BGB § 249 § 250; JVEG § 6 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 287

Leitsatz

1. Ersparte Aufwendungen des berufstätigen Verletzten können beim Verdienstausfallschaden im Rahmen des durch § 287 ZPO eingeräumten tatrichterlichen Ermessensspielraums insb. anhand der konkret ermittelten Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und einer der Wirklichkeit möglichst nahe kommenden Kilometerpauschale berücksichtigt werden, solange die Parteien nicht konkret höhere (Schädiger) oder niedrigere (Geschädigter) Ersparnisse im Einzelnen dargelegt und unter Beweis gestellt haben.

2. Dieser weite Rahmen wird nicht mehr eingehalten, wenn das Gericht die für Zeugen und Dritte geltende Kilometerpauschale (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG) nicht für Hin- und Rückfahrt ansetzt, sondern mit der einfachen Entfernung kombiniert.

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 3.12.2015 – 4 U 157/14

Sachverhalt

Der Kl. erlitt als Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall, für den die Bekl. in vollem Umfang haften, einen Wadenbeinbruch, Prellungen und Schürfungen am gesamten Körper. Bei seiner stationären Behandlung wurde er konservativ durch Ruhestellung behandelt. Bei einer weiteren Krankenhausbehandlung wurde eine Becken- und Beinvenenthrombose festgestellt, hinsichtlich derer die Parteien darüber gestritten haben, ob sie unfallbedingt ist. Der Kl. war ab dem Unfalltag, dem 17.4.2011, bis zum 4.9.2011 krankgeschrieben. Nach vorgerichtlicher Regulierung des Sachschadens drehte sich nach Zahlungen der Bekl. auf Schmerzensgeld i.H.v. 10.000 EUR und auf den Verdienstausfall der Streit der Parteien um die von dem Kl. geforderte Zahlung von weiterem Schmerzensgeld, um einen Haushaltsführungsschaden und um die Berechnung des Verdienstausfalls. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Die Berufung der Bekl. gegen die Zuerkennung weiteren Schmerzensgeldes und hinsichtlich eines Teils des zugesprochenen Verdienstausfalls hatte weitgehend Erfolg.

2 Aus den Gründen:

" … Die nach den §§ 511, 513, 517, 519 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Bekl. hat nach Maßgabe der §§ 513, 529, 546 ZPO überwiegend Erfolg."

1. Die volle gesamtschuldnerische Haftung der Bekl. für die durch den Verkehrsunfall vom 17.4.2011 verursachten materiellen und immateriellen Schäden gem. §§ 7, 18, 11 StVG, 115 VVG steht außer Streit. Entgegen der Auffassung des LG ist der Gesamtschmerzensgeldanspruch des Kl. mit 12.000 EUR zu bemessen, so dass unter Berücksichtigung bereits gezahlter 10.000 EUR noch weitere 2.000 EUR nebst Zinsen zuzusprechen sind.

a) Das Schmerzensgeld verfolgt vordringlich das Ziel, dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden zu verschaffen, die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen die wesentlichen Kriterien. Als objektivierbare Umstände besitzen vor allem die Art der Verletzungen, Art und Dauer der Behandlungen sowie die Dauer der Arbeitsunfähigkeit ein besonderes Gewicht. Hierbei zählen das Entstehen von Dauerschäden, psychischen Beeinträchtigungen und seelisch bedingten Folgeschäden zu den maßgeblichen Faktoren. Darüber hinaus sind die speziellen Auswirkungen des Schadensereignisses auf die konkrete Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Die beruflichen Folgen der Verletzung und ihre Auswirkungen auf die Freizeitgestaltung des Geschädigten sind Faktoren bei der Bestimmung des Schmerzensgeldes. Hierbei kommt es nicht zuletzt auf das Alter des Geschädigten an; denn ein und dieselbe Beeinträchtigung wird nicht in jedem Lebensalter gleich gravierend empfunden (Senat NJW 2011, 933, 935 m.w.N.). Bei der Schmerzensgeldbemessung nach diesen Grundsätzen verbietet sich, wie bereits ausgeführt, eine schematische, zergliedernde Herangehensweise. Einzelne Verletzungen bzw. Verletzungsfolgen dürfen nicht gesondert bewertet und die so ermittelten Beträge addiert werden. Vielmehr ist die Schmerzensgeldhöhe in einer wertenden Gesamtschau aller Bemessungskriterien des konkreten Falls zu ermitteln, wobei die in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder einen gewissen Anhaltspunkt bieten können, ohne jedoch zwingend zu einer bestimmten “richtigen’ Schmerzensgeldhöhe zu führen (Senat NJW 2011, 933, 935).

b) Auch nach der Reform des Rechtsmittelrechts hat das BG die erstinstanzliche Schmerzensgeldbemessung auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen gem. §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob sie überzeugt. Hält das BG sie für zwar vertretbar, letztlich aber bei Berücksichtigung aller Gesichtspunkte nicht für sachlich überzeugend, so darf und muss es nach eigenem Ermessen einen eigenen, dem Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldbetrag finden. Das BG darf es nicht dabei belassen zu prüfen, ob die Bemessung Rechtsfehler enthält, insb. ob das Gericht sich mit allen maßgeblichen Umständen ausreichend auseinandergesetzt und um eine angemessene Beziehung der Entschädigung zu Art und Dauer der Verletzungen be...

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