Corona ist keine Entschuldigung für die Nichteinhaltung des Umgangsrechts

Es gibt kaum einen Bereich des täglichen Lebens, den Corona nicht tangiert. So sind auch bei den Familiengerichten die Corona-beeinflussten Fälle längst angekommen. Das OLG Frankfurt a.M. hatte kürzlich darüber zu entscheiden, ob das Umgangsrecht ausgesetzt werden kann, um die mit im Haushalt lebenden Großeltern zu schützen.
Mutter soll Ordnungsgeld zahlen, weil sie Vater-Kind-Treffen verhindert
Die Mutter wollte den Umgang des Vaters mit seinem 10-jährigen Kind auf Telefonate und Balkongespräche begrenzen. Sie begründete dies mit der erhöhten Gesundheitsgefahr ihrer Eltern, die mit in ihrem Haushalt, wenn auch in einer separaten Wohnung leben. Der Vater ließ sich damit nicht abspeisen. Auf seine Initiative hin wurde vom zuständigen Familiengericht ein Ordnungsgeld gegen die Kindsmutter festgesetzt.
Im Grundsatz einheitliche Rechtsprechung: Umgangsrecht ist stärker als die Corona-Gefahr
Die Beschwerde gegen die Ordnungsgeldfestsetzung brachte den Streit vor das OLG Frankfurt a.M., das dieses ebenfalls für gerechtfertigt hält. Die Ansicht, dass Corona – möglicherweise bis auf krasse Ausnahmefälle - am Umgangsrecht nichts ändert, scheint sich zur allgemeinen Ansicht in der Rechtsprechung durchzusetzen.
Gerichte stützen sich auf Aussagen Justizministeriums
Verwiesen wird in den Entscheidungsbegründungen regelmäßig auf die Vorgaben des Bundesjustizministeriums (BMJV):
„Die Coronakrise ändert nichts daran, dass minderjährige Kinder auf ihre Eltern angewiesen sind, um eine Persönlichkeit zu entwickeln. Der regelmäßige Umgang eines Kindes mit jedem Elternteil gehört deshalb in der Regel zum Wohl des Kindes. Das Kind hat daher ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, das der andere Elternteil nicht ablehnen kann.“
Kernfamilie bleibt bei Kontaktbeschränkungen außen vor
Außerdem wurde seitens des BMJV klargestellt, dass sich die Beschränkung der sozialen Kontakte nicht auf die Kernfamilie bezieht, selbst wenn sie in verschiedenen Haushalten lebt. Darauf gestützt, bestätigte das OLG Frankfurt a.M. die Ordnungsgeldverhängung gegen die Mutter. Dass sie sich irrtümlich im Recht wähnte, half ihr nicht.
Kann Quarantäne-Anordnung den Umgang unterbrechen?
Eine Ausnahme für die Fortführung der Umgangsregelung könnte dann gelten, wenn entweder das Kind oder der Umgangsberechtigte – behördlich angeordnet - unter häuslicher Quarantäne stehen (§ 30 IfSG). Denn ein Verstoß gegen die Quarantäne-Anordnung ist strafbar (§ 75 IfSG). Gesichert ist diese Annahme jedoch nicht; es werden unterschiedliche Ansichten vertreten (Rake in FamRZ 2020, 650; Mainz-Kwasniok in NZFam 2020, 318 ff.; OLG Braunschweig Beschl. v. 20.5.2020, 1 UF 51/20).
Fazit: Gerichtlich geregelter Umgang kann nur vom Gericht abgeändert werden
Im Zweifelsfall muss auch in der Situation, die sich als besondere Ausnahmesituation darstellt, eine gerichtliche Abänderung der Umgangsregeln eingeholt werden, wenn nötig per einstweiligen Rechtsschutz. Der Umgang sollte jedenfalls nicht eigenmächtig unterbrochen werden (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 5.6.2020, 13 WF 100/20: asthma-krankes Kind). Corona macht da keinen Unterschied.
(OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 8.7.2020, 1 WF 102/20).
Anmerkung: Auch das Schleswig-Holsteinisches OLG entschied mit Beschluss vom 25.05.2020 (10 WF 77/20) , dass bei Verstößen gegen eine bestehende Umgangsregelung aus der bloßen allgemein erhöhten Gesundheitsgefahr aufgrund der Corona - Pandemie nicht folgt, dass der Umgangsverpflichtete den Verstoß nicht zu vertreten hat.
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Hintergrund:Berechtigte des Umgangsrechts
§ 1684 BGB konkretisiere sowohl das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht
als auch das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich geschützte Recht des Kindes auf Umgang mit beiden Eltern (BVerfG, Urteil v. 1.4.2008, 1 BvR 1620/04).
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