Leitsatz

Der Versicherer darf seine Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung nicht deshalb einstellen, weil der versicherte Betriebsinhaber durch Kapitaleinsatz seinen Betrieb erweitert und dadurch eine Umorganisationsmöglichkeit geschaffen hat.

 

Normenkette

§ 7 BUZ

 

Sachverhalt

Der Kl., ein selbstständiger Speditionsunternehmer, verlangte von der Bekl., bei der er mehrere Berufsunfähigkeitsversicherungen abgeschlossen hatte, die Fortzahlung einer Rente.

Der Kl. hatte sich im Oktober 1986 einer Operation unterzogen, bei der ihm am linken Kniegelenk der Innenmeniskus entfernt wurde und die zu einer Unterschenkelthrombose und einer Lungenembolie führte. Die Bekl. erkannte an, dass durch diese Erkrankung der Kl. schon länger als sechs Monate zu mehr als 50 Prozent an der Ausübung seines Berufs gehindert sei und gewährte ihm von Mai 1987 bis Januar 1992 eine Berufsunfähigkeitsrente.

Im September und Oktober 1991 ließ die Bekl. den Kl. erneut untersuchen. Aufgrund des Ergebnisses der ärztlichen Gutachten, wonach der Kl. aus chirurgischer Sicht nicht und aus internistischer Sicht lediglich zu 15 Prozent berufsunfähig war, teilte sie dem Kl. unter dem 12.12.1991 mit, dass sie Leistungen wegen Berufsunfähigkeit nicht mehr erbringen könne. Zum 1.2.1992 stellte sie die Rentenzahlung ein.

Das LG gab der Klage statt. Auf die Berufung der Bekl. hin hat das OLG die Klage abgewiesen.

Die Revision des Kl. führte zur Wiederherstellung des LG-Urteils.

 

Entscheidung

1.Das Berufungsgericht (BG) hat die Klage mit der Begründung zurückgewiesen, bis zur Leistungseinstellung der Bekl. habe sich der Zustand des Kl. so weit gebessert, dass von einer Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent nicht mehr die Rede sein könne. Vor allem aber habe der Kl. nicht dargelegt, warum ihm keine Umorganisation des Betriebs möglich sei.

Entgegen der Ansicht des LG seien auch die formalen Voraussetzungen für eine Leistungseinstellung der Bekl. erfüllt gewesen. Es schade nicht, dass die Bekl. die nachuntersuchenden Gutachter nicht ausdrücklich nach einem Vergleich mit dem Zustand von 1986/87 gefragt habe; denn es habe außer Frage gestanden, dass nur der Knieschaden seinerzeit die Berufsunfähigkeit des Kl. ausgelöst habe. Wenn der VN wisse, was ihm fehle und wie sich die Krankheit entwickelt habe, reiche es ausnahmsweise aus, den gegenwärtigen Zustand zu klären. So liege es hier.

II.Diese Ausführungen des BG sind nach der Entscheidung des BGH nicht frei von Rechtsfehlern.

1.Die auf das Ergebnis der ärztlichen Nachuntersuchung gestützte Leistungseinstellung im Jahr 1992 sei - so der BGH - unberechtigt gewesen, weil ihr keine wirksame Abänderungsmitteilung vorausgegangen sei.

  1. Soweit das BG die formale Wirksamkeit der Änderung vom 12.12.1991 bejaht habe, stehe seine Ansicht nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats. Gehe es um eine Gesundheitsbesserung, so sei im Nachprüfungsverfahren maßgebend der Vergleich desjenigen Gesundheitszustandes, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt habe, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setze in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung vorgenommen werde und der Versicherer aufzeige, dass die Gegenüberstellung der Ergebnisse des Gutachtens mit den Feststellungen und Bewertungen, die er seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, eine nach den Versicherungsbedingungen erhebliche Besserung ergeben habe (vgl. BGHZ 121, 284, 295 = r+s 94, 72 = VersR 93, 562, 565; BGH, r+s 97, 79 = VersR 96, 958 unter 2 a und b).
  2. Das Mitteilungsschreiben der Bekl. vom 12.12.1991 genüge diesen Anforderungen nicht. Es lasse zwar erkennen, dass die Bekl. ihre Leistungseinstellung mit einer Besserung der Gesundheit des Kl. rechtfertigen wolle. Jedoch fehle eine Vergleichsbetrachtung, weil aus dem Schreiben nicht hervorgehe, was sich tatsächlich am Gesundheitszustand des Kl. geändert haben soll. Die Gutachten schilderten lediglich den Gesundheitszustand bei der Nachuntersuchung. Dem Anerkennungsschreiben lasse sich zwar entnehmen, dass damals die Berufsunfähigkeit des Kl. ärztlicherseits mit mehr als 50 Prozent veranschlagt wurde. Aus den Nachuntersuchungsgutachten ergebe sich, dass die nachuntersuchenden Ärzte im für den Kl. günstigsten hypothetischen Fall, nämlich bei einer 70 Prozent körperlichen und 30 Prozent "kaufmännisch-organisatorisch-leitenden" Tätigkeit, die Berufsunfähigkeit des Kl. mit maximal 25 Prozent bewerteten. Allein die Gegenüberstellung der damals und jetzt von verschiedenen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit genüge aber nicht für eine Vergleichsbetrachtung. Denn allein der Umstand, dass ein früher tätig gewordener Erstgutachter den Grad der Berufsunfähigkeit höher bewertet habe als ein später nachuntersuchender Arzt, rechtfertige nicht den Schluss auf eine zwischenzeitliche Besserung der Gesundheit und der Berufsfähigkeit und erlaube erst recht nicht, deren Ausmaß mit der Differenz der beiden gutac...

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