II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Die Beschwerde ist statthaft, § 68 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG, und auch ansonsten zulässig. Insbesondere kann ein Rechtsanwalt – wie hier der Klägervertreter – sie aus’eigenem Recht mit dem Ziel einlegen, dass der Streitwert erhöht wird (Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 68 GKG Rn 17 m.w.N.).

Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt auch die Schwelle von 200 EUR gemäß § 68 Abs. 1 S. 1 GKG: Bei dem vom Landgericht angenommenen Gegenstandswert von bis zu 19.000,00 EUR beträgt eine 1,0-fache Gebühr gemäß § 13 RVG 770 EUR, bei dem vom Klägervertreter geltend gemachten Gegenstandswert von bis zu 22.000 EUR beträgt sie 822,00 EUR, ist also 52,00 EUR höher. Da der Klägervertreter eine 1,3-fache Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG, eine 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG sowie eine 1,0-fache Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003 VV RVG zuzüglich Mehrwertsteuer abrechnen kann, beträgt die hier maßgebliche Differenz ([1,3 + 1,2 + 1,0] × 52,00 EUR × 1,19 =) 216,58 EUR.

2. Die Beschwerde hat Erfolg; der Gegenstandswert von Klage und Widerklage beträgt 19.138,36 EUR, denn der Gegenstandswert der Klage beträgt 14.057,09 EUR (a) und der Gegenstandswert der Widerklage ist in voller Höhe zu addieren (b).

a) Die Klageanträge zu Ziffer 1 und zu Ziffer 2 stehen im Stufenverhältnis zueinander. Das Auskunfts- und Wertermittlungsinteresse eines Pflichtteilsberechtigten ist mit einer Quote des Wertes des Leistungsanspruchs zu bestimmen, die in der Regel zwischen 1/10 und ¼ bemessen wird und umso höher anzusetzen ist, je geringer die Kenntnisse des Pflichtteilsberechtigten und sein Wissen über die zur Begründung des Leistungsanspruchs maßgeblichen Tatsachen sind (BGH, Beschl. v. 25.1.2006 – IV ZR 195/04, ZEV 2006, S. 265 m.w.N.). Hier kennt der Kläger die Nachlassgegenstände, auf die sich sein Wertermittlungsbegehren bezieht, und hat eine genaue Vorstellung über deren Wert, den er mit 3.350,00 EUR beziffert, so dass der Wertermittlungsanspruch hier mit 1/10 des Wertes des Leistungsanspruchs zu bemessen ist.

Der Wert des Leistungsanspruchs (Klageantrag zu Ziffer 2) ist hier mit der erhofften Zahlung zu beziffern, bei einem behaupteten Wert der Nachlassgegenstände von 3.350 EUR und einer Pflichtteilsquote von 1/12 also mit (3.350 EUR × 1/12 =) 279,17 EUR.

Daraus ergeben sich für die Klage folgende Streitwerte: 27,92 EUR (Klageantrag zu Ziffer 1, Auskunft weiterer Pflichtteil), 279,17 EUR (Klageantrag zu Ziffer 2, Zahlung weitere Pflichtteil) und 13.750 EUR (Klageantrag zu Ziffer 3, Zahlung Pflichtteilsergänzung), mithin in der Summe 14.057,09 EUR.

b) Dazu ist gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG der Streitwert der Widerklage in voller Höhe von 5.081,21 EUR zu addieren, denn § 45 Abs. 1 S. 3 GKG findet hier keine Anwendung.

aa) Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe auf den Pflichtteilsanspruch des Kläger 5.081,27 EUR zu viel gezahlt, der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe der mit Klageantrag zu Ziffer 2 geltend gemachte Betrag als weitere Zahlung auf seinen Pflichtteilsanspruch zu. Dabei handelt es sich nicht um denselben Gegenstand im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG, so dass § 45 Abs. 1 S. 1 GKG maßgeblich ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG sind die in einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich zu addieren. Allerdings ist nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn die einander gegenüberstehenden Ansprüche denselben Gegenstand betreffen. Letzteres ist unabhängig vom zivilprozessualen Streitgegenstand bei wirtschaftlicher Identität von Klage und Widerklage der Fall. Diese Identität ist dann gegeben, wenn die Ansprüche aus Klage und Widerklage nicht in der Weise nebeneinander stehen können, dass beiden stattgegeben werden kann, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zieht (BGH, Beschl. v. 11.3.2014 – VIII ZR 261/12, NJW 2014, S. 1456 [Rn 4] m.w.N.; Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Dörndorfer, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Auflage 2021, § 45 GKG Rn 4 f.).

Dies ist hier zwar an sich der Fall, denn bezüglich des Pflichtteilsanspruchs schließen sich ein weiterer Zahlungsanspruch des Klägers und ein Rückzahlungsanspruch der Beklagten aus. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG findet aber auch dann keine Anwendung, wenn mit Klage und Widerklage lediglich Teilansprüche aus demselben Rechtsverhältnis hergeleitet werden, die sich rechtlich zwar wechselseitig ausschließen, wirtschaftlich aber nicht überschneiden, sondern unterschiedliche Vermögenspositionen betreffen. Dementsprechend findet eine Werteaddition nach Maßgabe von § 45 Abs. 1 S. 1 GKG auch in den Fällen statt, in denen der Kläger aus einem Rechtsverhältnis einen über geleistete Zahlungen hinausgehenden Rest- oder Mehrbetrag beansprucht, während der Beklagte widerklagend einen Teil der bereits geleisteten Zahlungen als nicht geschuldet zurückverlangt. In einer solchen Situation bildet die a...

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