Widerspruch gegen eine Lebensversicherung, weil Anschrift der Aufsichtsbehörde nicht genannt?
Eine Frau stritt mit einer Lebensversicherung über die Rückabwicklung eines Vertrags zu einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
Versicherung erst einige Monate nach Vertragsschluss widerrufen
Den Widerspruch, den die Frau erst einige Monate nach Vertragsabschluss einlegte, begründete sie damit, dass in der Widerspruchsbelehrung, die sie von der Versicherung erhalten hatte, die Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde gefehlt habe. Das OLG Karlsruhe wies die Klage gegen die Versicherung ab.
Versicherung hat Informationspflicht nicht erfüllt
- Zwar sei es unstreitig, dass die nach Anlage D, Abschnitt I Nr. 1) zu § 10a Abs. 1 VAG a.F. vorgeschriebene Mitteilung zur Anschrift der Aufsichtsbehörde gefehlt habe.
- Auch ist das Gericht von dem Grundsatz ausgegangen, dass schon die Nichterfüllung einzelner Informationspflichten dazu führt, dass der Versicherungsnehmer gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. zum Widerspruch berechtigt bleibt.
Die maßgebliche Norm
§ 5a Abs. 1 VVG a.F.
(1) Hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer bei Antragstellung die Versicherungsbedingungen nicht übergeben oder eine Verbraucherinformation nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes unterlassen, so gilt der Vertrag auf der Grundlage des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformation als abgeschlossen, wenn der Versicherungsnehmer nicht innerhalb von vierzehn Tagen nach Überlassung der Unterlagen in Textform widerspricht. ..
(Bei Lebensversicherungsverträgen beträgt die Frist 30 Tage….)
BGH zur rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine nur formale Rechtsposition
Dieser Grundsatz zu den Folgen der Nichterfüllung einzelner Informationspflichten gelte jedoch nicht ausnahmslos und führe nicht in jedem Fall dazu, dass dem Versicherungsnehmer ein bereicherungsrechtlicher Rückabwicklungsanspruch zustehe.
Dies folge aus der Rechtsprechung des BGH zur Abgrenzung zwischen dem Antragsmodell und Policenmodell (BGH, Urteil v. 18.07.2018, IV ZR 68/17) und zur rechtsmissbräuchlichen Berufung auf eine nur formale Rechtsposition (BGH, Urteil v. 10.02.2021, IV ZR 32/20).
Vertragsauflösung kann unverhältnismäßig sein – selbst bei fehlerhafter Belehrung
Das OLG Karlsruhe verwies zudem auf die Ausführungen des EuGH zur Unverhältnismäßigkeit einer späteren Vertragslösung selbst bei fehlerhafter Belehrung (EuGH, Urteil v. 19.12.2019, C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18). Zwar wurde in den Entscheidungen nicht über die identische Konstellation wie im vorliegenden Fall entschieden. Aus den Entscheidungen des BGH sei aber ersichtlich, dass dieser danach differenziere,
- ob eine im Gesetz vorgesehene zwingende Einzelinformation
- einem berechtigten Informationsbedürfnis des Versicherungsnehmers im konkreten Fall dient.
Zudem sei es ein Unterschied, ob die fehlende Kenntnis von einer für den Versicherungsnehmer ausschließlich vorteilhaften Information – wie im Streitfall die Nennung der Aufsichtsbehörde – überhaupt Anlass geben konnte, vom Vertragsabschluss abzusehen.
Fehlerhafte Belehrung ist nicht immer eine wesentliche Information
Auch der EuGH unterscheide selbst bei fehlerhafter Belehrung danach, ob es sich um eine wesentliche Information handelte, deren Fehlen geeignet sei, den Versicherungsnehmer von der Ausübung seines Widerspruchsrechts abzuhalten.
Letztlich kam das Gericht zu der Einschätzung, dass es dem Beginn der Widerspruchsfrist nach § 5a VVG a.F. nicht entgegensteht, dass in den mit dem Versicherungsschein übersandten Unterlagen die nach Anlage D zum VAG gebotene Einzelinformation zur zuständigen Aufsichtsbehörde und deren Anschrift nicht erteilt wurde.
(OLG Karlsruhe, Beschluss v. 03.05.2021, 12 U 43/21).
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