" … Die zulässige Berufung der Bekl. ist unbegründet. Das angegriffene Urteil hält im Ergebnis berufungsgerichtlicher Überprüfung stand."

1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Bekl. als auch die Kl. grds. für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1, 2 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben. Denn die Unfallschäden sind jeweils bei dem Betrieb eines Kfz entstanden, der Unfall ist nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen, stellte für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG dar und der Erstbeklagte konnte sich nicht nach § 18 Abs. 1 StVG entlasten. Dies wird auch in der Berufung nicht in Frage gestellt.

2. Im Rahmen der danach gebotenen Haftungsabwägung gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG hat die Erstrichterin einen Verkehrsverstoß der Kl. gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO (Halteverbot an engen und unübersichtlichen Straßenstellen) mit der Begründung verneint, die Kl. habe nicht gehalten, sondern geparkt, da sie ihr Fahrzeug nicht nur 3 Minuten abgestellt habe. Dagegen wendet sich die Berufung zu Recht. Denn es ist anerkannt, dass die Halteverbote des § 12 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 StVO zugleich bewirken, dass in diesen Bereichen nicht geparkt werden darf (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2000, 414; OLG Karlsruhe VersR 2012, 1186; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 12 StVO Rn 44).

Allerdings erweist sich die Annahme des Erstgerichts aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig.

a) Das Halten an engen Straßenstellen i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO setzt voraus, dass der zur Durchfahrt insgesamt freibleibende Raum für ein Fahrzeug mit der regelmäßig höchstzulässigen Breite – diese beträgt nach § 32 Abs. 1 StVZO 2,58 m – zuzüglich eines Seitenabstandes von 50 cm bei vorsichtiger Fahrweise nicht ausreichen würde (vgl. BayObLG NJW 1960, 1484; OLG Nürnberg VersR 2007, 1137; Hentschel, a.a.O., § 12 StVO Rn 22; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl., § 12 StVO Rn 6, jeweils m.w.N.). Enge Straßenstellen sind danach solche, die eine Fahrbahnbreite unter 3,05 m aufweisen (VG Saarland, Gerichtsbescheid vom 20.1.2014 – 6 K 1768/12, juris m.w.N.). Dabei ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem das Fahrzeug abgestellt wird. Es liegt mithin kein Verkehrsverstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO vor, wenn eine enge Straßenstelle erst durch nachfolgendes Halten bzw. Parken anderer Fahrzeuge auf der gegenüberliegenden Straßenseite entstanden ist (vgl. BayObLG VRS 11, 66; OLG Köln VRS 34, 312, 313; OLG Düsseldorf VerkMitt 1965, Nr. 73, S. 48; Hentschel, a.a.O., § 12 StVO Rn 22 m.w.N.).

b) Hiervon ausgehend lässt sich ein Verstoß der Kl. gegen das Verbot des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO nicht feststellen. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts, die mit der Berufung nicht angegriffen werden, lässt sich nicht mehr beweissicher klären, ob die Kl. ihr Fahrzeug vor oder nach dem auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkten Fahrzeug abgestellt hat. Verbleibt danach aber die Möglichkeit, dass die Kl. ihren Pkw zeitlich vor dem anderen Fahrzeug abgestellt hat, ist ein Verkehrsverstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StVO nicht nachgewiesen. Denn unter Berücksichtigung des abgestellten klägerischen Fahrzeugs verblieb – was auch von den Bekl. nicht in Abrede gestellt wird – zur Durchfahrt noch ein Raum in der Breite von jedenfalls mehr als 3,05 m.

c) Auch ein Verstoß gegen das Halteverbot an unübersichtlichen Stellen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StVO) oder im Bereich von scharfen Kurven (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 StVO) liegt nicht vor. Unstreitig hat sich der Verkehrsunfall in Höhe des Anwesens ereignet. In diesem Bereich ist aber – wovon sich die Kammer anhand des zur Akte gelangten Lichtbildes und mit Hilfe einer Luftbildkarte (google.maps) überzeugt hat – weder eine scharfe Kurve erkennbar, noch liegt eine Stelle vor, die einen genügenden Überblick hindern könnte (zur Unübersichtlichkeit und zum Begriff der scharfen Kurve vgl. nur Hentschel, a.a.O., § 12 StVO Rn 23, 24 m.w.N.).

3. Die Bekl. können sich auch nicht auf einen Verstoß gegen § 42 Abs. 2 StVO i.V.m. Zeichen 325.1 Nr. 4 berufen, wonach in einem verkehrsberuhigten Bereich – wie hier – grds. nicht außerhalb der dafür gekennzeichneten Flächen geparkt werden darf. Die Kl. hat zwar gegen dieses Parkverbot verstoßen. Der Fahrzeugverkehr, zu dem der Bekl.-Lkw gehörte, wird durch das Parkverbot nach Zeichen 325.1 Nr. 4 indes nicht geschützt.

Verkehrsberuhigte Bereiche erfüllen neben Erschließungsaufgaben vor allem eine Aufenthaltsfunktion. So dürfen in verkehrsberuhigten Bereichen die Fußgänger die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt. Der Fahrzeugverkehr muss Schrittgeschwindigkeit einhalten, Fußgänger dürfen weder gefährdet noch behindert werden; Fahrzeugführer müssen, wenn nötig, warten. Fußgänger dürfen ihrerseits den Fahrzeugverkehr nicht unnötig behindern. Der Fahrzeugverkehr wird mithin im Interesse des Fußg...

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