[6] “Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

[7] 1. Zwar hat das Berufungsgericht mit Recht die Klage für zulässig erachtet. Hierfür besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, auch wenn sich die Beklagte in der Wohlverhaltensphase befindet und für die Klägerin das Vollstreckungsverbot nach § 294 Abs. 1 InsO gilt, obwohl die streitgegenständliche Forderung nicht zur Tabelle angemeldet wurde und nicht bei der Verteilung der eingegangenen Beträge durch den Treuhänder berücksichtigt wird (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2006, WM 2006, 1780 m.w.N.). Mangels Vollstreckungswirkung der Klage kann der Klägerin die Geltendmachung der Forderung aber nicht auf Grund des Vollstreckungsverbots nach § 294 Abs. 1 InsO untersagt werden. Die Parteien befinden sich noch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Ein Rechtsschutzinteresse kann der Klägerin auch nicht mit Blick auf die Regelung in § 301 Abs. 1 InsO abgesprochen werden. Danach wirkt die Restschuldbefreiung, wird sie erteilt, gegen alle Insolvenzgläubiger. Dies gilt nach S. 2 der Vorschrift auch für Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben. Ob der Beklagten die begehrte Restschuldbefreiung erteilt werden wird, kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden (vgl. §§ 295 ff. InsO). Würde die Restschuldbefreiung versagt, könnten die Insolvenzgläubiger sofort gegen die Beklagte aus der Eintragung in die Tabelle vollstrecken (§ 201 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 InsO). Das Vollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO stünde dem nicht mehr entgegen (vgl. § 299 InsO). Würde die Klägerin darauf verwiesen, sie müsse erst die Versagung bzw. den Widerruf einer bereits erteilten Restschuldbefreiung abwarten, um den Rechtsstreit fortzusetzen, würde sie gegenüber den anderen Gläubigern, die sofort vollstrecken dürfen und könnten, benachteiligt. Dies ist nicht Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 294 Abs. 1, 301 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.2007, WM 2007, 1844, 1845; Brandenburgisches OLG, Urt. v. 12.12.2007, Rn 14/17 juris; LG Arnsberg NZI 2004, 515, 516; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 87 Rn 3). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist § 87 InsO nicht analog für das Restschuldbefreiungsverfahren anwendbar (vgl. Uhlenbruck, a.a.O.). Dagegen spricht schon, dass die gesetzliche Regelung in § 301 Abs. 1 S. 2 InsO davon ausgeht, dass auch Gläubiger, die nicht Insolvenzgläubiger sind, Forderungen geltend machen können.

[8] 2. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen jedoch gegen die rechtlichen Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht jegliche Anspruchsmöglichkeit für die Klägerin gegen die Beklagte verneint. Die Beklagte könnte auf Grund der Übernahme der Streu- und Räumpflicht deliktisch zum Schadensersatz und damit auch zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verpflichtet sein.

[9] a) Nach st. Rspr. des erkennenden Senats können Verkehrssicherungspflichten mit der Folge eigener Entlastung delegiert werden. Die Verkehrssicherungspflichten des ursprünglich Verantwortlichen verkürzen sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten. Wer sie übernimmt, wird seinerseits deliktisch verantwortlich. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übertragung klar und eindeutig vereinbart wird (vgl. Senatsurt. v. 4.6.1996, VersR 1996, 1151, 1152; v. 17.1.1989, VersR 1989, 526 f. und v. 8.12.1987, VersR 1988, 516, 517; OLG Hamm VersR 2000, 862; OLG Nürnberg VersR 1996, 900; OLG Düsseldorf NJW 1992, 2972; VersR 1995, 535; OLG Celle RuS 1997, 501; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 14 Rn 204). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist hingegen nicht erforderlich, dass die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderliche Anzeige der Übertragung gegenüber der zuständigen Behörde erfolgt ist. Die deliktische Einstandspflicht des mit der Wahrnehmung der Verkehrssicherung Beauftragten besteht auch dann, wenn der Vertrag mit dem Primärverkehrssicherungspflichtigen nicht rechtswirksam zu Stande gekommen ist (vgl. Senatsurt. v. 17.1.1989, a.a.O.; BGB-RGRK/Steffen, 12. Aufl., § 823 Rn 129; MüKo-BGB/Wagner, 4. Aufl., § 823 Rn 288 f.; Soergel/Krause, BGB, 13. Aufl., § 823 Anh. II Rn 53 f.; Staudinger/J. Hager (1999), § 823 BGB E 64; von Bar, Verkehrspflichten, 1980, 121). Entscheidend ist, dass der in die Verkehrssicherungspflicht Eintretende faktisch die Verkehrssicherung für den Gefahrenbereich übernimmt und im Hinblick hierauf Schutzvorkehrungen durch den primär Verkehrssicherungspflichtigen unterbleiben, weil sich dieser auf das Tätigwerden des Beauftragten verlässt. Dieser ist auf Grund der von ihm mitveranlassten neuen Zuständigkeitsverteilung für den übernommenen Gefahrenbereich nach allgemeinen Deliktsgrundsätzen verantwortlich. Insofern ist seine Verkehrssicherungspflicht nicht abgeleiteter Natur. Vielmehr erfährt sie mit der Übernahme durch den Beauftragten in seine Zuständigkeit eine rechtliche Verselbstständigung. Er ist es fortan, dem unmittelbar die Gefahrenabwehr obliegt und der dafür zu sorgen hat, dass...

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