Grundlage für die Zumessung der Geldbuße ist in erster Linie die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft (§ 17 Abs. 3 S. 1 OWiG). Die nach § 26a StVG als Rechtsverordnung erlassenen Bußgeldkatalog-Verordnung bestimmt für Verkehrs-Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr Regelsätze (s.o. A.).[5] Diesen Regelsätzen der BKatV kommt eine auch von Gerichten zu beachtende Bindungswirkung bei.[6] Diese Zumessungsrichtlinien entbinden jedoch nicht von der im Einzelfall gebotenen Prüfung der Berechtigung des Katalogsatzes. Mildernde Umstände können daher zur Reduzierung des Regelsatzes führen. Das Gericht muss deshalb erkennen lassen, dass es etwaige besondere Umstände des Einzelfalls bedacht und berücksichtigt hat. Als zentrales Argument für den Betroffenen kann ein Mitverschulden des Unfallgegners angeführt werden. Während es Verkehrsunfälle gibt, bei denen die Sach- und Rechtslage so eindeutig ist, dass einer der Unfallbeteiligten den Unfall allein verursacht hat, gibt es Kollisionen, in denen es zu einer Haftungsquote kommt. So kann sich eine Kollision infolge des Verschuldens beider Unfallbeteiligter ereignen, z.B. indem beide Verkehrsteilnehmer die Geschwindigkeit den Verkehrsverhältnissen nicht angepasst haben (§ 3 StVO) oder beide gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen haben und dadurch im Begegnungsverkehr kollidiert sind. Nicht allzu selten wird das beiderseitige Verschulden bereits dadurch in der Bußgeldakte dokumentiert, dass wegen des anteiligen Verschuldens beider Kraftfahrzeugführer zwei Bußgeldbescheide ergehen.

Ist zivilrechtlich über den Verkehrsunfall schon entschieden worden, und dort in einem Urteil festgestellt, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des anderen Unfallbeteiligten mitgewirkt hat (§ 254 BGB), so bietet es sich an, dem Bußgeldgericht dahin gehende positive Erkenntnisse zur Kenntnis zu bringen. Zwar gibt es keine Bindungswirkung zivilrechtlicher Prozesse für das Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht und umgekehrt.[7] Eine vom zivilrechtlichen Verkehrsgericht zugrunde gelegte günstige Haftungsquote, aus der ein nur geringeres Verschulden des Betroffenen am Verkehrsunfall hervorgeht, kann bußgeldmindernd angeführt werden. Der Bußgeldrichter wird in der Regel bemüht sein, widersprüchliche Ergebnisse zu zivilrechtlichen Prozessen zu vermeiden. Stellt sich heraus, dass zwar eine Vorfahrtspflichtverletzung des Mandanten im Kreuzungsbereich vorlag, jedoch zu gleicher Zeit auch der Unfallgegner gegenüber Verkehrsteilnehmern von rechts wartepflichtig ist, so muss er, wie es § 8 Abs. 2 S. 1 StVO vorschreibt, mit mäßiger Geschwindigkeit an die Kreuzung heranfahren und sich darauf einstellen, dass er notfalls rechtzeitig anhalten kann (so genannte Verletzung der "halben" Vorfahrt).[8] So wie der Vorfahrtberechtigte (Unfallgegner) zivilrechtlich mithaften muss, kann bußgeldrechtlich mit dem nur anteiligen Verschulden des Betroffenen argumentiert werden. Auch das vorgerichtliche Regulierungsverhalten der Kfz-Haftpflichtversicherung kann als Indiz für ein Mitverschulden des Unfallgegners sprechen, welches die Einstellung des Bußgeldverfahrens zur Folge haben kann. Begleicht nämlich die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung 80 % der Schäden des Betroffenen zivilrechtlich, so erscheint es als offenkundiger Wertungswiderspruch, wenn gegen den Betroffenen nun im Ordnungswidrigkeitenverfahren als angeblich einzig Verantwortlicher eine Geldbuße mit Punkten im Verkehrszentralregister verhängt werden soll.

[5] Gürtler, in Göhler, OWiG, § 17, Rn 28 ff.
[7] Büscher, in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 322 Rn 93.

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