Der Fahrerlaubnisbehörde sind bei ihrer Entscheidung der Überprüfung der Fahreignung gem. § 3 IV 1 StVG Grenzen gesetzt. Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie sich zu dessen Nachteil über den Inhalt des Urteils insoweit nicht hinwegsetzen, als er sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung u.a. der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Mit dieser Vorschrift soll die sowohl dem Strafrichter (vgl. § 69 StGB) als auch der Verwaltungsbehörde (vgl. § 3 I StVG) eingeräumte Befugnis, bei fehlender Kraftfahreignung die Fahrerlaubnis zu entziehen, so aufeinander abgestimmt werden, dass Doppelprüfungen unterbleiben und die Gefahren widersprechender Entscheidungen ausgeschaltet werden, so die Rechtsprechung.[27] Die strafrichterliche Entscheidung habe Vorrang vor der behördlichen. Dies finde seine Rechtfertigung darin, dass auch die Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafrichter als Maßregel der Besserung und Sicherung eine in die Zukunft gerichtete, aufgrund der Sachlage zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung zu treffende Entscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den öffentlichen Straßenverkehr sei. Insofern unterscheide sich die dem Strafrichter übertragene Befugnis von der Ordnungsaufgabe der Fahrerlaubnisbehörde nicht. Die Verwaltungsbehörde sei an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung allerdings nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Urteilsgründen getroffenen Feststellungen beruhe. Es müsse sich ferner um denselben und nicht einen anderen Sachverhalt handeln. Die Bindungswirkung lasse sich nur rechtfertigen, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen könne, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt habe. Deshalb entfalle die Bindungswirkung, wenn das Strafurteil überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthalte oder wenn jedenfalls in den schriftlichen Urteilsgründen unklar bleibe, ob das Strafgericht die Fahreignung eigenständig beurteilt habe.[28] Die in § 3 IV 1 StVG angeordnete Bindungswirkung gelte nicht nur für die Maßnahme der Entziehung selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Entziehungsverfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, so dass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen dürfe.[29]

Enthält das Strafurteil etwa die Passage, dass "trotz § 69 II 2 StGB von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen war, da u.a. die Tatumstände und die seither verstrichene Zeit sowie die erheblichen, beanstandungsfreien Fahrleistungen einen Regelfall nach § 69 StGB kontraindizieren würden", so widerspricht die Fahrerlaubnisentziehung oder die Anordnung eines Eignungsgutachtens eindeutig § 3 IV 1 StVG. Dass im Strafurteil die Eignung des Antragstellers nicht positiv festgestellt wird, steht der Anwendbarkeit des § 3 IV StVG übrigens nicht entgegen, da eine Unterscheidung zwischen positiver Feststellung der Eignung und Verneinung der Ungeeignetheit jedenfalls im Entziehungsverfahren rechtlich ohne Belang ist.[30]

Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift des § 3 IV 1 StVG auf Strafbefehle und die gerichtlichen Entscheidungen, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt werden. Problematisch an dieser Gleichsetzung ist jedoch, dass der Strafbefehl üblicherweise nur knapp begründet wird und oft Ausführungen zur unterbliebenen Entziehung der Fahrerlaubnis fehlen.

[27] BVerwG, NZV 1988, 238.
[28] BVerwGE 80, 43.
[29] BVerwG, NJW 1989, 116.
[30] BVerwG, NZV 1988, 238; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.5.2010, BeckRS 2010, 49181.

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