Seit dem 1.8.2002 haben Insassen bei einem Schadensereignis auch Schadenersatzansprüche einschließlich des Schmerzensgeldes nach Gefährdungshaftungsgrundsätzen. Wird dem Anwalt von Fahrer/Halter und Insassen ein Mandat zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Unfallgegner erteilt, dann wäre der Anwalt nach dem Grundsatz der mandantengerechten Beratung verpflichtet, den Insassen auch ungefragt über Verhaltens- und Forderungsalternativen, nämlich den Anspruch gegen den Halter des von ihm benutzten Fahrzeugs zu unterrichten (vgl. BGH NJW 2007, 2485; Hillmann/Schneider, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd 2, Verkehrszivilrecht, 6. Aufl., § 1 Rn 126). Das führt nicht nur bei den von ihm Vertretenen zu der Erkenntnis eines Interessenkonflikts. Auch rechtlich wird das von § 43a Abs. 4 BRAO missbilligt. Danach darf ein Rechtsanwalt keine widerstreitenden Interessen vertreten. Die Vertretung von mehreren Beteiligten eines Verkehrsunfalls durch denselben Anwalt kann zu Interessenkonflikten führen, deren Folgen in der Auseinandersetzung recht unterschiedlich beurteilt werden.

1. Eine Vermeidung dieser Konstellation, die sich nicht nur berufsrechtlich (mögliche Maßnahmen nach §§ 43a Abs. 4, 113 BRAO) sondern auch strafrechtlich (Verfahren wegen Parteiverrats gem. § 356 StGB) auswirken kann, kann zusätzlich die Verpflichtung des Anwalts begründen, alle mit einem Verstoß gegen § 43a Abs. 4 BRAO "behafteten" Mandate niederzulegen (vgl. hierzu Deckenbrock, AnwBl. 2010, 221, 223) Hillmann/Schneider äußern Zweifel, ob sich ein konkreter Verstoß des Anwalts gegen § 43a Abs. 4 BRAO und damit auch gegen § 356 StGB dadurch ausräumen lässt, dass sich der Anwalt ausschließlich unter Ausschluss aller weiteren denkbaren Ansprüche zwischen seinen Mandanten beauftragen lässt (vgl. Hillmann/Schneider a.a.O., Rn 127–133 unter Hinweis auf den Verlust des Honoraranspruchs). Ob das der sicherste Weg ist, um die Annahme eines Interessenkonflikts auszuschließen, oder Kammer und Staatsanwaltschaft darin eine Umgehung des Verbots der widerstreitenden Interessen sehen werden, ist recht fragwürdig (vgl. aber Henssler, in: Prütting/Henssler, BRAO, 3. Aufl., § 43a Rn 184, der diesen Weg für tauglich hält, einen Interessenkonflikt auszuschließen). Henssler gesteht allerdings zu, dass sich die Durchsetzung eines besonders hohen Schmerzensgeldes für den Insassen dahin auswirkt, dass im Gesamtschuldnerausgleich des gegnerischen Halters/Fahrers gegen den Fahrer/Halter des Fahrzeugs, in dem der Insasse saß, ein besonders hoher Anspruch anfällt (vgl. a.a.O., § 43a Rn 184). Latent ist damit ein Interessenkonflikt vorhanden, der schnell in einen konkreten Interessenwiderstreit umschlagen kann. Vertritt der Anwalt den Insassen und Fahrer/Halter, müsste er für den einen einen möglichst hohen Anspruch, vorwiegend wegen Personenschäden, für den anderen zur Abwendung eines hohen Anspruchs einen Gesamtschuldnerausgleich anstreben, was unvereinbar ist. Von daher spricht alles für die Auffassung, die von einem Tätigkeitsverbot des Anwalts für Insassen und Halter/Fahrer ausgeht (vgl. Höfle, zfs 2002, 413, 414; Kääb, NZV 2003, 121, 123; Peitscher, ZAP Fach 23, 647, 649). Einen anderen Ansatz wählt van Bühren (zfs 2014, 189 ff.), der unter Hinweis auf die Möglichkeit der Beschränkung des Mandats darauf hinweist, dass nach einer Entscheidung des BVerfG die zukünftige Möglichkeit eines Interessenkonflikts nicht geeignet sei, eine Tätigkeit des Anwalts zu verbieten, weil dies gegen das Übermaßverbot verstieße (vgl. BVerfG NJW 2006, 2469). Die Einschränkung des Doppeltvertretungsverbots, die van Bühren zugrunde gelegt wissen will, wird in der Entscheidung überzeugend widerlegt. Die für den Innenregress zwischen Fahrer/Halter und dem Insassen auftauchenden Interessengegensätze sind keine vagen Zukunftsmöglichkeiten, sondern sehr konkrete Möglichkeiten der Anspruchsgestaltung, bei denen der Anwalt zwei Herren mit gegensätzlicher Tendenz dienen muss und darüber hinaus den Insassen auf diese Möglichkeit hinzuweisen hat – zum Nachteil des Halters.

2. Ob und inwieweit ein Doppelvertretungsverbot für Sozien mit der Gefahr von Interessenkonflikten bei der Wahrnehmung der Interessen der jeweiligen Mandanten besteht, ist für den Fall der strafrechtlichen Verteidigung mehrerer Beschuldigte durch das BVerfG verneint worden (vgl. BVerfGE 43, 79; zustimmend van Bühren, zfs 2014, 191). Grundlage hierfür war die Prüfung des § 146 StPO an Art. 12 Abs. 2 GG. In einer späteren Entscheidung ist das BVerfG davon ausgegangen, dass das Verbot widerstreitender Interessen durch übernommene Vertretung einer Sozietät auch für die Sozien gelte, sofern eine dem Einzelfall gerecht werdende Abwägung aller Belange unter besonderer Berücksichtigung des besonderen Mandanteninteresses nichts anderes ergebe (AnwBl. 2006, 580). Soweit van Bühren zur Ausräumung des Doppelvertretungsverbots darauf abstellt, dass ein Einverständnis des Mandanten neben anderen Umständen hierfür ausreiche (vgl. a.a.O.,...

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