Rz. 420

Der Erblasser kann zu Lebzeiten mit künftigen Erben, Pflichtteilsberechtigten oder Vermächtnisgläubigern rechtsgeschäftlich vereinbaren, dass diese auf die Erbaussicht verzichten (§§ 2346, 2348, 2352 BGB). Der Verzicht kann auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden. Wenn die Beteiligten stattdessen eine Abfindung erhalten, handelt es sich dabei schenkungsrechtlich um ein entgeltliches Geschäft. Die in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte Entscheidung des BGH[1] bezog sich allein auf den Begriff der Unentgeltlichkeit im Vollstreckungsrecht, der sich von der schenkungsrechtlichen Sichtweise unterscheidet.[2] Entstehungsgeschichtlich knüpft § 7 ErbStG allerdings an das Schenkungsrecht und nicht an das Vollstreckungsrecht an. Im Übrigen ist die Entscheidung des BGH auch für das Vollstreckungsrecht nicht überzeugend, weil sich die Anfechtungsmöglichkeit eines Pflichtteilverzichts gegen Entgelt bereits aus anderen Anfechtungstatbeständen ergeben hätte.[3] Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass schenkungs- und schenkungsteuerrechtlich ein entgeltliches Geschäft vorliegt, welches ausnahmsweise von § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG besteuert wird. Deshalb kann es auch auf das Bewusstsein der Unentgeltlichkeit nicht ankommen. Insoweit ist der Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG nicht klarstellend, sondern konstitutiv.

 

Rz. 421

Wird die Abfindung nicht von dem Erblasser, sondern von einem Dritten gewährt, dem der Verzicht im Erbfall zugutekommt (z. B. Abfindung des Bruders an die Schwester für deren Erbverzicht gegenüber den Eltern), sollte schenkungsteuerrechtlich nach der Rspr. des BFH trotzdem das Verhältnis zwischen dem Erblasser und Abfindungsempfänger zugrunde gelegt werden.[4] Regelmäßig ist dies für den Abfindungsempfänger günstig, weil er zu dem Erblasser bezogen auf Freibetrag und Steuerklasse in einem günstigeren Verhältnis steht als zu dem Dritten. Beim späteren Erwerb vom Erblasser ist der Dritte berechtigt, die von ihm geleistete Abfindung als Kosten zur Erlangung des Erwerbs nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abzuziehen. Aufgrund einer neuen Entscheidung des BFH[5] zur Abfindung zwischen künftigen gesetzlichen Erben zu Lebzeiten des Erblassers könnte der BFH künftig allerdings auch für diese Fälle das Verhältnis des Verzichtenden zum Zahlenden als maßgeblich ansehen.

 

Rz. 422

Die Abfindung zwischen künftigen gesetzlichen Erben zu Lebzeiten des Erblassers[6] wird nicht von § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG erfasst. Allerdings geht der BFH[7] von einer freigebigen Zuwendung i. S. d. Grundtatbestands des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG aus, ohne sich mit der schenkungsrechtlichen Dogmatik auseinanderzusetzen.[8] Wenn der Erbe auf einen Anspruch aus 2287 BGB gegen Abfindung verzichtet oder ein Erbvertrag gem. § 2290 Abs. 1 BGB gegen Abfindung aufgehoben wird, ist zwar der Sondertatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG nicht erfüllt, doch wendet die Rspr. des BFH[9] den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG im Verhältnis zwischen den künftigen Erben an. Trotzdem sollten sich in diesem Fall die Steuerklasse[10] und der Freibetrag[11] nach dem Verhältnis zum Erblasser richten.

An dieser Rspr. hält der BFH[12] nicht mehr fest. Entscheidend sei das Verhältnis des Verzichtenden zum Zahlenden. Der BFH begründet dies mit der fehlenden Gleichbehandlung des Verzichts auf Pflichtteilsansprüche vor und nach dem Erbfall, die aus der drohenden Vervielfachung von Freibeträgen folge. Im Gegenzug werden Zuwendungen des künftigen Erblassers an den Verzichtenden wegen der Personenverschiedenheit nicht als Vorerwerb i. S. d. § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG berücksichtigt.

 

Rz. 423–429

einstweilen frei

[2] Zu den Abweichungen vom Schenkungsrecht näher Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, 2002, 380 ff.
[3] Fischer, Die Unentgeltlichkeit im Zivilrecht, 2002, 433 ff., 441 f.
[11] FG Münster v. 26.2.2015, 3 K 3065/14 Erb, ZEV 2015, 667; eingehend Carlé, Kösdi 2016, 19773 mit ausführlichen Gestaltungshinweisen.
[12] BFH v. 10.5.2017, II R 25/15, BStBl II 2018, 201; zustimmend Geck, in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 7 Rz. 112.

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