Wir Anwälte sollten aufmerksam die anstehende Änderung des StVG beobachten.

Im Koalitionsvertrag wurde von den Regierungsfraktionen vereinbart, dass in das StVG zusätzliche Ziele aufgenommen werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen:

"Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen."

Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes dient der Umsetzung dieser Vorgaben des Koalitionsvertrags sowie des Beschlusses des Koalitionsausschusses vom 28.3.2023. Die Änderungen betreffen in erster Linie die Vorschriften, die die konkreten Eingriffsbefugnisse der Straßenverkehrsbehörden enthalten. Das sind die aufgrund des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in verschiedenen Verordnungen, insbesondere der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), enthaltenen Regelungen.

Wohin kann das aber auch führen?

Auf kommunaler Ebene haben sich zahlreiche Städte und Gemeinden in der Initiative "Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten" zusammengeschlossen und setzen sich für größere Handlungsspielräume (v.a. bei der Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen) ein. Eine Erweiterung der Spielräume darf aber nicht zu weitreichender Handlungsfreiheit bei der Anordnung von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen oder gar zu einer Regelumkehr bei der städtischen Höchstgeschwindigkeit führen. Dies würde zu Ausweichverkehren durch die Wohngebiete führen, den ÖPNV schädigen und die Akzeptanz der Autofahrer mindern – und uns voraussichtlich mehr Mandate aufgrund der Verstöße bringen. Wollen wir das?

Ich habe im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens bei der öffentlichen Anhörung im Verkehrsausschuss des Bundestages als Experte meinen Beitrag in Richtung einer vernünftigen Reform unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger geleistet.

Aus meiner Sicht sollten jene Punkte im Straßenverkehrsrecht angegangen werden, die in der Praxis Probleme bereiten. Dazu zählen eine Anpassung der StVO (v.a. bezüglich der Voraussetzung der qualifizierten Gefahrenlage im Sinne von § 45 Abs. 9), der Verwaltungsvorschrift zur StVO oder auch entsprechender Richtlinien (bspw. zur Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen).

Auch bei der Weiterentwicklung des Verkehrsraums und der Stärkung des Rad- und Fußverkehrs darf dadurch die Sicherheit und Leichtigkeit des mobilen Individualverkehrs nicht unverhältnismäßig stark eingeschränkt werden.

Daher habe ich mich in diesem Zusammenhang für eine Beibehaltung des Prinzips der Gefahrenabwehr als vorrangiges Ziel des StVG ausgesprochen.

Jetzt ist das Parlament gefordert. Die abschließende Ausschussberatung und zweite und dritte Lesung im Bundestag sollen kurzfristig erfolgen.

Ich habe die Hoffnung, dass auch künftig bei Anordnungen, die wegen der neu formulierten Ziele erfolgen, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleistet bleiben wird.

Autor: Gerhard Hillebrand

Ihr/Euer Gerhard Hillebrand, Vorsitzender ARGE Verkehrsrecht

zfs 11/2023, S. 601

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