Die gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist auch im übrigen zulässig (§§ 59 ff FamFG). In der Sache aber kann das Rechtsmittel keinen Erfolg haben, weil es offensichtlich unbegründet ist. Das Nachlassgericht ist zu Recht und auch mit im wesentlichen zutreffender Begründung zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Erbfolge nach dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten richtet, weil die darin angeordnete Schlusserbeneinsetzung als wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB mit der eigenen Einsetzung des Erblassers als Alleinerbe seiner Ehefrau anzusehen ist. Infolgedessen war der Erblasser wegen der mit dem Ableben der Ehefrau eingetretenen Bindung an die gemeinsame Schlusserbenbestimmung (§ 2271 Abs. 2 BGB) daran gehindert, hiervon – nach dem Maßstab des § 2289 Abs. 1, S. 2 BGB (analog) – abweichende Anordnungen zu treffen (vgl. Palandt, 74. Auflage, Rn 12 ff zu § 2271 BGB).

1. Auslegungsregeln

Das Beschwerdevorbringen steht in mehrfacher Hinsicht nicht in Einklang mit den bei einer Fallgestaltung wie hier maßgebenden Grundsätzen für die Auslegung letztwilliger Verfügungen (vgl. zunächst Palandt/Weidlich, 74. Aufl., Rn 1, 2 zu § 2084 BGB).

a) Danach sind bei der Auslegung neben dem gesamten Text des Testaments auch Umstände außerhalb der Urkunde heranzuziehen und zu würdigen, wobei solche Umstände vor oder nach der Testamentserrichtung liegen können. Aber auch insoweit hat es ausschließlich auf den Willen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung anzukommen. Danach eingetretene Umstände wie etwa spätere Willensäußerungen sind daher nur beurteilungserheblich, soweit sich daraus Rückschlüsse auf die Einstellung des Testators zur Zeit der Testamentserrichtung ziehen lassen (BayObLG NJW 1996, 133).

Im Hinblick auf die Formbedürftigkeit letztwilliger Verfügungen muss ein auf Umstände außerhalb der Urkunde gestütztes Auslegungsergebnis im Text der Verfügung einen zumindest unvollkommenen Ausdruck gefunden haben (sog. Andeutungstheorie – vgl. etwa BGH NJW 1966, 201 f; FamRZ 1972, 201 f; FamRZ 1972, 561 ff).

b) Dementsprechend ist auch in der Frage, ob und in welchem Umfang in einem gemeinschaftlichen Testament getroffene Anordnungen wechselbezüglich iSd § 2270 Abs. 1 BGB sind, ausschließlich auf den übereinstimmenden Willen der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung abzustellen (BGHZ 112, 229, 233). Sofern ein solches Testament keine klaren und eindeutigen Aussagen zur Wechselbezüglichkeit enthält, muss diese Frage nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Anordnung gesondert ermittelt werden (BGH NJW-RR 1987, 1410). Lässt sich der Wille der testierenden Ehegatten im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) nicht zuverlässig feststellen, so kommt bei der vorliegenden Konstellation eines sog. Berliner Testaments, in dem sich die Eheleute gegenseitig zum Alleinerben und ihre gemeinsamen Kinder als gemeinsame Schlusserben zu gleichen Teilen eingesetzt hatten, die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB zum Zuge, wonach im Zweifel die gegenseitigen Erbeinsetzungen der Ehegatten jeweils auch im Verhältnis zur Schlusserbeneinsetzung des anderen Ehegatten als wechselbezüglich anzusehen sind.

c) Die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB geht von der gewöhnlichen Lebenserfahrung über die Vorstellungen und Absichten der Ehegatten in solchen Fällen aus (Kipp/Coing, Erbrecht, 14. Aufl., § 35 III, 2 = S. 224). Eine allgemein anerkannte, weil besonders zuverlässige Erfahrungsregel im Sinne der gesetzlichen Vermutung knüpft sich an die hier vorliegende Fallgestaltung eines sog. Berliner Testaments: Eheleute, die ihr gemeinsames Vermögen "letztlich" an ihre eigenen – gemeinsamen – Kinder weitergeben möchten, jedoch mit Rücksicht auf die Altersversorgung des anderen Ehegatten ihre Abkömmlinge für den Fall ihres eigenen Vorversterbens enterben, tun das jeweils in der offenkundigen Erwartung, dass aufgrund der gleichzeitigen Schlusserbeneinsetzung des anderen Teils das gemeinsame Vermögen mit dem Tode des Ehegatten auf ihre Kinder übergehen wird (so zu Recht OLG München NJW-RR 2011, 227, Rn 11 und 2011, 1020 = FamRZ 2011, 1817, dort Rn 19). Dieses Vertrauen der testierenden Eheleute wird u. a. dadurch geschützt, dass ein Widerruf nach dem Tod des Erstversterbenden grundsätzlich ausgeschlossen ist (§ 2271 Abs. 2, S. 1 BGB).

Es wird deshalb jedenfalls bei einer Konstellation wie hier schon nicht der Lebenserfahrung gerecht und greift somit auch auslegungsmethodisch zu kurz, wenn die Vermutung des § 2270 Abs. 2 BGB mit der Erwägung relativiert wird, es sei regelmäßig anzunehmen, dass jeder Ehegatte die Kinder wegen des Verwandtschaftsverhältnisses bedenkt und nicht, weil der andere dies auch tut (so jedoch BayObLG FamRZ 1986, 392, Rn 49 in einem seitdem immer wieder zitierten obiter dictum, vgl. etwa Palandt/Weidlich, aaO, Rn5 zu § 2270 BGB). Vielmehr hat es bei der Prüfung der auslegungserheblichen Umstände entscheidend darauf anzukommen, ob sich darin – innerhalb oder außerhalb des Testaments – eine Willensbekundun...

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