Auf rechtlicher Ebene umstritten war vielmehr bis zur Entscheidung des BVerfG, ob dem Betroffenen und seiner Verteidigung ein Einsichtsrecht in die Messunterlagen – namentlich in die Bedienungsanleitung, in die „Lebensakte” des Geräts (vgl. dazu Niehaus in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021), eine ggf. vorhandene Videoaufzeichnung, einen ggf. vorhandenen Messfilm, vorhandene Rohmessdaten der gegenständlichen Messung in unverschlüsselter Form – zusteht oder ob diese die Ergebnisse der Messung letztlich schlicht hinnehmen müssen („black box”). Denn der Betroffene kann den von ihm zu fordernden substantiierten Vortrag nur erbringen, wenn die Verteidigung überhaupt in die Lage versetzt wird, den Messvorgang auf Fehler zu überprüfen (Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2; DAR 2018, 541). Dazu bedarf es aber der Einsichtnahme in die o.g. Messunterlagen, denn ohne diese Messunterlagen und Daten ist es dem Betroffenen und seiner Verteidigung als technischen Laien regelmäßig nicht möglich, konkrete Zweifel an der Richtigkeit der Messung zu ermitteln. Um insoweit zunächst einmal Ermittlungen durchzuführen, wird es zum einen der Einsichtnahme in die Messunterlagen bedürfen und sodann der Einschaltung eines (Privat-)Sachverständigen, damit dieser anhand der Messunterlagen die Richtigkeit der Messung überprüfen kann.

 

Hinweis:

Aufgrund der vorstehenden Grundsätze des standardisierten Messverfahrens und der damit verbundenen „Darlegungslast” des Betroffenen, wenn dieser die Richtigkeit der Messung bestreitet, wird die Einschaltung eines Privatsachverständigen zur Verteidigung des Betroffenen regelmäßig erforderlich sein. Eine Rechtsschutzversicherung wird daher in diesen Fällen regelmäßig eintrittspflichtig sein. Die Verteidigung wird insoweit vor Beauftragung des Sachverständigen eine Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung einholen.

Man mag i.Ü. durchaus bezweifeln, ob der hohe Kostenaufwand, der etwa mit der Einholung von Privat-Sachverständigengutachten (i.d.R. auf Kosten der Rechtsschutzversicherung) verbunden ist, stets „sinnvoll” und gerechtfertigt ist. Dies zu beurteilen, ist indes eine Frage, deren Beantwortung nicht den Gerichten obliegt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19, NStZ 2019, 620, 622, Rn 27; Cierniak/Niehaus DAR 2018, 541, 544). Eine Verkürzung von Verfahrensrechten lässt sich mit solchen Erwägungen nicht rechtfertigen.

Ohne ein Einsichtsrecht in die Messunterlagen befände sich der Betroffene in einem Teufelskreis (OLG Jena NJW 2016, 1457). Denn von ihm wird, wenn er bestreitet, etwa zu schnell gefahren zu sein, einerseits verlangt, konkrete und belegbare Zweifel an der Richtigkeit der Messung vorzutragen (s.o.). Wie ihm dies andererseits gelingen sollte, wenn ihm gleichzeitig die Einsicht in die Messunterlagen verweigert wird, erschließt sich nicht. Es handelte sich dann um eine „Einladung zum Stabhochsprung, allerdings ohne Stab” (Leitmeier NJW 2016, 1457, 1459).

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