Leitsatz (amtlich)

Allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, reicht nicht aus, um aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit seinem Kaskoversicherer zu begründen (Fortführung von BGH, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04; 10.1.2006 - VI ZR 43/05 und 8.5.2012 - VI ZR 196/11).

Wird in einem solchen Fall eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt im späteren Verlauf erforderlich, führt die zu frühe Einschaltung des Rechtsanwalts - für sich genommen - nicht notwendig zu einem vollständigen Ausschluss des gem. § 287 ZPO frei zu schätzenden Schadens wegen der Rechtsverfolgungskosten.

Im Falle einer quotenmäßigen Haftung des Schädigers sind diesem Rechtsverfolgungskosten, die dadurch entstehen, dass der Geschädigte seinen Kaskoversicherer nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil in Anspruch nimmt, nicht zuzurechnen.

 

Normenkette

BGB § 249; ZPO § 287; RVG §§ 14-15

 

Verfahrensgang

LG Gera (Urteil vom 02.12.2016; Aktenzeichen 1 S 361/15)

AG Pößneck (Entscheidung vom 21.10.2015; Aktenzeichen 4 C 281/14)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Gera vom 2.12.2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem Verkehrsunfall geltend.

Rz. 2

Das Fahrzeug des Klägers und das von der Beklagten zu 1) gefahrene und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherte Fahrzeug des Beklagten zu 2) stießen am 14.12.2012 frontal zusammen. Beide Fahrzeuge wurden beschädigt, der Kläger wurde verletzt. Er beauftragte seinen mit der Abwicklung des Schadensfalls gegenüber den Beklagten betrauten vormaligen Prozessbevollmächtigten (im Folgenden Bevollmächtigter), auch die Ansprüche gegenüber seinem Kaskoversicherer geltend zu machen.

Rz. 3

Der Bevollmächtigte zeigte dem Kaskoversicherer dies mit Schreiben vom 30.1.2014 an und fügte das Anspruchsschreiben an den gegnerischen Haftpflichtversicherer sowie das Sachverständigengutachten vom 17.12.2013 bei. In der Folge übersandte er das Abrechnungsschreiben des gegnerischen Versicherers vom 15.5.2014 mit der Bitte um Gewährung von Versicherungsschutz nach Maßgabe des Quotenvorrechts. Mit Schreiben vom 12.6.2014 rechnete der Kaskoversicherer ab. Er zahlte für einen Fahrzeugschaden i.H.v. 8.510 EUR abzgl. der Selbstbeteiligung i.H.v. 300 EUR und der bereits erfolgten Zahlung des gegnerischen Haftpflichtversicherers i.H.v. 4.255 EUR einen Betrag i.H.v. insgesamt 3.955 EUR. Mit Schreiben vom 20.6.2014 bat der Bevollmächtigte um eine Überprüfung der Abrechnung. Er wies darauf hin, dass es noch des Ausgleichs der restlichen kongruenten Schadenspositionen - hier der Abschleppkosten und der Sachverständigenkosten - bedürfe.

Rz. 4

Der Kaskoversicherer regulierte mit Schreiben vom 31.7.2014 "den Vollkaskoschaden anteilig mit 4.871,46 EUR" und zahlte einen weiteren Betrag i.H.v. 300 EUR. Der Betrag i.H.v. 4.871,46 EUR entspricht gemäß der dem Schreiben beigefügten Abrechnung der Hälfte des aus Reparaturkosten i.H.v. 8.510 EUR, Abschleppkosten i.H.v. 606,84 EUR und Sachverständigenkosten i.H.v. 626,08 EUR bestehenden Gesamtschadens. Der Bevollmächtigte rechnete seine Tätigkeit gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 4.8.2014i.H.v. 492,54 EUR auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 4.871,46 EUR ab, wobei er eine Geschäftsgebühr von 1,3 ansetzte.

