Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Es liegt kein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, denn weder beruht die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

1. Der Klägerin steht der begehrte Zahlungsanspruch gegen den Beklagten auf keiner rechtlichen Grundlage zu. Insbesondere hat sie keinen durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß der §§ 2329 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB, denn der Anspruch ist verjährt. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben, sodass der Anspruch gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht mehr durchsetzbar ist.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2329 Abs. 1 BGB verjährt gemäß § 2332 Abs. 2 BGB in der vom 1.1.2002 bis 31.12.2009 geltenden Fassung (aF) ebenso wie gemäß § 2332 Abs. 1 BGB in der seitdem geltenden Fassung kenntnisunabhängig binnen drei Jahren von dem Erbfall an, sodass die Verjährung hier am 20.4.2004 mit dem Tod der Erblasserin begann. Dies gilt auch, wenn der Beschenkte gleichzeitig Miterbe ist (BGH NJW 1986, 1610; Damrau/Tanck-Lenz-Brendel, Praxiskommentar Erbrecht, 3. Aufl. 2014, § 2332 Rn 3; aA Staudinger/Wolfgang Olshausen (2015), BGB, § 2329 Rn 40).

Die am 20.4.2004 angelaufene Verjährungsfrist hätte mithin ohne Hemmung oder Neubeginn mit Ablauf des 20.4.2007 geendet.

a) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass eine Hemmung der Verjährung durch Verhandlungen gemäß § 203 S. 1 BGB nicht eingetreten ist.

Der Begriff der Verhandlungen ist grundsätzlich weit zu verstehen. Verhandlungen zwischen den Parteien oder ihren mit Verhandlungsvollmacht ausgestatteten Vertretern schweben bei jedem Meinungsaustausch über den Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände, auf Grund dessen der Gläubiger davon ausgehen kann, dass sein Begehren von der Gegenseite noch nicht endgültig abgelehnt wird, ohne dass es erforderlich ist, dass der Verhandlungspartner seine Vergleichsbereitschaft geäußert hat (vgl. BGH, Urt. v. 30.1.2014 – III ZR 84/13, juris, Rn 8; Palandt/Ellenberger, BGB, 75. Aufl. 2016, § 203 Rn 2; MüKo-BGB/Grothe, 7. Aufl. 2015, § 203 Rn 5 mwN).

Die von der Hemmung gemäß § 203 BGB erfassten Ansprüche werden durch den Gegenstand der Verhandlungen bestimmt. Der Anspruchsbegriff des § 203 ist deshalb regelmäßig nicht im Sinne einer materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlage zu verstehen, sondern erstreckt sich im Zweifel auf alle Ansprüche, die jener Lebenssachverhalt hervorbringt, der den Verhandlungen zugrunde liegt, wenn und soweit diese Ansprüche auf ein vergleichbares Gläubigerinteresse gerichtet sind (vgl. Schmidt-Räntsch in: Erman, BGB Kommentar, 14. Aufl. 2014, § 20 Rn 7; MüKo-BGB/Grothe, 7. Aufl. 2015, § 203 Rn 7 mwN). Dabei ist, wenn über die Regulierung eines Erbfalls verhandelt wird, grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen (vgl. Senat, ZEV 2011, 323; zustimmend: Staudinger-Löhnig, BGB, 2016, § 2039 Rn 26; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 203 Rn 3).

Im Zweifel muss durch Auslegung des Vorbringens ermittelt werden, ob nur ein abgrenzbarer Teil von Ansprüchen geltend gemacht wird oder alle aus dem Lebenssachverhalt in Betracht kommenden Ansprüche. Vorliegend kann dahin stehen, ob dies angesichts des erheblichen Unterschiedes zwischen Ansprüchen wegen Beeinträchtigung eines testamentarischen Vermächtnisses und Pflichtteilsergänzungsansprüchen, die die Klägerin erstmals vorsorglich mit Schriftsatz vom 4.12.2006 angesprochen hat, nachdem der Beklagte sich darauf berufen hatte, er habe nun (2006) erfahren, dass die Testamente wirksam widerrufen worden seien, ebenfalls gilt.

Die Parteien haben nämlich zu keinem Zeitpunkt verhandelt.

Auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin an den Beklagten vom 29.4.2004 (Anlage K 42, Bl 728 GA/Band III), durch das diese anzeigten, mit der "Klärung der rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Nachlass Ihrer verstorbenen Mutter" beauftragt zu sein, und "vorrangig" Auskunft gemäß § 2018 BGB und Schlüsselherausgabe begehrten, folgten lediglich die Schreiben des Rechtsanwalts und Notars ... vom 5.5.2004 (Anlage K43, Bl 730 GA/Band III) und 3.6.2004 (Bl 852 GA/Band IV), der mitteilte, den Beklagten nicht zu vertreten, weil er davon ausgehe, Testamentsvollstrecker zu werden. Demgemäß hat die Klägerin dem Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2014 (Bl 732 GA/Band III) zutreffend mitgeteilt, das Schreiben vom 29.4.2004 sei nicht erledigt.

Die Reaktion des Beklagten bestand darin, dass er mit Anwaltsschreiben vom 11.11.2004 (Anlage K43, Bl 734 f GA/Band III) seinerseits Auskunftsansprüche geltend machte, woraufhin die Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2004 (Bl 737 GA/Band III) und vom 30.5.2005 (Bl 739/Band III) ihre Forderungen wiederholte und im letztgenannten Schreiben – unter dem Aspekt des § 2287 BGB – auch auf die Übertragung der Gesellschaftsanteile einging. Die Feststellung des Landgerichts, dass der Beklagte auf dieses Schreiben aber nicht reagiert habe,...

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