Hinweis

"Das Anerkenntnis der Klageforderung durch die Beklagte stellt kein sofortiges Anerkenntnis im Sinne des § 93 ZPO dar. Die Beklagte hat nämlich entgegen ihrer Auffassung sehr wohl Anlass zur Klageerhebung gegeben.

Sämtliche Schadensunterlagen sind der beklagten Haftpflichtversicherung am 15.8.2023 per E-Mail übersandt worden. Hinsichtlich des Versands verweisen wir auf die beigefügte Anlage, aus der sich der Wortlaut der E-Mail nebst Anlagen und deren Versandzeitpunkt ergibt. Ferner war hinsichtlich dieser Nachricht eine Eingangs- und eine Lesebestätigung angefordert worden. Diese hat die Beklagte am 16.8.2023 abgegeben. Die Lesebestätigung fügen wir ebenfalls in der Anlage bei.

Zwar hat der einfache Nachweis des Versands noch keinen isolierten Beweiswert. Kann der Versender zusätzlich aber auch das Vorliegen einer Lesebestätigung nachweisen, so streitet der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Beklagte die Nachricht erhalten und deren Inhalt zur Kenntnis genommen hat (OLG Hamm, Beschl. v. 10.8.2023 – 26 W 13/23; OLG Düsseldorf MDR 2009, 974; OLG Köln, Urt. v. 5.12.2006 – 3 U 167/05, LAG Berlin-Brandenburg BeckRS 2013, 66632, jeweils m.w.N.).

In diesem Fall kann nur noch eine verfrühte Klage den Anlass zur Klageerhebung entfallen lassen. Eine solche liegt hier nicht vor. Zwischen der Schadensmeldung vom 15.8.2023 und der Erhebung der Klage lagen fünf Kalenderwochen. In dieser Zeit wäre es der Beklagten möglich gewesen, den Anspruch des Klägers zu befriedigen.“

 

Anmerkung:

Grade in Zeiten der Personalengpässe kommt es vor, dass Mail-Nachrichten untergehen bzw. nicht oder nur sehr verzögert beantwortet werden. Das ist leider auch in der Schadensregulierung festzustellen. Wird nach einer oder mehreren unbeantworteten Nachrichten Klage erhoben, kommt es z.T. zum "sofortigen" Anerkenntnis unter Protest gegen die Kostenlast. Eingewandt wird, dass die Schadensmeldung nicht eingegangen sein soll. Die Linie der Rechtsprechung zu solchen Fällen konkretisiert sich immer mehr: Liegt eine Lesebestätigung vor, streitet der Anscheinsbeweis für den Zugang. Daher empfiehlt es sich, in derartigen Fällen mit der Anforderung einer Lesebestätigung zu arbeiten und diese für einen etwaigen Streit um die Kostenfolge im Verfahren parat zu haben.

Hinweis: Die zugrunde liegende Entscheidung des OLG Hamm (Beschl. v. 10.8.2023 – 26 W 13/23) tangiert zum Teil die in einem vergleichbaren Verfahren ausgefochtene Frage nach dem Zugangszeitpunkt eines Dateianhangs (OLG Hamm, Beschl. v. 9.3.2022, 4 W 119/20). Streitig war dort schon der Zugang der Nachricht, aber auch, ob der Beklagte den Dateianhang zur Kenntnis genommen hatte. Darin befand sich nämlich die für dieses Verfahren maßgebliche Abmahnung. Der Zugang der E-Mail könne nach dem OLG Hamm dahinstehen, da der Inhalt eines Dateianhangs einer Partei gegenüber jedenfalls erst dann als zugegangen gilt, wenn sie den Anhang auch tatsächlich geöffnet hat. Das sei bei einem unbekannten Absender wegen des Virenrisikos vom Empfänger grundsätzlich nicht zu verlangen. Microsoft Office und vergleichbare Produkte lassen es derzeit weder zu, eine Lesebestätigung explizit für E-Mail-Anhänge anzufordern noch den Empfänger einer Nachricht zur Abgabe einer Lesebestätigung zu zwingen. Daraus folgt: Was der Gegner wissen, besser: was ihm zugehen muss, sollte sich aus dem Text der E-Mail selbst und nicht bloß aus den Anlagen ergeben. Liegt hierfür eine Lesebestätigung vor, stehen die Aussichten für einen erfolgreichen Zugangsnachweis gut.

Autor: Jan Lukas Kemperdiek

RA Jan Lukas Kemperdiek, LL.M., FA für Medizinrecht, für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht, Hagen

zfs 10/2023, S. 543

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