Entscheidungsstichwort (Thema)

Während der Testamentsvollstreckung fällig werdende Hausgeldschulden einer zum Nachlass gehörenden Eigentumswohnung. Nachlassverbindlichkeiten

 

Leitsatz (amtlich)

Gehört eine Eigentumswohnung zu dem Nachlass, weil sie der Testamentsvollstrecker für den Erben mit Nachlassmitteln erworben hat, sind die Hausgeldschulden, die während der Dauer der Testamentsvollstreckung fällig werden, Nachlassverbindlichkeiten.

 

Normenkette

WEG § 16 Abs. 2; BGB § 1967 Abs. 2, § 2213 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bamberg (Urteil vom 05.04.2011; Aktenzeichen 1 S 40/10 WEG)

AG Würzburg (Entscheidung vom 22.07.2010; Aktenzeichen 30 C 769/10 WEG)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bamberg vom 5.4.2011 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Mit notariellem Testament setzte die im Januar 2008 verstorbene A.K. ihren Enkel als Erben ein, ordnete die Testamentsvollstreckung durch den Beklagten bis zum 31.12.2022 an und verfügte darüber hinaus, dass der Testamentsvollstrecker für den Enkel - soweit dieser es wünsche und an ihrem Todestag noch keine Eigentumswohnung besitze - von ihrem Bargeld bzw. sonstigen Vermögen eine angemessene Eigentumswohnung kaufen solle. Der Beklagte erwarb im August 2008 für den Erben eine Eigentumswohnung, die zu der Wohnanlage der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft gehört. Im Grundbuch wurden der Erbe als Wohnungseigentümer sowie ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen. Die Klägerin erwirkte gegen den Erben wegen rückständiger Hausgeldforderungen für die Zeit von August 2008 bis September 2009 rechtskräftige Vollstreckungsbescheide über insgesamt 5.636,03 EUR. Am 17.9.2009 beschlossen die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 und legten fest, dass die Hausgeldbeiträge unverändert bleiben sollten. Nachdem die Zwangsvollstreckung in die Eigentumswohnung nicht gelang, verlangt die Klägerin nunmehr von dem Beklagten Zahlung des gegen den Erben titulierten Betrags sowie des Hausgelds von Oktober 2009 bis März 2010 i.H.v. 2.586 EUR. Das AG hat den Beklagten verurteilt, i.H.v. 5.636,03 EUR die Zwangsvollstreckung in den Nachlass zu dulden und 2.586 EUR an die Klägerin zu zahlen. Die Berufung hat das LG zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 2

Das Berufungsgericht meint, das AG habe den Zahlungsantrag zutreffend in einen Duldungsantrag umgedeutet, soweit die Forderung gegen den Erben bereits tituliert worden sei. Es sei unerheblich, dass die Wohnung erst nach dem Tod der Erblasserin erworben worden sei, weil dies mit Mitteln aus dem Nachlass und aufgrund der Anweisung in dem Testament geschehen sei. Die Hausgeldforderungen stellten sowohl Eigen- als auch Nachlassverbindlichkeiten dar mit der Folge, dass sowohl das Eigenvermögen des Erben als auch das Nachlassvermögen hafte. Ihre Begleichung entspreche der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses.

II.

Rz. 3

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Hausgeldforderungen zu Recht als Nachlassschulden angesehen, die gem. § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB sowohl gegen den Erben als auch gegen den Beklagten als Testamentsvollstrecker geltend gemacht werden können. Dies setzt voraus, dass die Wohnung zu dem Nachlass gehört und der Verwaltung durch den Testamentsvollstrecker unterliegt (vgl. § 2213 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ferner müssen die Hausgeldschulden Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB sein (vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 2213 Rz. 1). Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Rz. 4

