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Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz vom 13.4.2017[1] die straf- und bußgeldrechtliche Vermögensabschöpfung neu geregelt. Zentral wurden die Vorschriften im allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs (§§ 73 bis 76a) reformiert und damit einhergehend auch die Parallelvorschrift zum ehemaligen Verfall im Ordnungswidrigkeitengesetz in § 29a. Da ab dem 1.7.2017 die "Einziehung" im Bußgeldverfahren gem. § 29a OWiG angeordnet werden kann, die bislang nur aus den Vorschriften der §§ 2229 OWiG bekannt war, ergeben sich umfassende Neuerungen. Diese sollen nachfolgend vorgestellt werden. Der Beitrag beleuchtet den Reformanlass sowie Erweiterungen und Einschränkungen der neuen Regelung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage. Neue Rechtsprechung zum Verständnis der neuen Vorschrift lag zum Zeitpunkt der Erstellung des Beitrags naturgemäß noch nicht vor. Als Auslegungshilfe dienten aber Stellungnahmen von Berufsverbänden im Gesetzgebungsverfahren und vor allem die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung (im Folgenden RegE),[2] die sich aber im Kern nur mit §§ 73 ff. StGB befasste. Trotzdem ergaben sich hieraus wertvolle Erkenntnisse, da § 29a OWiG den neuen Einziehungsvorschriften im Strafgesetzbuch nachgebildet ist.[3]

[1] BGBl I S. 872.
[2] Abrufbar unter www.bmjv.de.
[3] Dass es dem Gesetzgeber bei der Reform in erster Linie um eine Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ging und nicht derart zentral um die Pendantvorschrift im OWiG, ist daran erkennbar, dass im RegE die Einziehung nach § 29a des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten erstmals auf Seite 38 erwähnt wird.

A. Reformbedarf

Der Gesetzgeber sah einen Bedarf nach einer umfassenden Neuregelung eines Abschöpfungsmodells. Das bisherige Regelungswerk sei äußerst komplex und unübersichtlich gewesen und mit zahlreichen rechtlichen Zweifelsfragen belastet. Strafgerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiet der Vermögensabschöpfung seien in hohem Maße fehleranfällig.[4] Aus der Begründung zum Gesetzesentwurf geht auch hervor, dass das in der Rechtsprechung vorhandene unterschiedliche Verständnis zum "Bruttoprinzip" Anlass für eine Neuregelung gegeben hat.[5] Zudem soll die neue Gesetzesfassung erhebliche Abschöpfungslücken schließen. Ferner ergab sich eine Notwendigkeit, mit der Änderung die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union in innerstaatliches Recht umzusetzen.

[4] Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, S. 1, in BT-Drucksache 18/9525.
[5] RegE, S. 47.

B. Neuregelungen im Einzelnen

II. § 29a Abs. 1 OWiG: Einziehung statt Verfall

Die Änderungen in Abs. 1 der Vorschrift sind zum einen rein sprachlicher Natur. Im Wortlaut des Paragraphen wurde der "Verfall" durch die Bezeichnung "Einziehung" ersetzt. Der vormals vom Gesetzgeber gemachte Unterschied zwischen der Abschöpfung von Sachen und Rechten einerseits (dann Einziehung) und Vermögensvorteilen andererseits (dann §§ 17 Abs. 3 und 4, 29a OWiG) ist entfallen. Die rein sprachliche Änderung lehnt zudem das deutsche Recht an die im Recht der Europäischen Union gebräuchliche Begrifflichkeit ("confiscation" = Einziehung) an.[6] Die neue Fassung räumt wie bisher den Strafverfolgungsbehörden ein weites Ermessen ein. Weiterhin kann gegen den Täter die Einziehung eines Geldbetrages bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht, wenn er durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt und gegen ihn wegen der Handlung eine Geldbuße nicht festgesetzt wird. Von inhaltlich großer Bedeutung ist die Änderung der Vorschrift dergestalt, als das Wort "aus" durch das Wort "durch" ersetzt wurde. Diese auf den ersten Blick eher unscheinbar wirkende Änderung bewirkt eine nicht unerhebliche Erweiterung der Einziehung. Abzuschöpfen ist damit künftig jeder Vermögenswert, den der Tatbeteiligte "durch" die rechtswidrige Tat erlangt hat. Dies soll künftig zum einen alles umfassen, was nach altem Recht als das "aus" der Tat Erlangte abzuschöpfen ist. Den – finanziellen – Vorteil aus der Tat, der durch die Einziehungsanordnung abgeschöpft werden soll, muss die Betroffene damit weiterhin tatsächlich erlangt haben.[7] Neu ist aber, so der Regierungsentwurf, "dass die erforderliche Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem rein gegenständlich zu bestimmenden Erlangten sich allein nach den Wertungen des Bereicherungsrechts richtet".[8] Insoweit entspricht die Neuregelung den Vorgaben von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/42/EU, wonach nicht nur "direkt", sondern auch "indirekt" durch eine Straftat erlangte wirtschaftliche Vorteile einzuziehen sind. Offenbar soll künftig – in Abkehr zur bisherigen Rechtsprechung zum Verfall in § 29a OWiG[9] – das entwickelte "ungeschriebene" (einschränkende) Tatbestandsmerkmal der "Unmittelbarkeit" entfallen.[10]

[6] RegE, S. 48.
[7] Fromm/Schmuck, SVR 2007, 405, 406.
[8] RegE, S. 55.
[10] RegE, S. 5...

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