Angeklagten auf die Anklagebank. Er selbst verweigerte sich der Aufforderung des Richters, auf der Anklagebank Platz zu nehmen und blieb mitten im Saal stehen.

Angeklagter spricht dem Gericht das Recht zu urteilen ab

Der mutmaßliche Angeklagte führte in ausschweifenden Erläuterungen aus, er sei weder der Angeklagte in Person noch sei er erschienen, um den Angeklagten zu verteidigen. Der Angeklagte sei aber anwesend, verkörpert in der auf der Anklagebank liegenden Geburtsurkunde. Er selbst sei nur als Mensch gekommen, als Mitglied der Allgemeinheit. Für den Angeklagten könne er nicht sprechen. Zur Person des Richters gewandt erklärte er: „Wir sind alle nur Menschen. Sie sind auch nur ein Mensch und haben kein Recht, hier zu urteilen“.

Richter erläutert mit großer Geduld die Rechtslage

Der Strafrichter bemühte sich lange um Geduld und erläuterte ausführlich die Rechtslage. Bestreite die erschienene Person weiterhin ihre Identität mit dem Angeklagten, so müsse das Gericht davon ausgehen, dass der Angeklagte der Ladung nicht Folge geleistet hat und nicht erschienen ist. Eine Verwerfung des Einspruchs sei dann die zwingende Folge.

Einspruch wegen Nichterscheinens verworfen

Da auch längeres gutes Zureden nichts fruchtete, verwarf das Gericht schließlich den Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl wegen Nichterscheinens gemäß §§ 412 Satz 1, 329 Abs. 1 Satz 1 StPO. Zur Begründung führte der Strafrichter aus, er könne nur mutmaßen, dass die in der Hauptverhandlung erschienene Person der Angeklagte ist. Wenn die erschienene Person ihre Identität mit dem Angeklagten aber nachhaltig bestreite und sich weigere, als Angeklagter an der Hauptverhandlung teilzunehmen, so stehe dies dem Nichterscheinen gleich.

Pflicht zum Erscheinen dient der Verfahrensbeschleunigung

Dieses Ergebnis entspreche dem Zweck des Gesetzes, der darin bestehe, unnötige Verzögerungen des Verfahrens durch eigenmächtiges Fernbleiben des Angeklagten oder durch eigenmächtiges Sich-Entfernen aus der Hauptverhandlung zu vermeiden. Ein Angeklagter sei deshalb auch dann im Sinne des Gesetzes nicht erschienen, wenn er zwar körperlich anwesend ist, sich aber als Person der Hauptverhandlung dennoch entzieht (BGH, Beschluss v. 6.10.1970, 5 StR 199/70).

Kein Recht zur Verweigerung von Angaben zur Person

Das Gericht rügte auch die fehlende Bereitschaft des mutmaßlichen Angeklagten, Angaben zu seiner Person zu machen. Die Pflicht des Angeklagten, seine Personalien anzugeben, berühre nicht sein Recht, zur Anklage zu schweigen und sich nicht zur Sache zu äußern (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 27.4.2022, 1 Rv 34 Ss 173/22).

Recht auf Durchführung der Hauptverhandlung verwirkt

Das Verhalten des mutmaßlich präsenten Angeklagten, durch Leugnen seiner Anwesenheit der Hauptverhandlung die Basis zu entziehen, bewertete der Strafrichter auch als rechtsmissbräuchlich. Darüber hinaus ließen seine kruden Ausführungen zu seinem Weltbild den Schluss zu, er verfolge vor allem die Absicht, das Hauptverfahren als Bühne für die Präsentation seiner abstrusen Weltanschauung zu benutzen. Damit wolle er offensichtlich das Gericht und die Justiz ad absurdum zu führen. Daher habe der Angeklagte sein Recht auf die Durchführung einer Hauptverhandlung wegen Rechtsmissbrauchs verwirkt.


(AG Mönchengladbach-Rheydt, Urteil v. 17.9.2024, 21 Cs-130 Js 322/24-358/24)

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