II.

Die gemäß §§ 352 ff., 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten Ziff. 2 hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beteiligte zu 1 wurde gesetzlicher Alleinerbe der Erblasserin. Gemäß § 1938 BGB kann ein Erblasser durch ein sogenanntes Negativtestament Verwandte teilweise oder vollständig von der gesetzlichen Erbfolge ausschließen, auch ohne gleichzeitig eine positive Anordnung über die Erbfolge zu treffen. Eine solche Anordnung hat die Erblasserin mit ihrem handschriftlichen Testament vom Februar 2007 getroffen. Der Kreis der mit dieser Regelung ausgeschlossenen Verwandten ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei mit der Feststellung, die Erblasserin habe alle Verwandte enterben wollen, Zurückhaltung geboten ist, denn es besteht durchaus ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Erblasser das Erbrecht eines Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus vorziehen wird. Der Wille zum umfassenden Ausschluss des Verwandtenerbrechts muss daher anhand der letztwilligen Verfügung feststellbar sein und darf nicht vorschnell angenommen werden (OLG Hamm FamRZ 2012, 1091).

Für die Auslegung testamentarischer Verfügungen gilt die allgemeine Vorschrift des § 133 BGB. Demnach gilt auch hier wie bei der Auslegung von Willenserklärungen allgemein, dass der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften ist. Ziel der Auslegung ist, den rechtlich geltenden Inhalt der vom Erblasser im konkreten Fall getroffenen testamentarischen Verfügungen festzustellen. Dabei geht es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens, sondern um die Klärung der Frage, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass der Sprachgebrauch nicht immer so exakt ist oder sein kann, dass der Erklärende mit seinen Worten genau das unmissverständlich wiedergibt, was er zum Ausdruck bringen wollte. Gerade deshalb ordnet § 133 BGB an, den Wortsinn der benutzten Ausdrücke unter Heranziehung aller Umstände zu "hinterfragen" (BGH, Urt. v. 7.10.1992 – IV ZR 160/91, Rn 10, juris; BGH, Urt. v. 28.1.1987 – IVa ZR 191/85, Rn 17, juris). Da es um die Ermittlung des erklärten Willens geht, bildet der Wortlaut des Testaments den Ausgangspunkt der Auslegung (BayOLG, Beschl. v. 5.2.1997 – 1Z BR 180/95, Rn 39, juris; Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger/Linnartz, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2084 BGB [Stand: 18.9.2020], Rn 7; Leipold, Erbrecht, 21. Auflage, Rn 363). Wenn nichts anderes feststellbar ist, sind auch testamentarische Erklärungen nach dem üblichen Sprachsinn auszulegen (Leipold a.a.O.). Jedoch setzt auch ein scheinbar klarer und eindeutiger Wille der Auslegung keine Grenzen (BGH, Urt. v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41-51, Rn 16). Der Wortsinn der vom Erblasser verwendeten Begriffe muss stets hinterfragt werden, wenn dem wirklichen Willen des Erblassers Rechnung getragen werden soll. Dabei sind neben dem Text der Verfügung alle zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde zur Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers heranzuziehen. Hierzu gehören unter anderem die Vermögens- und Familienverhältnisse des Erblassers, seine Beziehungen zu den Bedachten und seine Zielvorstellungen; auch können weitere Schriftstücke des Erblassers oder die Auffassung der Beteiligten nach dem Erbfall von dem Inhalt des Testaments Anhaltspunkte für den Willen des Erblassers geben (BGH, Urt. v. 24.6.2009 – IV ZR 202/07, Rn 25, juris). In Bezug auf das für letztwillige Verfügungen geltende Formerfordernis kann der durch Auslegung festgestellte Inhalt eines Testaments allerdings nur gelten, wenn dieser in der Urkunde einen – wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen – Ausdruck gefunden hat. Die Grenze der Berücksichtigung außerhalb der Urkunde liegender Umstände ist überschritten, wenn der Text die Richtung des rechtsgeschäftlichen Willens nicht einmal dem Grunde nach erkennen lässt (Staudinger/Singer (2017), BGB § 133, Rn 31 m.w.N.).

Nur wenn sich auch hierzu außerhalb der Urkunde liegende Umstände im Erbscheinverfahren nicht weiter ermitteln lassen oder ermittelte Umstände im Testament nicht einmal andeutungsweise zum Ausdruck kommen, muss sich das Nachlassgericht auf eine Ausdeutung des Wortlauts beschränken (BGH, Urt. v. 8.12.1982 – IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41-51, Rn 16), eine Auslegung, die dem Testament einen Inhalt gibt, der sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen lässt und der auch nicht auf die Feststellung anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck kommenden Erblasserwillen gestützt werden kann, ist nicht möglich (Leipold a.a.O., Rn 363).

Auch bei der Auslegung des Inhalts letztwilliger Verfügungen gelten die allgemeinen Regeln über die Darlegungs- und Feststellungslast. Wer einen bestimmten aus Umständen außerhalb der Urkunde abgeleiteten Willen des Erblassers behauptet, trägt hierfür die Darlegungs- und Feststellungslast (BGH, Urt. v. 18.1.1978 – IV ZR 181/76, Rn 16, juri...

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