Corona kann Einfluss auf das Sorgerecht bei Urlaubsreisen haben

In Zeiten von Corona kann bei gemeinsamem Sorgerecht der betreuende Elternteil nicht - wie vor Corona üblich und zulässig - das gemeinsame Kind ohne ausdrückliche Zustimmung des anderen Elternteils auf die Urlaubsreise nach Mallorca mitnehmen.

Die Auswirkungen von Corona zeigen sich in den unterschiedlichen Rechtsgebieten und auch im Familienrecht (→ Corona ist keine Entschuldigung für die Nichteinhaltung des Umgangsrechts). Bei der Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts kann der das Kind betreuende Elternteil nicht uneingeschränkt alleine über den Ort entscheiden, an dem er mit dem Kind den Urlaub verbringen will. Das gilt auch sonst für gefährliche Urlaubsreisen, erlangt aber durch die Pandemie eine größere Bedeutung. 

Kindesvater war mit Mallorca-Reise nicht einverstanden

Im fraglichen Fall hatte die vom Kindesvater getrennt lebende Mutter hatte für die Sommerferien eine Flugreise nach Mallorca mit den beiden gemeinsamen Kindern gebucht. Die Kinder werden von der Mutter ständig betreut, das Sorgerecht steht beiden Elternteilen gemeinsam zu. Der Vater war angesichts der durch die Corona-Pandemie bedingten Ansteckungsgefahren mit der Reise nach Mallorca nicht einverstanden. Als er sich damit bei deMutter nicht durchsetzen konnte, beantragte er gerichtlich die Untersagung der Reise.

Nicht jede Reiseplanung ist eine Angelegenheit des täglichen Lebens

Das OLG Braunschweig replizierte in seiner Entscheidung im wesentlichen auf die Vorschrift des § 1687 BGB.

  • Gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind das gegenseitige Einvernehmen der sorgeberechtigten Eltern erforderlich.
  • Gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der betreuende Elternteil alleine die Befugnis zur Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens.

Nach ständiger Rechtsprechung waren bisher Urlaubsreisen in Standardurlaubsregionen Angelegenheiten des täglichen Lebens, es sei denn die ausgewählte Urlaubsregion wies besondere Gefahrenquellen für Kinder auf (OLG Frankfurt, Urteil v. 21.7.2016, 5 UF 206/16) oder war für das Kind mit besonderen, nicht altersgerechten Strapazen verbunden (OLG Köln, Beschluss v. 20.11.2011, II – 4 UF 232/11). Vgl. auch Mitnahme eines Kindes in Krisengebiete

Unter Corona ist Mallorca-Reise keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr

Unter Corona birgt nun auch die Reise nach Mallorca besondere Gefahren und ist keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr, urteilte jetzt das OLG Braunschweig. Diese Schlussfolgerung werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Reiseziel Mallorca offiziell nicht als Risikogebiet ausgewiesen werde.

Die weltweite Ausbreitung des Covid-19-Virus berge grundsätzlich die Gefahr des regionalen Auftretens unvorhergesehener Virusausbrüche. Dies könne zu plötzlichen Quarantäneanordnungen im Reiseland führen, es bestehe daher keine Planungsverlässlichkeit bezüglich eines gebuchten Rückfluges, so dass Reisende für längere Zeit im Ausland festsitzen könnten. Dies könne bei Kindern zu einer erheblichen Einschränkung des seelischen Wohlbefindens sowie über eine Infektion zu einer körperlichen Gesundheitsgefahr führen.

Auslandsflugreisen in Coronazeiten nur mit Zustimmung beider Elternteile

Eine Flugreise ins Ausland ist nach Einschätzung des Senats daher in Coronazeiten grundsätzlich mit besonderen Risiken verbunden. Damit bewertete das Gericht die Entscheidung über eine solche Flugreise als eine Angelegenheit, die für Kinder von erheblicher Bedeutung sein kann. Daher sei gemäß § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB bei Flugreisen unter Corona-Bedingungen grundsätzlich eine Entscheidung beider sorgeberechtigten Elternteile erforderlich.

Im Streitfall kann das Familiengericht ein Elternteil bevollmächtigen

Es war gemäß § 1628 BGB das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung über die Urlaubsreise einem Elternteil allein übertragen kann, wenn die Eltern sich nicht einigen können. Dies richtet sich gemäß § 1697a BGB nach dem Kindeswohl. Daher ist sie dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird. Dies sei, so das Gericht, grundsätzlich der Elternteil, der unter Beachtung der in § 1 Abs. 1 SGB VIII benannten Entwicklungsbedingungen den Kindern den gebotenen Schutz zugesteht.

Da es hier auch Probleme mit dem Umgangsrecht gab, sah das Gericht davon ab, die Mutter zu bevollmächtigen: Eine Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf sie  sei aus Gründen des Kindeswohls schon deshalb nicht möglich, weil die von ihr gebuchte Reise nicht das gerichtlich geregelte Umgangsrecht des Kindesvaters respektiere und damit nicht kindeswohldienlich sei.

Es blieb daher nach Ansicht des Gerichts nur die Möglichkeit, dem Kindesvater die Entscheidungsbefugnis über die Reise zu übertragen. Er habe danach allein zu entscheiden, ob er auf den durch die Reise torpedierten Umgang im August - ggfs. nach einer persönlichen Rücksprache mit den beiden Kindern - verzichtet und trotz seiner Sicherheitsbedenken eine Urlaubsreise der Kinder nach Mallorca mitträgt oder einer solchen Reise nicht zustimmt. 

(OLG Braunschweig, Beschluss v. 30.7.2020, 2 UF 88/20).

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Hintergrund:

  • Das gemeinsame Sorgerecht ist bei getrennt lebenden Ehegatten gemäß § 1687 BGB einvernehmlich auszuüben.
  • Gemäß § 1687 Abs 1 Satz 2 BGB hat der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält-, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens.
  • Reisen mit dem Kind können grundsätzlich Angelegenheiten des täglichen Lebens sein, wenn sie zu sicheren Reisezielen führen (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 5.8.2014, 5 WF 115/14).

Schlagworte zum Thema:  Sorgerecht, Coronavirus, Urlaub