Leitsatz (amtlich)

  • 1.

    Die in der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehenen Regelsätzen können unterschritten werden, wenn ein Festhalten dazu führen würde, dass gegen den Betroffenen eine unverhältnismäßige, da von ihm nicht leistbare, Sanktion festgesetzt wird.

  • 2.

    Ist der Betroffene arbeitslos, so hat der Tatrichter bei nicht geringfügigen Ordnungswidrigkeiten zu prüfen, ob der Betroffene zur Bezahlung des im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelsatzes in der Lage ist.

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts X. vom 19. Juni 2006 wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Am 21.10.2005 verhängte das Amtsgericht X. gegen den Betroffenen wegen einer Ordnungswidrigkeit des fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Alkoholeinfluss in Tateinheit mit fahrlässigem Führen eines Kraftfahrzeuge unter Drogeneinfluss nach § 24 a Abs.1 und 2 StVG eine Geldbuße von 400 Euro und ein Fahrverbot von zwei Monaten. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hob der Senat dieses Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit Beschluss vom 24.2.2006 auf (1 Ss 10/06), weil das Amtsgericht sein Abweichen von der in der Bußgeldkatalogverordnung unter Nr. 242.2 vorgesehenen Regelfolge für einen mehrfach einschlägig auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmer (Bußgeldhöhe: 750 Euro; Dauer des Fahrverbots drei Monate) nicht ausreichend begründet hatte. Mit Urteil vom 19.5.2006 setzte das Amtsgericht nunmehr ein Fahrverbot von drei Monaten fest, hielt jedoch an der Verhängung einer Geldbuße von 400 Euro fest, weil der Betroffene zwischenzeitlich arbeitslos geworden war. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer erneut eingelegten Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Verletzung sachlichen Rechts geltend macht. Sie ist der Ansicht, das Amtsgericht habe durch die Reduzierung der Geldbuße gegen das Gebot der gleichmäßigen Behandlung aller Verkehrsteilnehmer verstoßen.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Zwar richtet sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Geldbuße, wegen der bestehenden Wechselwirkung zu dem verhängten Fahrverbot wird hiervon jedoch - auch zugunsten des Betroffenen (§ 79 Abs.3 OWiG, § 301 StPO) - der Rechtsfolgenausspruch im Ganzen erfasst.

1.

Zu Recht ist das Amtsgericht bei dem gerichtsbekannt bereits zweimal wegen Verstoßes gegen § 24a StVG auffällig gewordenen Betroffenen vom Vorliegen eines Regelfalles nach Nr. 242.2 BKatVO ausgegangen. Besondere Umstände, welche ein Abweichen hiervon gebieten könnten, hat das Amtsgericht nicht festgestellt (vgl. hierzu Senat VRS 98, 385 ff.). Unabhängig hiervon wäre die Verhängung eines auch zeitlich nachdrücklichen Fahrverbots gleichwohl deshalb angezeigt gewesen, weil es sich beim Betroffenen ersichtlich um einen wiederholt einschlägig auffällig gewordenen Verkehrsteilnehmer und gegenüber verkehrs-rechtlichen Ge- und Verboten uneinsichtigen Verkehrsteilnehmer handelt, auf den nur durch die Verhängung eines Fahrverbots eingewirkt werden kann (vgl. hierzu Senat NJW 2005, 3158 f. = DAR 2005, 644 f. = VRS 109, 284 ff.).

2.

Auch die vom Amtsgericht festgesetzte Geldbuße hat Bestand.

a.

Zwar trifft es zu, dass den Regelsätzen der nach § 26a StVG als Rechtsverordnung erlassenen BKatV eine auch von Gerichten zu beachtende Bindungswirkung beikommt. Diese Zumessungsrichtlinien entbinden jedoch nicht von der im Einzelfall gebotenen Prüfung der Berechtigung des Katalogsatzes. Dabei geht § 1 Abs. 2 BKatV von fahrlässiger Begehung und gewöhnlichen Tatumständen aus, weshalb bei Vorliegen von Milderungsgründen oder erschwerenden Umständen eine Reduzierung oder Erhöhung der katalogmäßig vorgesehen Geldbuße in Betracht kommen kann (vgl. OLG Karlsruhe VRS 100, 460: Mitverschulden; Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 17 Rn. 28b m.w.N.).

Zu den zu beachtenden Umständen gehören auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Nach § 17 Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. OWiG haben diese nur bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten unter 35 Euro im Regelfall außer Betracht zu bleiben (BT-Drucks. 10/2652, Seite 12; Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 17 Rn. 23). Auch über diesen Betrag hinaus können nähere Feststellungen zu den Einkommensverhältnissen (ggf. Grundbesitz, Eigentum am Pkw) und den Schulden oder sonstigen Verpflichtungen des Betroffenen im Urteil dann entbehrlich sein, wenn die Regelbuße festgesetzt wird und ersichtlich keine Besonderheiten in der Person des Betroffenen vorliegen (ebenso Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25.8.2003, 1 Ss - OWi - 166/03; zu den dabei diskutierten Wertgrenzen OLG Celle Zfs 1992, 32 [100 Euro]; BayObLG DAR 2004, 593 [250 Euro]; vgl. auch Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl. 2006, StVG, § 24 Rn. 48a; Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 17 Rn. 24).

Dies gilt jedoch nicht, wenn aufgrund bestehender Anhaltspunkte die wirtschaftlichen Verhältnisse erkennbar erheblich vom Durchsch...

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