1. Parteien kraft Amtes und Nachlasspfleger

Sogenannte Parteien kraft Amtes sind in dem hier interessierenden Zusammenhang Testamentsvollstrecker,[10] Nachlassverwalter[11] und Insolvenzverwalter[12] Der Nachlasspfleger ist zwar keine Partei kraft Amtes. Er vertritt aber den unbekannten Erben.[13] Die Parteien kraft Amtes und der Nachlasspfleger treten damit faktisch für die Eigentümerversammlung an die Stelle des Erben/Wohnungseigentümers – von der Ladung bis zur Entgegenahme des Protokolls.

[11] Riecke in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. 2010, § 25 Rn 7.
[12] Riecke in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. 2010, § 25 Rn 8.
[13] Weidlich in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 1960 Rn 11.

2. Einladung

Dass der wirkliche Wohnungseigentümer zur Eigentümerversammlung zu laden ist, versteht sich von selbst. Dabei kommt es auf die tatsächliche Rechtslage an. Eine solche wird weder durch einen Erbschein noch durch eine Grundbucheintragung begründet. Wird der vermeintliche Erbe eingeladen, fehlt es an einer Einladung des wirklichen Wohnungseigentümers.

Die unterbliebene Ladung eines Wohnungseigentümers führt jedoch nur in ganz besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen zur Nichtigkeit der in der Eigentümerversammlung gefassten Beschlüsse, etwa wenn ein Wohnungseigentümer in böswilliger Weise gezielt von der Teilnahme ausgeschlossen werden soll. Ein solcher Ausnahmefall liegt hingegen nicht vor, wenn die Ladung nur irrtümlich unterblieben ist. Die unterbliebene Einladung des wirklichen Erben/Wohnungseigentümers führt daher regelmäßig nur zur Anfechtbarkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse, nicht aber zu deren Nichtigkeit.[14] Eine Ungültigerklärung auf Anfechtung hin ist ausgeschlossen, wenn festgestellt werden kann, dass der Ladungsmangel für den Beschluss nicht ursächlich geworden ist.[15]

[14] BGH, Urt. v. 20.7.2012 – V ZR 235/11 – BeckRS 2012, 18287.
[15] LG Köln, ZMR 2012, 727; Bassenge in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 23 WEG Rn 20.

3. Teilnahme

Die Teilnahme des Nichterben, der auch nicht Wohnungseigentümer ist, an der Eigentümerversammlung verletzt objektiv auch den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit[16] dieser Versammlung. Eigentümerbeschlüsse, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zustande gekommen sind, sind grundsätzlich für ungültig zu erklären.[17] Eine Ungültigerklärung scheidet jedoch aus, wenn feststeht, dass sich Fehler bei der Beschlussfassung oder dem vorangegangenen Procedere auf das Abstimmungsergebnis nicht ausgewirkt haben können.[18] Dabei ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen.[19] Die Nichtteilnahme des wirklichen Erben beurteilt sich nach den Folgen der fehlerhaften Einladung.[20]

[16] Vgl. z. B. BGH, NJW 1993, 1329; BayObLG, ZMR 2002, 844; KG, ZWE 2001, 75; Steinmeyer in: Timme, Wohnungseigentumsgesetz, 1. Aufl. 2010, § 24 Rn 70.
[18] BayObLG, NZM 2002, 616; OLG Celle, ZWE 2002, 276; OLG Hamm, ZMR 1996, 677; Merle in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 11. Aufl. 2010, § 24 Rn 94; Bassenge in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, § 23 WEG Rn 20.
[19] Drasdo, WuM 1996, 195 (196); aA OLG Frankfurt a.M., NJW 1995, 3395 = ZMR 1995, 326; Riecke in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. 2010, § 24 Rn 58 a.
[20] Oben II. 2.

4. Abstimmung

Mehrere Wohnungseigentümer, zu denen auch die Mitglieder einer Erbengemeinschaft zählen,[21] können nach § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG ihr Stimmrecht nur einheitlich ausüben. Eine nicht einheitlich erfolgte Stimmabgabe ist ungültig.[22] Das gilt auch dann, wenn von mehreren Mitberechtigten nur einer zur Versammlung erschienen ist. Es gibt nämlich keine Anscheinsvollmacht zugunsten des Erschienenen.[23] Selbstverständlich möglich ist die Erteilung einer Vollmacht an einen der Miterben,[24] die in der Versammlung nachzuweisen ist.[25]

Stimmt ein nur vermeintlicher Erbe ab, ist die Berücksichtigung von dessen Stimme objektiv unrichtig. Ist die Stimme des vermeintlichen Erben für die Beschlussfassung nicht kausal, z. B. weil die Mehrheit auch ohne dessen Stimme erreicht ist, bleibt die Abstimmung folgenlos. Ist die Stimme des vermeintlichen Erben für das Abstimmungsergebnis kausal, ist wegen der konstitutiven Wirkung der Beschlussverkündung durch den Versammlungsleiter der Beschluss nur dann unwirksam, wenn er auf Anfechtungsklage nach § 23 Abs. 4, § 46 WEG hin für ungültig erklärt wird.[26] Soweit für das Gesellschaftsrecht die Auffassung vertreten wird, dass bei Abstimmungen § 2367 BGB entsprechend anwendbar ist,[27] kann das jedenfalls nicht auf das Wohnungseigentum übertragen werden, da das Abstimmungsrecht aus der Eigentümerstellung folgt und der analogen Anwendung einer Gutglaubensschutzvorschrift nicht zugänglich ist.

[21] Riecke in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. 2010, § 25 Rn 54; Merle in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 11. Aufl. 2010, § 25 Rn 43.
[23] Riecke in: Riecke/Schmid, Wohnungseigentumsrecht, 3. Aufl. 2010, § 25 Rn 54; aA Merle in: Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 11...

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