Leitsatz

Unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB ist der Erbe auch dann zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichtet, wenn die Auskunft nach § 2314 Abs. 1 S. 3 BGB durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses erteilt worden ist. Die Versicherung an Eides statt ist nicht auf die Angaben, die im Verzeichnis als solche des Erben gekennzeichnet sind, beschränkt. Hält der Erbe Ergänzungen oder Berichtigungen des notariellen Verzeichnisses für erforderlich, ist die an Eides statt zu versichernde Formel entsprechend anzupassen (vgl. § 261 Abs. 1 BGB).

BGH, Urt. v. 1.12.2021 – IV ZR 189/20

1 Tatbestand

Der Kläger macht im Wege der Stufenklage einen Pflichtteilsanspruch gegen den Beklagten als Alleinerben des am 10.11.2010 verstorbenen Erblassers, des Vaters der Parteien, geltend und nimmt den Beklagten auf der zweiten Stufe auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung in Anspruch.

Der Beklagte erteilte dem Kläger mit Schreiben vom 4.3.2014 Auskunft über den Nachlassbestand durch Übersendung einer "Erklärung des Erben … über den Nachlass nach [Erblasser]" vom 23.2.2014. Durch rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts wurde der Beklagte im Wege der Stufenklage verurteilt, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines durch einen Notar aufgenommenen Verzeichnisses, das im Einzelnen alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen, alle beim Erbfall vorhandenen Verbindlichkeiten und alle vom Erblasser zu seinen Lebzeiten getätigten ergänzungspflichtigen Schenkungen, insbesondere von zwei näher bezeichneten Grundstücken, umfasst.

Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 25.11.2016 ein auf seine Veranlassung erstelltes notarielles Nachlassverzeichnis vom 11.10.2016 vorgelegt hatte, hat der Kläger auf der zweiten Stufe beantragt, den Beklagten zu verurteilen, vor der zuständigen Stelle die Richtigkeit der Angaben im notariellen Verzeichnis an Eides statt zu versichern.

Durch weiteres Teilurteil hat das Landgericht die Klage auf der zweiten Stufe abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht unter Abweisung der Klage auf der zweiten Stufe im Übrigen und Zurückweisung der weitergehenden Berufung das erstinstanzliche Teilurteil abgeändert und den Beklagten verurteilt, an Eides statt zu versichern, dass der Aktiv- und Passivbestand des Nachlasses des Erblassers einschließlich der Schenkungen in seinen letzten zehn Lebensjahren und der ausgleichspflichtigen Zuwendungen in dem notariellen Nachlassverzeichnis vom 11.10.2016, soweit die Angaben im Verzeichnis als solche des Beklagten gekennzeichnet sind, so vollständig als möglich und nach bestem Wissen angegeben ist, als er dazu imstande war. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag auf Abgabe einer sämtliche Angaben im notariellen Nachlassverzeichnis umfassenden eidesstattlichen Versicherung weiter, während der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Teilurteils erstrebt.

2 Gründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg, diejenige des Beklagten ist weitgehend unbegründet. Soweit die Revisionen Erfolg haben, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Pflichtteilsberechtigte nach – hier vorliegender – Erfüllung des Auskunftsanspruchs unter den Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB eine eidesstattliche Versicherung des Erben auch im Falle eines notariellen Nachlassverzeichnisses im Sinne des § 2314 Abs. 1 Satz 3 BGB verlangen. Gegenstand der eidesstattlichen Versicherung des Erben könnten angesichts seiner eigenen Pflicht zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunft auch gegenüber dem Notar die Angaben des Erben zum Nachlassbestand sein, wenn und soweit sie als solche gekennzeichnet und vom Notar in das Verzeichnis aufgenommen worden seien. Der beschränkte Umfang der eidesstattlichen Versicherung werde einerseits Systematik sowie Sinn und Zweck der §§ 2314, 260 Abs. 2 BGB im Hinblick auf die Pflichten des Erben zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunft auch gegenüber dem Notar gerecht. Andererseits werde dadurch ausreichend berücksichtigt, dass das Gesamtverzeichnis von dem Notar verantwortet werde und auch auf dessen eigenständigen Ermittlungen beruhe und das Verzeichnis letztlich nicht in der Entscheidungsmacht und Verantwortung des Erben liege. Die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2 BGB seien gegeben, da Grund zur Annahme bestehe, dass die Auskünfte des Beklagten gegenüber dem Notar nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgt seien. Der Beklagte habe in dem von ihm aufgestellten Verzeichnis vom 23.2.2014 eine Summe von 342.528,40 EUR auf einem Bankkonto des Erblassers bei der B. Bank nicht angegeben, obwohl er am 6.3.2014, also nur zwei Tage nach Übersendung des Nachlassverzeichnisses, mit der Lebensgefährtin des Erblassers und deren Tochter eine Auseinandersetzungsvereinbarung über die Aufteilung dieses Bankguthabens getroffen habe. Es l...

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