„Die zulässige Berufung des Kl. ist nicht begründet.

Das LG hat zu Recht seine Klage abgewiesen. Der Kl. ist nicht bedingungsgemäß berufsunfähig; die Bekl. ist auch nicht gehindert, sich auf das Fehlen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit zu berufen.

I. Der Kl. ist nicht bedingungsgemäß berufsunfähig.

Nach § 20 Abs. 1 AVB liegt (vollständige) Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, außer Stande ist, seinen Beruf auszuüben. Nach § 20 Abs. 2 AVB liegt teilweise Berufsunfähigkeit vor, wenn die vorgenannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad erfüllt sind. Nach den “Besonderen Vereinbarungen Nr. 102’ werden bei mindestens 50 %-iger Berufsunfähigkeit die für vollständige Berufsunfähigkeit festgesetzten Leistungen gewährt; bei einer teilweisen Berufsunfähigkeit von weniger als 50 % besteht danach kein Anspruch auf Leistungen.

Damit setzen Leistungsansprüche des Kl. voraus, dass er in einem Umfang von mindestens 50 % berufsunfähig ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist dies indes nicht der Fall.

1. Dabei ist die Frage der Berufsunfähigkeit nach dem zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles ausgeübten Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung zu beantworten (Senat r+s 1990, 355). Der Kl. hatte zuletzt in gesunden Tagen sein Ladenlokal dienstags und donnerstags ganztägig (10.00 Uhr bis 13.00 Uhr sowie 15.00 Uhr bis 18.00 Uhr) und samstags halbtägig von 9.00 Uhr bis 13.00 Uhr geöffnet. Deshalb ist der Kl. berufsunfähig, wenn er eine solche auf zweieinhalb Arbeitstage in der Woche beschränkte Tätigkeit in seinem Ladenlokal nicht mehr zu mindestens 50 % ausüben kann. Auf einen Einzelhändler mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 58 Stunden kann entgegen der Auffassung des Kl. dabei nicht abgestellt werden …

Die Sachverständige hat deshalb für die Zeit ab 2007 für den Kl. Tätigkeiten im Stehen, Gehen und Sitzen, mit Heben und Tragen von leichten und mittelschweren (bis 10 kg) und gelegentlich auch schweren Gewichten (15 bis maximal 20 kg) für möglich und zumutbar gehalten. Unter Heranziehung des individuellen Tätigkeitsprofils des Kl. hat die Sachverständige eine Beeinträchtigung der Berufstätigkeit des Kl. von 20 bis 30 % festgestellt, wobei die Beeinträchtigung beim Tragen von Lasten bis 10 kg bei 30 %, beim Tragen von Lasten von mehr als 10 kg bei 60 % und bei einer Regalpflege mit mehr als 30 Minuten Überkopfarbeiten von mehr als 50 % liegt.

Demgegenüber macht der Kl. ohne Erfolg geltend, dass die Schmerzen wieder auftreten würden, wenn er seine alte Berufstätigkeit wieder aufnehmen würde, sodass er an einer solchen gehindert sei. Denn die Sachverständige hat bei ihrer Beurteilung die Situation des Jahres 2007 zugrunde gelegt, und nicht etwa die aktuelle Situation zum Untersuchungszeitpunkt. Deshalb fußt die Beurteilung der Sachverständigen nicht etwa darauf, dass der Kl. seit dem Jahr 2006 seiner Berufstätigkeit nicht mehr nachgeht. Deshalb ist auch der Einwand des Kl., die Fortführung seiner Berufstätigkeit hätte zu einem Raubbau an seiner Gesundheit geführt, widerlegt.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damit bei quantitativer Betrachtung eine zumindest 50 %-ige Berufsunfähigkeit des Kl. nicht gegeben.

2. Anders als der Kl. meint, ist eine 50 %-ige Berufsunfähigkeit auch bei einer zusätzlich vorzunehmenden qualitativen Bewertung der noch zu erbringenden Berufstätigkeit ebenfalls nicht gegeben.

Denn der Umstand, dass die Beeinträchtigung des Kl. beim Tragen von Lasten bis 10 kg bei 30 %, beim Tragen von Lasten von mehr als 10 kg bei 60 % und bei einer Regalpflege mit mehr als 30 Minuten Überkopfarbeiten von mehr als 50 % liegt, führt nicht dazu, dass der Kl. gehindert wäre, seinen Beruf als Inhaber eines kleinen Ladenlokals mit reduzierter Öffnungszeit auszuüben.

Zwar ist ein Versicherter auch dann berufsunfähig, wenn er prägende Elemente seiner bisherigen Tätigkeit nicht mehr ausführen kann, auch wenn diese zeitlich einen geringen Umfang ausmachen (vgl. Senat VersR 1995, 84 sowie Senat VersR 1998, 442). Denn die dem Versicherten in seinem Beruf konkret abverlangten Verrichtungen dürfen nicht nur einzeln, sondern müssen auch im Zusammenhang mit denjenigen bewertet werden, mit denen sie einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (BGH VersR 2003, 631 sowie BGH VersR 2008, 770). Vorliegend ist jedoch, entgegen der Auffassung der Berufung, eine solche Gestaltung, in der die Unfähigkeit zur Ausübung einzelner Arbeitsschritte dergestalt Auswirkungen auf die gesamte Arbeitsleistung hat, dass ein sinnvolles Arbeitsergebnis nicht mehr zu erzielen ist, nicht gegeben.

Denn ein Selbständiger ist grundsätzlich dann nicht berufsunfähig, wenn er die Folgen seiner Gesundheitsbeeinträchtigung durch einfache Maßnahmen vermeiden kann, die ihm möglich und zumutbar sind (vgl. BGH VersR 2003, 631, 632). Mit dem LG ist der Senat der Überzeugung, dass dem Kl. eine solche Umorganisation praktisch möglich und dass dieser in der Lage ...

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