Rz. 5

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung dieses Betrages sowie weiteren materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Das Berufungsgericht hat eine Haftung der Beklagten i.H.v. 50 % zugrunde gelegt und die Beklagten - soweit hier noch erheblich - zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. weiteren 497,53 EUR nebst Zinsen verurteilt. Wegen des Anspruchs auf Erstattung der durch die Vertretung gegenüber dem Kaskoversicherer angefallenen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 492,54 EUR (im Folgenden auch streitgegenständliche Rechtsanwaltskosten) hat es die Klage abgewiesen und insoweit zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen. Mit der wegen der Haftungsquote auf den hälftigen Betrag i.H.v. 246,27 EUR beschränkten Revision verfolgt der Kläger seinen Schadensersatzanspruch wegen der Rechtsanwaltskosten weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat - soweit hier erheblich - zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar könne dem Geschädigten nach einem Verkehrsunfall grundsätzlich nicht nur ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Geltendmachung seiner Haftpflichtansprüche, sondern auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe für die Verhandlungen mit dem Kaskoversicherer zustehen. Nach der Rechtsprechung des BGH sei Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch, dass die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen sei. Das sei hier im maßgeblichen Zeitpunkt der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten im Verhältnis zum Kaskoversicherer nicht der Fall gewesen. In diesem Zeitpunkt hätten keine Anhaltspunkte bestanden, dass der Kaskoversicherer seine Leistungspflicht aus dem mit dem Kläger abgeschlossenen Versicherungsvertrag in Abrede stellen oder er zögerlich oder fehlerhaft regulieren werde. Auch der Verweis des Klägers auf eine ggf. erforderliche Abrechnung mit dem Haftpflichtversicherer nach dem Quotenvorrecht genüge nicht. Denn das Quotenvorrecht berühre nicht den Anspruch des Geschädigten gegenüber dem Kaskoversicherer, sondern sei relevant für die Regulierung der Forderung des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer. Aus diesem Grund vermöge sich die Kammer der anderweitigen Auffassung des OLG Jena in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 7.10.2016 (7 U 134/16) nicht anzuschließen. Es sei dem Kläger möglich gewesen, den Kaskoversicherer selbst zur Leistung aufzufordern. Erst wenn diese ihre Leistungspflicht in Abrede stelle oder andere Schwierigkeiten auftauchten, bestehe Anlass zur Einschaltung eines Rechtsanwalts. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass er eine umfangreiche Korrespondenz zur Durchsetzung seiner Ansprüche habe führen müssen, rechtfertige dies kein anderes Ergebnis. Der Gebührenanspruch des Prozessbevollmächtigten sei bereits mit dessen erstem Schreiben entstanden, ohne dass zu diesem Zeitpunkt ein zögerliches oder fehlerhaftes Regulierungsverhalten vorgelegen habe.

II.

Rz. 7

Die Revision hat keinen Erfolg. Zwar hält das Berufungsurteil den Rügen der Revision nicht stand; die Entscheidung ist aber aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO. Im Ergebnis steht dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht zu, § 249 Abs. 1 BGB.

Rz. 8

1. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH, Urt. v. 8.5.2012 - VI ZR 196/11, DAR 2012, 387 Rz. 6; v. 20.5.2014 - VI ZR 396/13, VersR 2014, 1100 Rz. 7 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision hier auf. Das Berufungsgericht hat Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt.

Rz. 9

a) Zwar geht es zunächst zutreffend davon aus, dass die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe bei der Schadensanmeldung gegenüber dem Kaskoversicherer aus der maßgeblichen Sicht des Klägers nicht erforderlich war, § 249 Abs. 1 BGB.

