Sorgerecht: Mitnahme eines Kindes in Krisengebiete

Die Reise mit einem Kind in Krisengebiete unterliegt grundsätzlich dem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern. Eine Entscheidung darüber kann daher nur einvernehmlich getroffen werden. Bei Uneinigkeit ist eine gerichtliche Entscheidung erforderlich.

Das OLG Karlsruhe hatte einen Fall zu entscheiden, in dem den getrennt lebenden Ehegatten das gemeinsame Sorgerecht über beide gemeinsamen Kinder zustand. Im Mai 2014 forderte die Mutter den Vater zur Zustimmung zu einer Reise mit den Kindern in die Ukraine zum Besuch der Großeltern auf.

Keine Reise in die Ukraine

Mit Hinweis auf die unruhige politische Lage verweigerte der Vater die Zustimmung und verlangte von der Mutter eine ausdrückliche Erklärung, auf die Reise zu verzichten und ihm die Reisepässe der Kinder herauszugeben. Nachdem die Kindesmutter nicht reagiert hatte, stellte der Kindesvater beim AG einen entsprechenden Antrag und beantragte hierfür die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe. Kurz darauf erklärte die Kindesmutter, die Reise nicht antreten zu wollen. Hierauf wies das AG den Verfahrenskostenhilfeantrag zurück mit der Begründung, die Rechtsverfolgung erscheine nach der Verzichtserklärung der Mutter als mutwillig.

Reisen müssen nicht immer gemeinsam entschieden werden

Der Kindesvater gab sich mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und legte gegen die Zurückweisung seines VKH-Antrags Beschwerde ein. Das zuständige OLG wies die Beschwerde zurück und stellte hierzu klar:

  • Das gemeinsame Sorgerecht ist bei getrennt lebenden Ehegatten gemäß § 1687 BGB einvernehmlich auszuüben.
  • Gemäß § 1687 Abs 1 Satz 2 BGB hat der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält – hier die Mutter -, die Befugnis zur alleinigen Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens.
  • Reisen mit dem Kind können grundsätzlich Angelegenheiten des täglichen Lebens sein, wenn sie zu sicheren Reisezielen führen.

Reisen in Krisengebiete sind zustimmungspflichtig

So entschied das OLG Karlsruhe bereits im Jahr 2007, dass eine Ferienreise in ein sicheres Feriengebiet im Ausland grundsätzlich als Angelegenheit des täglichen Lebens anzusehen ist, sofern die Gesamtumstände, insbesondere das Alter der Kinder, angemessen berücksichtigt wird (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 29.5. 2007, 16 WF 83/07).

  • Anders verhält es sich bei einer Reise, die auch unter Berücksichtigung des Kindesalters erhebliche Strapazen mit sich bringt oder
  • die in ein politisch unruhiges Gebiet führt.

Eine solche Reise fällt nach herrschender Rechtsprechung nicht unter eine Angelegenheit des alltäglichen Lebens, sondern ist von darüber hinausgehender Bedeutung (OLG Hamburg, Beschluss v. 13.7. 2011, 12 UF 80/11). Hierüber müssen beide Sorgeberechtigten grundsätzlich gemeinsam entscheiden.

Die Kindesmutter hatte von der Reise Abstand genommen

Im vorliegenden Fall ging das OLG davon aus, dass die Entscheidung über die Reise in die Ukraine, von der das Auswärtige Amt zu diesem Zeitpunkt bereits offiziell abriet, von erheblicher Bedeutung ist und nicht unter den Begriff der Angelegenheit des alltäglichen Lebens fällt. Hiernach hätte die Mutter grundsätzlich mit dem Kind ohne Einwilligung des Vaters nicht reisen dürfen.

Die Mutter habe aber eindeutig erklärt, dass sie von der Reise Abstand nehme. Der Kindesvater habe keine plausiblen Umstände vorgetragen, weshalb am Wahrheitsgehalt dieser Versicherung der Kindesmutter zu zweifeln sei. Es bestehe somit kein rechtliches Erfordernis, der Kindesmutter die Reise, die sie ohnehin nicht antreten wolle, zu verbieten. Damit erweisesich die beabsichtigte Rechtsverfolgung als mutwillig. Den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe habe das AG daher zu Recht zurückgewiesen.

(OLG Karlsruhe, Beschluss v. 5.8.2014, 5 WF 115/14).

Vgl. zum Thema Sorgerecht auch:

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Schlagworte zum Thema:  Sorgerecht, Familienrecht