Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Unrecht einen Erwerb des Klägers aus einer Schenkung seiner Mutter angenommen.

Schließen künftige gesetzliche Erben einen sogenannten Erbschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 5 BGB (früher § 312 Abs. 2 BGB), d. h. einen Vertrag über den gesetzlichen Erbteil oder einen Pflichtteil eines künftigen gesetzlichen Erben, bei dem der eine gegenüber dem anderen im Hinblick auf den Nachlass eines noch lebenden Dritten auf etwaige künftige Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche verzichtet, stellt die Abfindung eine freigebige Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar (vgl. BFH, Urteil vom 25.1.2001 II R 22/98, BStBl II 2001, 456; ebenso Viskorf, Das Unternehmertestament und die vorweggenommene Erbfolge, JbFStR 2001/2002, S.507, S. 555; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 7 Tz 316; aA Benne, Erbschaftsteuerfolgen des Erbvergleichs, FR 2004, 1102; Anmerkung Daragan, DB 2001, 848; Moench, in Moench/Weinmann, Kommentar zum Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz mit Bewertungsgesetz, § 3 Rn 214 a; Fischer, in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn 422, Rn 13).

Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Schenkungsteuer dabei jedoch nach der im Verhältnis zum Erblasser geltenden Steuerklasse festzusetzen (BFH, Urteil vom 25.1.2001 II R 22/98, BStBl II 2001, 456; ebenso Kempermann, FR 2001, 553; kritisch: Meincke, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, 15. Aufl. 2009, § 7 Anm. 107; aA Hartmann, Verzicht auf den Pflichtteil durch Erbschaftsvertrag, UVR 2001, 255; Schuck, in Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2009, § 7 Rn 145).

Durch die Zahlung der 450.000 DM wurde der Kläger aber nicht aus dem Vermögen seiner Mutter bereichert, sodass es sich jedenfalls nicht, wie vom Beklagten angenommen, um eine freigebige Zuwendung seiner Mutter handelt.

In dem Urteil des BFH vom 25.1.2001 (II R 22/98, aaO) zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Bruder des dortigen Klägers sich zur Zahlung der Abfindung für den Pflichtteilsverzicht verpflichtet und die Abfindung auch tatsächlich bezahlt; dementsprechend hatte das Finanzamt eine freigebige Zuwendung des Bruders angenommen und besteuert. Der BFH bestätigte den Schenkungsteuerbescheid insoweit und führt unter II. 2 a) aus: "Durch die Zahlung der 260.000 DM wurde der Kläger aus dem Vermögen seines Bruders bereichert."

Für eine Fiktion eines Erwerbs von der Mutter fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Anders ist dies in den Fällen des nachträglichen Pflichtteilsverzichts, in denen § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG ausdrücklich einen Erwerb vom Erblasser fingiert. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen "jeder Vermögensvorteil, der auf Grund eines vom Erblasser geschlossenen Vertrags bei dessen Tode von einem Dritten unmittelbar erworben wird". Als Zuwendung des Erblassers wird auch die Abfindung für einen vorzeitigen Erbverzicht nach den §§ 2346 und 2352 BGB behandelt (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Denn ein solcher Erbverzicht kann nur mit dem Erblasser persönlich geschlossen werden (§ 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verpflichtet sich ein Dritter zur Zahlung, so bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BFH die Steuerklasse gleichwohl nach dem Verhältnis des Verzichtenden zum künftigen Erblasser (vgl. BFH, Urteil vom 25.5.1977 II R 136/73, BStBl II 1977, 733); ob in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt der Beklagte eine Zuwendung des Erblassers oder eine Zuwendung des die Abfindung leistenden Bruders der dortigen Klägerin zugrundegelegt hat, ist dem Urteil nicht direkt zu entnehmen. Da lediglich die Anwendung der Steuerklasse streitig war, ist aber davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid einen Erwerb vom Erblasser zugrundegelegt hat.

Der hier zu entscheidende Sachverhalt liegt anders. Der Kläger hat mit seinen Brüdern einen Erbvertrag geschlossen, an dem die potenzielle Erblasserin nicht beteiligt war. Auch war § 312 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BGB aF (jetzt § 311 b Abs. 4 Sätze 1 und 2) zu beachten, wonach ein Vertrag über den Nachlass eines noch lebenden Dritten nichtig ist und das Gleiche von einem Vertrag über den Pflichtteil oder ein Vermächtnis aus dem Nachlass eines noch lebenden Dritten gilt. Gegenstand der Vereinbarung war daher allein das Vermögen der drei Brüder des Klägers, sodass als Schenker die Mutter des Klägers nicht in Betracht kommt (vgl. ebenso Hartmann, Verzicht auf den Pflichtteil durch Erbschaftsvertrag, UVR 2001, 255).

Ob der Senat auch den Ausführungen des BFH im Urteil vom 25.1.2001 (aaO) hinsichtlich der Freigebigkeit und zu der Frage, ob eine die Freigebigkeit ausschließende Gegenleistung vorliegt (vgl. Benne, aaO), folgt, kann der Senat bei dieser Sach- und...

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