1. Die Wohnung gehört zu dem Nachlass, für den eine Dauervollstreckung i.S.v. § 2209 BGB angeordnet ist. Weil er aus diesem Grund ein Sondervermögen bildet, findet die auf die Erbengemeinschaft bezogene Bestimmung des § 2041 Satz 1 BGB über die dingliche Surrogation analoge Anwendung (vgl. RGZ 138, 132, 134; MünchKomm/BGB/Gergen, 5. Aufl., § 2041 Rz. 3; Staudinger/Werner, BGB [2010] § 2041 Rz. 12). Die Surrogation tritt auch dann ein, wenn der Erwerb - wie hier - mit Mitteln des Nachlasses erfolgt (MünchKomm/BGB/Gergen, 5. Aufl., § 2041 Rz. 12). Dabei ist unerheblich, ob der Testamentsvollstrecker eine testamentarische Anordnung i.S.v. § 2216 Abs. 2 Satz 1 BGB befolgt. § 2216 BGB betrifft nämlich nicht das Außenverhältnis zu den Gläubigern - also der Klägerin -, sondern die dem Testamentsvollstrecker gegenüber dem Erben obliegenden Pflichten (näher Zimmermann in MünchKomm/BGB, 5. Aufl., § 2216 Rz. 3 und 13). Entgegen der Auffassung der Revision kommt es deshalb nicht darauf an, dass der Beklagte den Kauf nur mit Einverständnis des Erben ausführen sollte. Die Zugehörigkeit der Eigentumswohnung zu dem Nachlass ist auch nicht durch eine Freigabe gem. § 2217 Abs. 1 Satz 1 BGB aufgehoben worden. Ebenso wenig enthält das Testament einen Anhaltspunkt dafür, dass die Wohnung nach dem Erwerb nicht mehr der Testamentsvollstreckung unterliegen sollte. Deshalb erstreckt sich die Verwaltungsbefugnis des Testamentsvollstreckers gem. § 2205 Satz 1 BGB auf sie (vgl. § 2213 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Rz. 5

2. Die Hausgeldforderungen sind Nachlassverbindlichkeiten i.S.v. § 1967 Abs. 2 BGB.

Rz. 6

a) Überwiegend werden Hausgeldschulden für eine im Wege der Erbfolge erworbene Eigentumswohnung auch dann als Nachlassverbindlichkeiten angesehen, wenn sie erst nach dem Erbfall fällig werden und - wie hier jedenfalls teilweise - ihre Grundlage in einem erst nach dem Erwerb gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer haben. Im Einzelnen streitig ist dabei lediglich, ob sie reine Nachlassschulden (so jedenfalls im Ergebnis BayObLG, NZM 2000, 41 ff.; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 28 WEG Rz. 174) oder sog. Nachlasserbenschulden darstellen, bei denen sowohl der Nachlass als auch der Erbe persönlich haftet (so mit unterschiedlichen Differenzierungen OLG Hamburg NJW-RR 1986, 177; OLG Köln NJW-RR 1992, 460; Dötsch, ZMR 2006, 902, 906; MünchKomm/BGB/Küpper, 5. Aufl., § 1967 Rz. 20; Marotzke, ZEV 2000, 153, 154; Niedenführ, NZM 2000, 641, 642). Teilweise wird aber auch vertreten, dass eine reine Eigenschuld des Erben entstehe (für die Zeit ab dem Erbfall Rieke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rz. 199; für die auf die erste Beschlussfassung nach dem Erbfall folgende Zeit Bonifacio, MDR 2006, 244, 245; Siegmann, NZM 2000, 995, 996).

Rz. 7

b) Eine reine Eigenschuld des Erben scheidet jedenfalls dann aus, wenn - wie hier - eine Dauervollstreckung angeordnet ist und die Wohnung von dem Testamentsvollstrecker verwaltet wird. Geht der Testamentsvollstrecker im Rahmen der Verwaltung Verbindlichkeiten ein, entstehen nach allgemeiner Meinung notwendig Nachlassverbindlichkeiten (MünchKomm/BGB/Küpper, BGB, 5. Aufl., § 1967 Rz. 21; Hügel, ZWE 2006, 174, 177). Weil der Testamentsvollstrecker verwaltungsbefugt ist, hat nach allgemeiner Ansicht er und nicht der Erbe das Stimmrecht auszuüben (Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 25 Rz. 26; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 25 Rz. 29; Palandt/Bassenge, BGB, 70. Aufl., § 25 WEG Rz. 2; Hügel, ZWE 2006, 174, 178). Unabhängig davon, ob er von seinem Stimmrecht Gebrauch macht, sind die beschlossenen Hausgeldforderungen insgesamt Folge seiner Verwaltung und damit Nachlasserbenschulden (vgl. Hügel, ZWE 2006, 174, 177).

III.

Rz. 8

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2859778

NJW 2012, 316

NJW 2012, 6

NWB 2012, 174

EBE/BGH 2011

FamRZ 2012, 219

FuR 2012, 159

JurBüro 2012, 221

NZM 2012, 6

NZM 2012, 90

WM 2012, 1739

ZAP 2012, 315

ZEV 2012, 103

ZMR 2012, 211

ZfIR 2012, 40

ErbBstg 2012, 31

MDR 2012, 101

NJ 2012, 4

Rpfleger 2012, 147

WuM 2012, 49

ZWE 2012, 85

Info M 2012, 71

MietRB 2012, 44

NJW-Spezial 2012, 129

NWB direkt 2012, 54

ZErb 2012, 118

EE 2012, 38

IWR 2012, 73

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