I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte zu 1 (im Folgenden: Beklagte) Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche aufgrund des Todes ihres Ehemanns B. geltend. Mit dem Klageantrag Ziff. 2 a verlangt die Klägerin von der Beklagten im Wege der Stufenklage zunächst Auskunft über den Nachlass ihres verstorbenen Ehemannes unter ihrer Hinzuziehung durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses. Durch das angegriffene Teilurteil, auf das wegen des Sach- und Streitstands im ersten Rechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das LG der Klage mit der Maßgabe stattgegeben, dass über unentgeltliche und teilunentgeltliche Zuwendungen des Erblassers nur für den Zeitraum von 10 Jahren vor dem Erbfall Auskunft zu erteilen ist mit Ausnahme solcher Schenkungen, bei denen kein Genussverzicht innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem Erbfall eingetreten ist. Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Klägerin der Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB zustehe, da sie pflichtteilsberechtigt sei. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB sei auch auf den zum Alleinerben berufenen Pflichtteilsberechtigten anwendbar. Zudem habe die Klägerin nicht durch das Schreiben ihres früheren Bevollmächtigten vom 26.1.2005 auf den Auskunftsanspruch verzichtet.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Zur Begründung trägt sie vor, dass der Klägerin kein Auskunftsanspruch zustehe. Sie sei nicht pflichtteilsberechtigt, weil sie die Erbschaft ausgeschlagen habe, obwohl sie zur Alleinerbin eingesetzt worden sei. (...)

II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.

(...) Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 2314 BGB auf Auskunft über den Bestand des Nachlasses ihres verstorbenen Ehemannes durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses, bei dessen Aufnahme sie hinzuzuziehen ist.

a) Die Klägerin ist pflichtteilsberechtigt. Nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Pflichtteilsberechtigte, wenn der hinterlassene Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist, den Pflichtteil verlangen, wenn er den Erbteil ausschlägt. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin ist als Ehegattin des Erblassers nach § 2303 Abs. 2 S. 1 BGB pflichtteilsberechtigt. Sie wurde durch das Testament des Erblassers vom 15.10.2004 zur Alleinerbin eingesetzt und durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung beschränkt sowie durch umfangreiche Vermächtnisse zugunsten der Beklagten beschwert. Durch Erklärung vom 15.12.2004 hat die Klägerin die Erbschaft fristgerecht ausgeschlagen.

Der Senat folgt der ganz herrschenden Meinung, dass § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB auch für den Alleinerben gilt (ebenso: BayObLG, BayObLGZ 1959, 77, 79 = NJW 1959, 1734; Staudinger/Haas, BGB, Bearbeitung 2006, § 2306 Rn 54; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Aufl., § 2306 Rn 15; MüKo/Lange, BGB, 4. Aufl., § 2306 Rn 17; Erman/Schlüter, BGB, 11. Aufl., § 2306 Rn 4; Bamberger/Roth, BGB, Stand 1.4.2006, § 2306 Rn 20; anderer Ansicht: Palandt/Edenhofer, BGB 66. Aufl., § 2306 Rn 9).

Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift für diese Meinung. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB nimmt auf Satz 1 dieser Vorschrift Bezug. Dort ist geregelt, dass bestimmte Beschränkungen und Beschwerungen als nicht angeordnet gelten, wenn dem als Erben berufenen Pflichtteilsberechtigten ein Erbteil hinterlassen wird, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht übersteigt. § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB regelt hingegen den Fall, dass der hinterlassene Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist. Dies ist aber auch dann der Fall, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe zum Alleinerben eingesetzt wird.

Auch Sinn und Zweck von § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB sprechen für dieses Verständnis. Dem pflichtteilsberechtigten Erben, dem mehr als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils hinterlassen wird, soll ein Wahlrecht eingeräumt werden, ob er entweder den zugewandten Erbteil einschließlich der Beschränkungen und Beschwerungen annimmt oder ob er die Beschränkungen und Beschwerungen nicht akzeptieren will und stattdessen den Pflichtteil verlangt. Die Situation für den pflichtteilsberechtigten Erben, der mit Beschränkungen und Beschwerungen belastet ist, ist aber nicht unterschiedlich, ob er Alleinerbe ist oder ihm ein Erbteil zugewandt wurde, das jedenfalls größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ist. Die allein von Palandt/Edenhofer vertretene gegenteilige Ansicht überzeugt schon deshalb nicht, weil sie nicht begründet wird. Unzutreffend ist auch die Bezugnahme auf das Urteil des OLG Stuttgart vom 17.2.1959 (NJW 1959, 1735). Das von der Klägerin in vollständiger Fassung vorgelegte Urteil befasst sich überhaupt nicht mit der Frage, ob einem Alleinerben, der die Erbschaft ausschlägt, das Wahlrecht nach § 2306 Abs. 1 S. 2 BGB zusteht. (...)

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