Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag, der die gesetzliche Erbfolge bezeugen soll, zu Recht abgelehnt, da die Verwandten der Erblasserin als gesetzliche Erben durch die letztwillige Verfügung vom 25.4.1981 von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Auch der Senat legt den zweiten Satz des Testaments "Jegliche Forderungen von Verwandten (mit denen auch seit Jahrzehnten schon keinerlei Kontakt besteht) werden ausdrücklich ausgeschlossen" als umfassende Enterbung im Sinne des § 1938 BGB aus.

Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen. Dieser ist jedoch nicht bindend. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 1993, 256 mwN). Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe (BGH FamRZ 1987, 475, 476; Palandt/Edenhofer, BGB, 69. Aufl., § 2084 Rn 1). Zur Ermittlung des Inhalts der testamentarischen Verfügungen ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen (BGH NJW 1993, 256 mwN). Solche Umstände können vor oder auch nach der Errichtung des Testaments liegen. Dazu gehört das gesamte Verhalten des Erblassers, seine Äußerungen und Handlungen (Palandt/Edenhofer, aaO, § 2084 BGB Rn 2 mwN). Kann sich der Richter auch unter Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Erblassers nicht überzeugen, muss er sich mit dem Sinn begnügen, der dem Erblasserwillen mutmaßlich am ehesten entspricht (BGH NJW 1993, 256). Nach dem Wortlaut handelt es sich bei dem zweiten Satz um eine eigenständige Regelung, die nicht von der im ersten Satz erfolgten Erbeinsetzung des Ehemanns der Erblasserin abhängig ist. Umstände, die entgegen dem Wortlaut dafür sprechen würden, dass eine solche Abhängigkeit gewollt war, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Auch ist die nächstliegende Bedeutung des Ausschlusses von Forderungen in einem Testament die Enterbung der betroffenen Personen. Auch dafür, dass die Erblasserin hier nur schuldrechtliche Ansprüche gleich welcher Art ausschließen wollte, lassen sich keine Anhaltspunkte finden. Die Formulierung (jegliche Forderungen) spricht vielmehr für einen weitergehenden Regelungswillen.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann auch der in Klammern stehende Zusatz nicht im Sinne einer echten Bedingung der Enterbung angesehen werden. Sprachlich handelt es sich am ehesten um eine Erläuterung, wofür auch der Zusatz in Klammern spricht. Konkrete Anhaltspunkte, die ein anderes Verständnis nahelegen würden, bestehen auch hier nicht. Soweit sich die Antragstellerin in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des OLG Karlsruhe vom 14.5.2002 beruft, lässt sich aus den dort dargestellten Grundsätzen im vorliegenden Fall ebenfalls kein anderes Ergebnis gewinnen. Richtig ist, dass bei der Annahme der Enterbung aller Verwandten Zurückhaltung geboten ist. Denn es besteht durchaus ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Erblasser das Erbrecht eines auch noch so entfernt Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus vorziehen wird. Der Wille zum umfassenden Ausschluss des Verwandtenerbrechts muss daher anhand der letztwilligen Verfügung feststellbar sein und darf nicht vorschnell angenommen werden.

Hier ergibt sich eine umfassende Enterbung der Verwandten, wie dargelegt, jedoch als nächstliegende Wortbedeutung des Testaments. Anders als in dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen, dass die Enterbung nur auf bestimmte Teile der Verwandtschaft abzielte. Weder enthält der Wortlaut einen Hinweis auf bestimmte Teile der Verwandtschaft, noch lässt sich dem erläuternden Klammerzusatz ein moralischer Vorwurf entnehmen, dessen Zielrichtung eine Eingrenzung der Verfügung auf bestimmte Teile sicher ermöglichen würde. Schließlich findet sich in der mit dem Antrag geschilderten Lebensgeschichte der Erblasserin, die als nichteheliches Kind aus dem Verwandtschaftszusammenhang ausgeschlossen wurde, ein durchaus naheliegendes Motiv für eine derart umfassende Enterbung. Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist aus tatsächlichen Gründen entbehrlich. Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131, 30 KostO.

Mitgeteilt von Richter am Oberlandesgericht Helmut Engelhardt, Hamm

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