Rz. 10

aa) Zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten zählen grundsätzlich die durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen und adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten (BGH, Urt. v. 10.1.2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rz. 5). Teil der Schadensabwicklung ist auch die Entscheidung, den Schadensfall einem Versicherer zu melden. Die für die Anmeldung des Versicherungsfalles bei dem eigenen Versicherer anfallenden Rechtsverfolgungskosten können daher ersatzfähig sein, wenn sie adäquat kausal auf dem Schadensereignis beruhen und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe unter den Umständen des Falles aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (BGH, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, NJW 2005, 1112; 10.1.2006 - VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rz. 6; 8.5.2012 - VI ZR 196/11, DAR 2012, 387 Rz. 8).

Rz. 11

bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die auf dieser Grundlage erfolgte Beurteilung des Berufungsgerichts, es sei dem Kläger selbst möglich gewesen, seinen Kaskoversicherer zur Leistung aufzufordern.

Rz. 12

(1) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beschränkte sich das erste Schreiben des Bevollmächtigten darauf, dem Kaskoversicherer den Schadensfall unter Übersendung des Anspruchsschreibens an den gegnerischen Haftpflichtversicherer und des Sachverständigengutachtens zu melden. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, warum der Kläger die ihm wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen seinen eigenen Kaskoversicherer zustehenden Ansprüche nicht ohne anwaltliche Hilfe bei diesem hätte anmelden können. Es bestanden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kaskoversicherer seine Leistungspflicht in Abrede stellen oder zögerlich oder fehlerhaft regulieren werde. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.

Rz. 13

(2) Sie begründet die von ihr angenommene Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung bei der Schadensanmeldung (lediglich) damit, dass dem Kläger das Quotenvorrecht gem. § 86 Abs. 1 Satz 2 VVG (vgl. BGH, Urt. v. 8.12.1981 - VI ZR 153/80, BGHZ 82, 338 ff. m.w.N.) zugestanden habe und es sich dabei um eine komplexe Schadensmaterie handele. Entgegen der Ansicht der Revision reicht aber allein der Umstand, dass bei der späteren Regulierung durch den Kaskoversicherer auch ein Quotenvorrecht des Geschädigten zu berücksichtigen sein kann, nicht aus, um aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten die Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung schon bei der ersten Kontaktaufnahme mit dem Kaskoversicherer zu begründen. Die Revision verkennt, dass es bei der Beurteilung auf die konkrete anwaltliche Tätigkeit ankommt, die hier lediglich in der Übersendung bereits vorhandener Unterlagen bestanden hat. Insbesondere macht die Revision weder geltend noch ist sonst ersichtlich, dass das Quotenvorrecht bereits bei der Schadensanmeldung eine irgendwie geartete Bedeutung hätte erlangen können, beispielsweise etwa die Verrechnung von durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer gezahlten Vorschüssen erforderlich gewesen sei (dazu OLG Frankfurt, Urt. v. 2.12.2014 - 22 U 171/13, DAR 2015, 236, 237; vgl. auch Balke, SVR 2016, 349, 351 f.).

Rz. 14

b) Zu Recht als rechtsfehlerhaft rügt die Revision aber die Annahme des Berufungsgerichts, soweit angesichts der umfangreichen Korrespondenz mit dem Kaskoversicherer eine Erforderlichkeit der anwaltlichen Vertretung im weiteren Verlauf in Betracht komme, stehe dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu, weil der Gebührenanspruch bereits mit dem ersten - nicht erforderlichen - Schreiben des Bevollmächtigten in voller Höhe entstanden sei. Der Umstand, dass der Kläger seinen Bevollmächtigten bereits bei der Schadensanmeldung, mithin zu früh, eingeschaltet hatte, führt - für sich genommen - jedenfalls nicht zu einem vollständigen Ausschluss des gem. § 287 ZPO frei zu schätzenden Schadens wegen der dem Kläger entstandenen Rechtsverfolgungskosten.

