EuGH lässt hohe Anforderungen an Abberufung von Datenschutzbeauftragten zu
An die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten stellt das deutsche Datenschutzrecht regelmäßig hohe Anforderungen. Sie darf nur erfolgen, wenn ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 BGB vorliegt. Weil im Gegensatz zum Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) für die Abberufung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten nach EU-Recht weniger strenge Voraussetzungen gelten, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Sache zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Dieser entschied: Das nationale Recht darf strengere Anforderungen an die Abberufung eines Datenschutzbeauftragen als die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) stellen.
Abberufung eines Datenschutzbeauftragten: BAG befragt EuGH
Aus Sicht des Arbeitgebers war vorliegend ein wichtiger Grund für die Abberufung des Datenschutzbeauftragten gegeben, weil dieser zugleich Betriebsratsvorsitzender war. Damit seien Interessenkonflikte vorprogrammiert. Das Bundesarbeitsgericht sah im konkreten Fall keinen wichtigen Grund für eine Abberufung des Datenschutzbeauftragten. Es hat seine Entscheidung in der Sache jedoch zunächst ausgesetzt, damit der Europäische Gerichtshof zwei wichtige Fragen vorab klärt: Zum einen, ob die deutschen Regelungen zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten EU-Recht widersprechen, zum anderen, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb von derselben Person ausgeübt werden dürfen.
EuGH: Strengere Regeln für Abberufung eines Datenschutzbeauftragten europarechtskonform
Nach europäischem Recht ist die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO nur dann unzulässig, wenn sie wegen der Aufgabenerfüllung des Datenschutzbeauftragten vorgenommen wird. Einen wichtigen Grund für die Abberufung wie § 6 Abs. 4 BDSG verlangt das europäische Recht dagegen nicht.
Der EuGH hat nun in diesem sowie in einem weiteren, ähnlich gelagerten Fall (EuGH, Urteil vom 9. Februar 2023, Rechtssache C‑560/21) klargestellt, dass nationale Regelungen zur Abberufung eines Datenschutzbeauftragten, die strenger sind als die DSGVO, grundsätzlich zulässig sind. Bereits im Juni 2022 entschied er, dass der deutsche Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte europarechtskonform ist.
Darf ein Betriebsratsvorsitzender auch Datenschutzbeauftragter sein?
Der europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil zudem erklärt, dass Art. 38 Abs. 6 DSGVO dahin gehend auszulegen ist, dass ein "Interessenkonflikt" im Sinne dieser Bestimmung bestehen könne, "wenn einem Datenschutzbeauftragten andere Aufgaben oder Pflichten übertragen werden, die ihn dazu veranlassen würden, die Zwecke und Mittel der Verarbeitung personenbezogener Daten bei dem Verantwortlichen oder seinem Auftragsverarbeiter festzulegen". Die Frage des Bundesarbeitsgerichts, ob die Ämter des Betriebsratsvorsitzenden und des Datenschutzbeauftragten in einem Betrieb in Personalunion ausgeübt werden dürfen oder ob dies zu einem Interessenkonflikt im Sinne von Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DSGVO führt, hat der EuGH damit nicht abschließend beantwortet.
BAG muss über Rechtmäßigkeit der Abberufung entscheiden
Aus Sicht des EuGH ist es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter zugleich Betriebsratsvorsitzender ist. Ob ein Interessenkonflikt zwischen beiden Ämtern besteht und ob die Voraussetzungen einer Abberufung vorliegen, müssten die nationalen Gerichte im Einzelfall prüfen. Unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung hielt das BAG im vorliegenden Fall bislang keinen wichtigen Abberufungsgrund für gegeben. Nun muss es dieser Sache entscheiden.
Der Hintergrund: Datenschutzbeauftragter ist zugleich Betriebsrat - Unvereinbarkeit der Ämter?
Der Datenschutzbeauftragte eines Unternehmens hatte vorliegend bis zum BAG gegen seine Abberufung geklagt. Er wurde 2015 zum betrieblichen Datenschutzbeauftragten und parallel zum Datenschutzbeauftragten von drei Konzernunternehmen bestellt. Daneben war er im Unternehmen teilweise freigestellter Vorsitzender des Betriebsrats. Nach Inkrafttreten der DSGVO wurde er 2018 vom Arbeitgeber als Datenschutzbeauftragter abberufen. Die Unvereinbarkeit beider Ämter stelle wegen der Interessenkonflikte einen wichtigen Grund zur Abberufung des Datenschutzbeauftragten dar. Hiergegen wehrte sich der Mitarbeiter. Die Vorinstanzen haben seiner Klage stattgegeben.
Hinweis: EuGH, Urteil vom 9. Februar 2023, Rechtssache: C-453/21; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 27. April 2021, Az: 9 AZR 383/19; Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2019, Az: 9 Sa 268/18
Das könnte Sie auch interessieren:
BAG-Urteil: Datenschutzbeauftragte zu Unrecht gekündigt
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
7.049
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.006
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
5.916
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
5.9132
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
5.6252
-
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnen
5.38416
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.692
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
4.007
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.7591
-
Arbeitszeitkonto: Diese rechtlichen Vorgaben gelten für Arbeitgeber
3.234
-
Auch Minijobber haben Urlaubsanspruch
19.09.2024
-
Überstundenregelung diskriminiert Teilzeitbeschäftigte
18.09.2024
-
Duschen kann vergütungspflichtige Arbeitszeit sein
16.09.2024
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
13.09.2024
-
Außerordentliche Kündigung wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit
11.09.2024
-
Während Elternzeit angesammelter Urlaub kann für Arbeitgeber teuer werden
09.09.2024
-
Bildungsurlaub: Welche rechtlichen Voraussetzungen gelten
06.09.2024
-
Kein Anspruch auf Abfindung nach Sozialplan
04.09.2024
-
Skurrile Urteile aus dem Arbeitsrecht
03.09.20241
-
Gründe für eine Abmahnung im Arbeitsrecht
30.08.2024