Zitat

[9] II … Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der VGH beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des VG zu ändern oder aufzuheben wäre.

[10] 1. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StVO v. 6.3.2013 (BGBl I S. 367), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.7.2021 (BGBl I S. 3091), ist außerhalb geschlossener Ortschaften jede Werbung und Propaganda durch Bild, Schrift, Licht oder Ton verboten, wenn dadurch am Verkehr Teilnehmende in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt oder belästigt werden können. Auch durch innerörtliche Werbung und Propaganda darf der Verkehr außerhalb geschlossener Ortschaften nicht in solcher Weise gestört werden (§ 33 Abs. 1 S. 2 StVO). Wer hiergegen vorsätzlich oder fahrlässig verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 28 StVO, die mit einem Bußgeld geahndet und nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Landesstraf- und Verordnungsgesetz – LStVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.12.1982, zuletzt geändert durch Gesetz v. 27.4.2020 (GVBl S. 236), durch die zuständige Sicherheitsbehörde untersagt werden kann.

[11] Der von der Antragstellerin auf der Halle angebrachte Schriftzug erfüllt den Verbotstatbestand des § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 2 StVO. Der Standort der Halle liegt zwar noch innerorts, wofür die Ortstafel (Zeichen 310 nach Anlage 3 zu § 42 Abs. 2 StVO) maßgebend ist (vgl. Koehl in Haus/Krumm/Quarch, Gesamtes Verkehrsrecht, 3. Auflage 2022, § 33 StVO Rn 12; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 3. Auflage 2020, Rn 1173; Engelbrecht, DÖV 2012, 876, 878). Der Schriftzug kann aber bereits außerhalb der geschlossenen Ortschaft von Verkehrsteilnehmern wahrgenommen werden und ist auch darauf ausgerichtet. Auf der Bundesstraße … aus Richtung D* … kommend ist die Halle, auf deren Frontseite der Schriftzug angebracht ist, das erste Gebäude am Ortseingang; die davor liegenden Grundstücksflächen sind unbebaut.

[12] Durch den Schriftzug können Verkehrsteilnehmer auf der Bundesstraße vor Erreichen der Ortstafel in einer den Verkehr gefährdenden oder erschwerenden Weise abgelenkt werden. Für eine nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i.V.m. S. 2 StVO relevante Gefährdung reicht im Hinblick auf den hohen Rang der Schutzgüter Leib und Leben eine abstrakte Gefahr ohne Nachweis konkret entstandener Verkehrsgefahren oder -unfälle und damit die jedenfalls nicht entfernte Möglichkeit einer verkehrsgefährdenden Ablenkung und Beeinflussung der Verkehrsteilnehmer aus (vgl. BayVGH, Beschl. v. 30.4.2015 – 11 ZB 14.2563 – juris Rn 9 f. und Urt. v. 28.7.2015 – 11 B 15.76 – DAR 2016, 104 = juris Rn 23 m.w.N.; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Auflage 2021, § 33 StVO Rn 9; Koehl in Haus/Krumm/Quarch, § 33 StVO Rn 4 und 14; Sauthoff, Öffentliche Straßen, Rn 1303, 1306; Engelbrecht, DÖV 2012, 879; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 26.6.1970 – VII C 143.66 – BVerwGE 35, 319/321 = juris Rn 11 zur Vorläuferbestimmung in § 42 Abs. 2 StVO a.F.). Eine konkrete, im Einzelfall feststellbare unmittelbare Gefahr für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs ist damit nicht erforderlich.

[13] Zu einer Gefährdung kann der Schriftzug führen, indem er Verkehrsteilnehmer, die auf der Bundesstraße ortseinwärts fahren, ablenken kann. Bundesstraßen des Fernverkehrs (Bundesfernstraßen) sind öffentliche Straßen, die ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und einem weiträumigen Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind (§ 1 Abs. 1 S. 1 des Bundesfernstraßengesetzes – FStrG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.6.2007 [BGBl I S. 1206], zuletzt geändert durch Gesetz vom 10.9.2021 [BGBl I S. 4147]). Der Verkehr auf der fraglichen Bundesstraße hat damit auch überörtlichen Charakter mit der Folge, dass nicht alle Verkehrsteilnehmer mit den Verhältnissen auf und neben der Straße vertraut sind. Dass ein Teil der Verkehrsteilnehmer aus der näheren Umgebung kommt und im fraglichen Abschnitt häufiger unterwegs ist, steht der Annahme einer Ablenkung somit nicht entgegen. Diese Ablenkung tritt dadurch ein, dass die Verkehrsteilnehmer die Fassadengemälde mit dem darüber angebrachten Schriftzug aufgrund ihrer Größe bereits vor Erreichen der geschlossenen Ortschaft wahrnehmen, den Schriftzug jedoch nicht mit einem kurzen beiläufigen Blick lesen können. Es handelt sich um eine Kombination von Bild und Wort, die dazu verleitet, die Aufmerksamkeit nicht nur für einen kurzen Augenblick vom Straßenverkehr abzulenken. Auch die Länge des aus zwölf Wörtern bestehenden Schriftzugs trägt dazu bei, dass eine relevante Ablenkung vorliegt. Zwar sind der Schriftzug und die Gemälde aufgrund des Straßenverlaufs bereits aus größerer Entfernung sichtbar. Es ist jedoch davon auszugehen, dass viele Verkehrsteilnehmer den Schriftzug beim ersten Sichtbarwerden noch ...

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