Für alle Erbfälle mit Auslandsbezug gilt seit dem 17.8.2015 die Europäische Erbrechtsverordnung (Art. 83 Abs. 1 EuErbVO). Ursprünglich war erwartet worden, dass es einige Jahre dauern wird, bis der Europäische Gerichtshof über deren Auslegung entscheiden wird. Nunmehr ging es jedoch überraschend schnell. Innerhalb von nicht einmal drei Jahren sind bereits drei Grundsatzentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ergangen. In allen drei Urteilen ging es jeweils um "deutsche" Erbfälle; bei zwei Dutzend EU-Mitgliedsstaaten, in denen die Erbrechtsverordnung Anwendung findet, ein durchaus überraschendes Ergebnis. Bemerkenswert ist auch, dass der Europäische Gerichtshof in allen drei Fällen entgegen der bis dahin in Deutschland jeweils herrschenden Auffassung entschieden hat.

Das erste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Europäischen Erbrechtsverordnung betraf einen deutsch-polnischen Erbfall. Dabei ging es um die Frage, um die dingliche Wirkung eines polnischen Vindikationsvermächtnisses auch ein in Deutschland belegenes Grundstück umfasst. Der Europäische Gerichtshof hat dies bejaht und damit dem (polnischen) Erbrecht Vorrang vor dem (deutschen) Sachen- und Grundstücksrecht eingeräumt.[1]

Im zweiten Fall ging es um die in Deutschland lange Zeit umstrittene Frage, nach der international-privatrechtlichen Qualifikation des pauschalen Zugewinnausgleichs im Erbfall (§ 1371 Abs. 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hatte sich im Jahr 2015 noch für eine rein güterrechtliche Qualifikation der Vorschrift ausgesprochen.[2] Dem ist der Europäische Gerichtshof nicht gefolgt und hat die Vorschrift erbrechtlich qualifiziert.[3]

In der dritten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stellte sich die Frage, ob die Zuständigkeitsvorschriften der Europäischen Erbrechtsverordnung nur für das Europäische Nachlasszeugnis oder auch für nationale Erbzeugnisse gelten. Der Europäische Gerichtshof hat sich erneut für eine weite Anwendung der Europäischen Erbrechtsverordnung ausgesprochen und die europäischen Zuständigkeitsregeln (Art. 4 ff. EuErbVO) als vorrangig angesehen. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte für die Erteilung eines deutschen Erbscheins richtet sich daher nicht mehr nur nach dem deutschen Recht (§§ 105, 343 ff FamFG), sondern vorrangig nach europäischen Recht (Art. 4 ff EuErbVO).[4]

Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Oberle ist von erheblicher Bedeutung für die (deutsche) Erbrechtspraxis. Der nachfolgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über die Hintergründe und (mögliche) Folgen der Entscheidung.

[1] EuGH, Urteil vom 12.10.2017, Rs. C-218/16 (Kubicka), ZErb 2017, 352 = FamRZ 2017, 2057 mit Anm. Döbereiner = ErbR 2018, 84 mit Anm. Kurth = Rpfleger 2018, 212. – Ausführlich dazu Bandel, MittBayNot 2018, 99; Böhringer, ZfIR 2018, 81; Dorth, ZEV 2018, 11; Dressler, Rpfleger 2018, 413; Leitzen, ZEV 2018, 311; Wagner, NJW 2017, 3755; Weber, DNotZ 2018, 33; Wilsch, ZfIR 2018, 253.
[2] BGH, Beschluss vom 13.5.2015, IV ZB 30/14, BGHZ 205, 289 = NJW 2015, 2185 = FamRZ 2015, 1180 mit Anm. Mankowski = ZEV 2015, 409 mit Anm. Reimann = Rpfleger 2015, 646 mit Anm. Wiedemann = MittBayNot 2015, 507 mit Anm. Süß. – Ausführlich dazu Dörner, IPrax 2017, 81; Lorenz, NJW 2015, 2157.
[3] EuGH, Urteil vom 1.3.2018, Rs. C-558/16 (Mahnkopf), ZErb 2018, 188 = FamRZ 2018, 632 mit Anm. Fornasier = ZEV 2018, 205 mit Anm. Bandel = Rpfleger 2018, 330 mit Anm. Lamberz = ErbR 2018, 324 mit Anm. Kleinschmidt = notar 2018, 221 mit Anm. Röhl = NotBZ 2018, 223 mit Anm. Löhnig = MittBayNot 2018, 375 mit Anm. Sakka. – Ausführlich dazu Bandel, MittBayNot 2018, 209; Dörner, ZEV 2018, 305; Mankowski, ErbR 2018, 295; Weber, NJW 2018, 1356.

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