Rz. 15

aa) Bei der hier geltend gemachten Geschäftsgebühr handelt es sich um eine Satzrahmengebühr i.S.v. §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1 RVG. Der Rechtsanwalt bestimmt die sich nach einem Gegenstandswert gem. § 13 Abs. 1 Satz 1 RVG richtende Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen innerhalb eines Gebührenrahmens von 0,5 bis 2,5 Gebühren, § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit Nr. 2300 VV-RVG. Die Geschäftsgebühr entsteht gemäß Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 zu Nr. 2300 VV-RVG für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Es entsteht mithin eine (erste) Gebühr nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG, sobald der Anwalt nach Erteilung des Auftrags die ersten Tätigkeiten in diesem Zusammenhang ausübt.

Rz. 16

bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat es dabei aber - worauf die Revision zutreffend hinweist - nicht sein Bewenden. Denn Rahmengebühren entstehen durch jede weitere Erfüllung des Gebührentatbestands jeweils nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 RVG erneut. Der Rechtsanwalt kann sie gem. § 15 Abs. 1 und 2 RVG aber nur einmal höchstens bis zu einem Gebührenrahmen von 2,5 fordern. In diesem Sinne ist für die nach billigem Ermessen vorzunehmende Bestimmung der Gebühr auch maßgebend, wie oft ein Gebührentatbestand erfüllt worden ist. Eine Rahmengebühr kann so bis zur oberen Grenze des Rahmens anwachsen (allg. Meinung, Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 15 Rz. 2; Baumgärtel in Baumgärtel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Aufl., § 15 Rz. 3; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 7. Aufl., § 15 Rz. 5; Winkler in Mayer/Kroiß, RVG, 5. Aufl., § 15 Rz. 84; zu § 13 BRAGO Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 13 Rz. 2; vgl. auch BT-Drucks. 2/2545, 234).

Rz. 17

Soweit ohne nähere Begründung etwas anderes vertreten wird (Ernst, RVG, 2005, § 15 Rz. 2, 3; Onderka in Goebel/Gottwald, RVG, 2004 § 15 Rz. 3) beruht dies auf einer verkürzten Wiedergabe des Wortlauts des § 15 Abs. 1 und 2 RVG (Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Mathias/Uher, RVG, 5. Aufl., § 15 Rz. 61). Die andere Ansicht kann schon deshalb nicht richtig sein, weil bei der Entstehung der ersten Gebühr noch nicht feststeht, in welcher Höhe die Geschäftsgebühr gem. §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 15 Abs. 1 und 2 RVG letztlich anfallen wird (vgl. zu der parallelen Problematik bei der Geltendmachung von Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden gem. § 286 BGB Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 1 Rz. 249).

Rz. 18

2. Welche rechtlichen Konsequenzen dieser Fehler hat, kann indes offen bleiben. Denn die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aus anderen Gründen richtig, § 561 ZPO. Dem Kläger steht schon deshalb kein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Rechtsanwaltskosten zu, weil diese den Beklagten nicht zugerechnet werden können.

Rz. 19

a) Macht der Geschädigte gegenüber seinem Versicherer eine Forderung geltend, die zwar nach den Versicherungsbedingungen begründet, vom Schädiger aber nicht zu ersetzen ist, ist zu prüfen, inwieweit die durch die Anmeldung entstandenen Anwaltskosten dem Schädiger als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden können (BGH, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, a.a.O., Rz. 9; v. 10.1.2006 - VI ZR 43/05, a.a.O., Rz. 6). Dabei gelten im Ergebnis die gleichen Grundsätze wie hinsichtlich der Höhe des Erstattungsanspruchs des Geschädigten wegen der durch die Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Schädiger entstandenen Anwaltskosten. Insoweit ist dem Erstattungsanspruch im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (BGH, Urt. v. 7.2.2012 - VI ZR 249/11, Schaden-Praxis 2012, 180, 181; v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, a.a.O., Rz. 11; BGH, Urt. v. 7.11.2007 - VIII ZR 341/06, WuM 2008, 97 Rz. 13; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 3 Rz. 115).

Rz. 20

b) Nach diesen Grundsätzen können die durch die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber dem Kaskoversicherer entstandenen Kosten den Beklagten nicht zugerechnet werden.

