Das Urteil des IX. ZS des BGH liegt auf der Linie der in letzter Zeit ergangenen Entscheidungen des VI. ZS des BGH, auf die sich der IX. ZS des BGH hier auch ausdrücklich bezogen hat. Diese Rspr. hat ganz erhebliche Auswirkungen auf die Höhe der vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherung dem Geschädigten für die außergerichtliche Regulierung des Unfallschadens entstandenen Anwaltskosten.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Haftpflichtversicherung des Schädigers ermittelt häufig einen geringeren Wiederbeschaffungsaufwand als der Geschädigte auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens geltend gemacht hat. Dies kann viele Ursachen haben. So kann der Haftpflichtversicherer den Schädiger auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer "freien Fachwerkstatt" verweisen (BGH zfs 2018, 164 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 184 [Hansens]). Oder die Haftpflichtversicherung errechnet einen höheren Restwert des Unfallfahrzeugs als vom Sachverständigen ermittelt oder findet sogar tatsächlich einen Aufkäufer, der das Unfallfahrzeug zu einem höheren Betrag aufkauft (so der Fall hier). In all diesen Fällen hat der Geschädigte zwei Möglichkeiten.

Er nimmt die von der Haftpflichtversicherung des Geschädigten vorgenommene Kürzung des Schadensbetrages nicht hin und klagt den nach seiner Auffassung verbleibenden Restbetrag ein. Gewinnt er den Prozess, so berechnen sich die erstattungsfähigen Kosten seines Rechtsanwalts für die außergerichtliche Schadensregulierung nach dem insgesamt zuerkannten und ausgeurteilten Schadensbetrag. Verliert er den Prozess, so berechnen sich seine Anwaltskosten nur nach dem letztlich gezahlten und titulierten Schadensbetrag. Zusätzlich hat er natürlich die Kosten des verlorenen Rechtsstreits zu tragen.
Scheut der Geschädigte das Prozesskostenrisiko und nimmt er die von der Haftpflichtversicherung des Schädigers vorgenommene Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hin, so berechnen sich seine Anwaltskosten für die außergerichtliche Verkehrsunfallschadensregulierung nur nach dem entsprechend gekürzten Schadensbetrag (BGH zfs 2017, 424 m. Anm. Hansens = RVGreport 2017, 424 [Hansens]; BGH RVGreport 2018, 99 [ders.]; BGH zfs 2018, 164 m. Anm. Hansens= RVGreport 2018, 184 [ders.]).

Der Vergütungsanspruch des mit der außergerichtlichen Schadensregulierung beauftragten Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten richtet sich demgegenüber nach dem Inhalt des Anwaltsvertrags. Im Regelfall wird der Rechtsanwalt beauftragt sein, den vom Privatgutachter ermittelten Schadensbetrag gegen den Schädiger geltend zu machen. Dann berechnet sich die nach Nr. 2300 VV RVG anzusetzende Geschäftsgebühr nach diesem Schadensbetrag. Kürzt die Versicherung des Schädigers den Schadensbetrag und nimmt der Geschädigte dies hin oder hat seine Klage auf höheren Schadensersatz keinen Erfolg, berechnet sich der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch nur auf der Grundlage des gekürzten Schadensbetrags. Der mit der außergerichtlichen Schadensregulierung beauftragte Rechtsanwalt sollte deshalb seinen Mandanten darüber belehren, dass er auch bei vollständiger Einstandspflicht des Unfallgegners möglicherweise nicht seinen gesamten Schadensbetrag und auch nicht die gesamten Anwaltskosten erstattet erhält.

Auftrag auch mit der Restwertverwertung

Hätte die Kl. im Fall des BGH ihren Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten auch darauf gestützt, sie hätte ihren Anwalt auch mit der Restwertverwertung beauftragt, hätte sich der zu erstattende Betrag der Anwaltskosten nicht nach den um den Restwert (hier 5.400 EUR) erhöhten Wiederbeschaffungwert berechnet. Denn die durch die Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Restwertverwertung angefallenen Anwaltskosten beruhen adäquat kausal nur dann auf dem Schadensereignis (Unfall), wenn die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe auch insoweit zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten erforderlich und zweckmäßig gewesen sind (s. allgemein BGH AGS 2017, 541; BGH RVGreport 2012, 305 [Hansens] = AGS 2012, 505; BGH RVGreport 2006, 236 [ders.] = AGS 2006, 356 für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den eigenen VR). Solche besonderen Umstände können etwa bei schweren unfallbedingten Krankheitsfolgen oder bei konkreten rechtlichen Schwierigkeiten bei der Restwertverwertung vorliegen.

Im Übrigen dürfte es sich dann bei der anwaltlichen Vertretung hinsichtlich der Restwertverwertung um eine von der Unfallschadensregulierung gesonderte eigenständige gebührenrechtliche Angelegenheit handeln. Dies hätte dann zur Folge, dass auch in diesem Fall für die Abrechnung der Abwicklung des Unfallschadens der Wiederbeschaffungsaufwand maßgeblich ist, während für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Restwertverwertung eine gesonderte Geschäftsgebühr nach dem Betrag des Restwertes anfällt.

Vors.Ri LG a.D. Heinz Hansens

zfs 8/2018, S. 464 - 467

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