VVG a.F. § 5a Abs. 2 S. 4

Leitsatz

1. Die Jahreshöchstfrist für den Widerspruch gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. findet im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung auch dann keine Anwendung, wenn der VN kein Verbraucher ist.

2. Eine Widerspruchsbelehrung, die den VN darauf hinweist, dass er "schriftlich widersprechen" könne und "eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens" genüge, widerspricht nicht den Vorgaben des § 5a VVG in der ab dem 1.8.2001 geltenden Fassung.

3. Den Anforderungen gemäß § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. i.V.m. der Anlage D zum VAG a.F. ist genügt, wenn ersichtlich ist, dass die angegebenen Rückkaufswerte und beitragsfreien Leistungen vertraglich vereinbart sind. Der ausdrücklichen Formulierung einer Garantie bedarf es nicht.

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 27.1.2021 – 12 U 221/20

Sachverhalt

Die Kl., eine GmbH, begehrt die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen und die Herausgabe gezogener Nutzungen nach Widerspruch gegen eine Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, die sie im Juli 2004 für ihren Angestellten F. im Policenmodell nach § 5a VVG a.F.

Dem Schreiben vom 15.7.2004, mit dem die Bekl. der Kl. den Versicherungsschein übersandte, waren als Anlagen u.a. ein "Leitblatt Verbraucherinformation", eine Aufstellung "Beitragsfreie Leistungen und Rückkaufswerte" sowie "Allgemeine Bedingungen für die Rentenversicherung" beigefügt. Auf der letzten Seite des zweiseitigen Versicherungsscheins befand sich nachstehender, in Dickdruck gehaltener Hinweis:

"Sie können dem Versicherungsvertrag ab Stellung des Antrags bis zum Ablauf von 14 Tagen nach Zugang des Versicherungsscheins einschließlich der Versicherungsbedingungen und der übrigen Verbraucherinformationen schriftlich widersprechen. Eine Erklärung in Textform, z.B. per Fax oder eMail mit Angabe Ihres Namens, genügt. Zur Wahrung dieser Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."

Die Kl. zahlte auf den Vertrag bis zum Ablauf der vertraglichen Beitragsdauer am 1.8.2016 Prämien von insgesamt 72.000 EUR. Nach Ausübung des Kapitalwahlrechts erhielt sie von der Bekl. eine Auszahlung von 81.421,34 EUR. Mit Anwaltsschreiben vom 26.11.2016 erklärte die Kl. den Widerspruch und verlangte die Zahlung weiterer 9.860,46 EUR. Dem kam die Bekl. nicht nach. Zur Vorbereitung der Klage ließ die Kl. durch die I. GmbH eine "Quantifizierung der Rückabwicklungsfolgen" erstellen, für die ihr 595 EUR in Rechnung gestellt wurden.

2 Aus den Gründen: "…"

Das angefochtene Urteil erweist sich zwar nicht mit der gegebenen Begründung, aber im Ergebnis als richtig.

1. Anders als das LG angenommen hat, ist die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. im Streitfall nicht anwendbar.

Wie der BGH mit Urt. v. 7.5.2014 (BGHZ 201, 101) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die Regelung richtlinienkonform teleologisch dergestalt zu reduzieren, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn der Versicherungsnehmer nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat. Entgegen der Ansicht des LG und der Bekl. ist von diesem Grundsatz keine Ausnahme zu machen, wenn der VN kein Verbraucher ist (a.A. OLG Stuttgart, VersR 2020, 1165).

Nach Maßgabe der für die nationalen Gerichte bindenden Vorabentscheidung des EuGH (NJW 2020, 1499) sind die Art. 35 und 36 der RiL 2002/83/EG … dahin auszulegen, dass sie auch für VN gelten, die keine Verbraucher sind (…). Nichts Anderes gilt für Art. 15 Abs. 1 der Zweiten RL 90/619/EWG … und Art. 31 der RL 92/96/EWG … (Dritte RL Lebensversicherung), auf deren Auslegung die richtlinienkonforme Reduktion des Anwendungsbereichs von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. beruht (vgl. BGHZ 201, 101). Denn auch insoweit ergibt sich aus dem Zusammenhang der Richtlinien, dass sowohl natürliche als auch juristische Personen Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmungen sein können.

So definiert Art. 2 Buchst. e der Zweiten RL – wie Art. 1 Abs. 1 Buchst. e der RL 2002/83/EG – den Mitgliedstaat der Verpflichtung als den Mitgliedstaat, in dem der VN seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder, wenn der VN eine juristische Person ist, den Mitgliedstaat, in dem sich die Niederlassung dieser juristischen Person befindet, auf die sich der Vertrag bezieht (vgl. EuGH a.a.O.). Darüber hinaus sieht Art. 4 Abs. 2 der Zweiten RL Lebensversicherung – wie Art. 32 Abs. 2 der RL 2002/83/EG – vor, dass die Parteien nur dann das Recht des Mitgliedstaats wählen können, dessen Staatsangehöriger der VN ist, wenn es sich um eine natürliche Person handelt (vgl. EuGH). Weiter räumt Art. 30 Abs. 2 der Dritten RL Lebensversicherung – wie Art. 35 Abs. 2 der RL 2002/83/EG – den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, den besonderen Schutz u.a. dann auszuschl...

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