Rz. 21

aa) Anders als in den den oben zitierten Entscheidungen des Senats vom 18.1.2005 und 10.1.2006 zugrunde liegenden Fallgestaltungen (a.a.O.; ebenso die Fallgestaltungen in den vom Senat zitierten Entscheidungen des KG, VersR 1973, 926, 927 und des OLG Hamm, ZfS 1983, 12) trifft die Beklagten im vorliegenden Fall nicht die volle Haftung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte zu 1) das Unfallereignis gleichermaßen verschuldet, so dass die Beklagten dem Kläger mit einer Quote von 50 % haften.

Rz. 22

bb) Die Beklagten hätten folglich hinsichtlich des von dem Berufungsgericht festgestellten, sich aus dem Wiederbeschaffungsaufwand, den Sachverständigenkosten, den An- und Abmeldekosten, den Abschleppkosten, den Mietwagenkosten und der Kostenpauschale zusammensetzenden Gesamtschadens i.H.v. 11.688,75 EUR die Hälfte, mithin 5.844,38 EUR zu zahlen gehabt. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass das Quotenvorrecht des Geschädigten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht dazu führt, dass der Schädiger insgesamt mehr zu zahlen hat, als seinem Mitverursachungsanteil entspricht, § 86 Abs. 1 VVG (BGH, Urt. v. 8.12.1981 - VI ZR 153/80, BGHZ 82, 338, 345; OLG Celle OLGReport Celle 2006, 705, 706; Burmann/Heß in Berz/Burmann, Handbuch des Straßenverkehrsrechts, 36. Ergänzungslieferung, 3. A. Rz. 11).

Rz. 23

cc) Die andere Hälfte seines Schadens hat der Kläger selbst zu tragen. Im vorliegenden Fall hat er seinen Kaskoversicherer letztlich (nur) im Hinblick auf den ihm ohnehin verbleibenden Schadensteil, nicht aber auf den von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer auszugleichenden Schaden in Anspruch genommen; diese hat darüber hinausgehende Leistungen auch nicht erbracht. Der Kaskoversicherer hat erst nach und unter Berücksichtigung der Regulierung durch den Haftpflichtversicherer gezahlt, die in Anerkennung des zutreffenden Mitverursachungsanteils von 50 % einen Vorschuss i.H.v. 5.000 EUR und sodann eine Zahlung i.H.v. weiteren 606,84 EUR auf die vom Kläger geltend gemachten Schäden erbracht hatte. Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers und den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsurteils hat der Kaskoversicherer (lediglich) den im Innenverhältnis auf den Kläger entfallenden Schadensteil, nämlich den hälftigen Restwert und die hälftigen Abschlepp- und Sachverständigenkosten reguliert. Den dem Regulierungsbetrag i.H.v. 4.871,46 EUR entsprechenden Wert hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seiner Berechnung gem. § 10 RVG als Gegenstandswert (§ 13 Abs. 1 Satz 1 RVG) angesetzt. Er hat damit dokumentiert, dass sich die von ihm entfaltete Tätigkeit lediglich auf den vom Kläger selbst zu tragenden Schaden bezogen hat. Etwaige dem Kläger dabei entstandene Kosten können den Beklagten nach den oben angeführten Grundsätzen als Folge ihres Verhaltens aber nicht zugerechnet werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11119910

NJW 2017, 3527

NJW 2017, 8

AnwBl 2018, 44

DAR 2017, 671

DAR 2018, 313

JZ 2017, 699

MDR 2017, 1119

MDR 2017, 8

VRS 2017, 13

VersR 2017, 1155

AGS 2017, 541

RVGreport 2018, 101

SVR 2018, 264

SVR 2021, 95

VK 2018, 50

VRA 2017, 170

r+s 2017, 494

FMP 2017, 186

RVG prof. 2018, 1

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