Die Vaterschaftsanfechtung soll neu geregelt werden
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber im vergangenen Jahr einen klaren Auftrag erteilt: Bis zum 30. März 2026 sind die Regelungen zur Vaterschaftsanfechtung zu reformieren (Urteil vom 9.4.2024, Az.: 1 BvR 2017/21). Die bisherige Regelung in § 1600 Abs. 2 und Abs. 3 S. 1 BGB ist nicht mit dem Grundrecht des leiblichen Vaters nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG vereinbar. Die beanstandete Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch sieht vor, dass der leibliche Vater eines Kindes die Vaterschaft eines anderen Mannes nicht anfechten kann, wenn zwischen dem Kind und dem anderen Mann eine sozial-familiäre Beziehung besteht.
Mit dem Gesetzentwurf soll das Recht der Vaterschaftsanfechtung nun reformiert und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Die Bundesjustizministerin geht davon aus, dass mit dem Gesetzentwurf eine ausgewogene Lösung gefunden wurde. Dabei soll auch künftig eine Rolle spielen, ob eine sozial-familiäre Beziehung zwischen einem Kind und seinem rechtlichen Vater besteht, denn der Schutz dieser Beziehung dient dem Kindeswohl. Ein leiblicher Vater soll jedoch die Möglichkeit erhalten, auch als rechtlicher Vater Verantwortung für sein Kind zu übernehmen. Dabei will der Gesetzgeber an grundlegenden Strukturentscheidungen des Abstammungsrecht allerdings nichts ändern. Insbesondere soll das Zwei-Eltern-Prinzip beibehalten werden. Auch verbleibt es dabei, dass der rechtliche Vater grundsätzlich der Mann ist, der im Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist oder die Vaterschaft anerkennt.
Im Einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende Änderungen vor:
Keine Anerkennung während eines laufenden Gerichtsverfahrens
Nach aktuellem Recht ist es möglich, dass ein Mann mit Zustimmung der Mutter die Vaterschaft anerkennt und somit zum rechtlichen Vater wird, obwohl ein anderer Mann bereits ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bei Gericht eingeleitet hat und behauptet, der leibliche Vater zu sein. Einem solchen „Wettlauf um die Vaterschaft“ soll künftig der Riegel vorgeschoben werden, indem eine Anerkennungssperre eingeführt wird. Läuft bereits ein gerichtliches Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft eines Mannes, dann soll die Anerkennung der Vaterschaft durch einen anderen Mann währenddessen nicht möglich sein. Nur ausnahmsweise, wenn der Mann nachweist, dass er der leibliche Vater ist, soll eine solche Vaterschaftsanerkennung doch möglich sein.
Anfechtungsrecht leiblicher Väter abhängig vom Lebensalter des Kindes
Die Möglichkeiten eines leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten, sollen grundlegend reformiert werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, die Voraussetzungen für die Vaterschaftsanfechtung je nach Lebensalter des Kindes unterschiedlich zu regeln. Damit soll den Grundrechten aller Beteiligten Rechnung getragen und dem Familiengericht ermöglicht werden, unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten eine angemessene Einzelfallentscheidung zu treffen.
Erfolgt die Vaterschaftsanfechtung innerhalb der ersten sechs Lebensmonate des Kindes, so genügt nach dem Reformvorhaben der Nachweis der leiblichen Vaterschaft und die Anfechtung soll ohne weitere Voraussetzungen möglich sein. Insbesondere soll die Anfechtung während der ersten sechs Lebensmonate des Kindes nicht deshalb ausgeschlossen sein, weil sich schon eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu seinem rechtlichen Vater gebildet hat. Diesen Ausschlussgrund soll es in dieser frühen Lebensphase des Kindes künftig nicht mehr geben.
Ist das Kind hingegen älter als sechs Monate und besteht eine sozial-familiäre Beziehung zu dem rechtlichen Vater, dann soll die Anfechtung der Vaterschaft durch den leiblichen Vater auch weiterhin grundsätzlich ausgeschlossen sein. Allerdings soll es Ausnahmen geben, wenn
- auch zwischen dem Kind und dem leiblichen Vater nachweislich eine sozial-familiäre Beziehung besteht oder
- eine solche zu einem früheren Zeitpunkt bereits bestanden hat oder
- der leibliche Vater sich darum ernsthaft, aber erfolglos bemüht hat.
In einem solchen Fall soll das Familiengericht eine Interessenabwägung vornehmen und prüfen, ob der Fortbestand der bisherigen Vaterschaft aus Gründen des Kindeswohls tatsächlich geboten ist und das Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters zurücktreten muss.
Hat das Kind bereits die Volljährigkeit erreicht, dann soll sein eigener Wille maßgeblich sein und es soll der Vaterschaftsanfechtung widersprechen können. Der leibliche Vater soll aber eine zweite Chance erhalten, wenn die sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater in der Zwischenzeit entfallen ist.
Vorbeugende Regelungen
Des Weiteren sollen Kinder künftig ab dem 14. Lebensjahr ein Mitspracherecht haben. Die Anerkennung der Vaterschaft durch einen Mann soll dann grundsätzlich nur noch mit Zustimmung des Kindes möglich sein. Durch diese Neuregelung soll gewährleistet werden, dass einem jugendlichen Kind nicht ohne sein Einverständnis ein Mann als rechtlicher Vater zugeordnet wird, der nicht sein leiblicher Vater ist. Durch dieses Zustimmungserfordernis des jugendlichen Kindes kann letztlich erreicht werden, dass es einer Vaterschaftsanfechtung des leiblichen Vaters gar nicht bedarf.
Ebenso soll eine Vaterschaftsanfechtung künftig vermieden werden, wenn sich alle Beteiligten einig sind. Bedeutsam ist dies vor allem in Trennungssituationen, wenn ein Kind noch während der bestehenden Ehe der Mutter geboren wird, der Ehemann aber nicht der leibliche Vater ist. Sofern sich alle einig sind, dass der leibliche Vater auch der rechtliche Vater des Kindes werden soll, dann soll eine Anerkennung durch diesen künftig möglich sein, ohne dass es der Einleitung eines Anfechtungsverfahrens bei Gericht bedarf.
Hat ein Mann hingegen Kenntnis davon, dass er nicht der leibliche Vater ist und erkennt er die Vaterschaft gleichwohl an, um der rechtliche Vater zu werden, dann soll er diese durch Anerkennung begründete Vaterschaft künftig nicht mehr anfechten können. Gleiches gilt für die Mutter, die der Anerkennung zugestimmt hat. Durch diese Neuregelung soll vermieden werden, dass eine Vaterschaftsanerkennung nur zu dem Zweck erfolgt, eine Vaterschaft des leiblichen Vaters zu verhindern.
Der Gesetzgeber will durch die Reform also nicht nur die Rechte der leiblichen Väter stärken, sondern auch erreichen, dass eine Vaterschaftsanfechtung von vornherein entbehrlich ist.
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